Anfang September fanden fünf Regionenkonferenzen des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg statt. Die Treffen in Berlin, Dortmund, Ludwigshafen, Frankfurt und München waren geprägt durch Rufe nach mehr Beteiligung von Frauen in der Kirche. Kontroverse Diskussionen gab es zur katholischen Sexualmoral. Zentrales Thema war außerdem eine Bestandsaufnahme von Seelsorge und sozialer Arbeit in Zeiten von Corona.
Die Treffen mit jeweils etwa 50 Teilnehmern fanden anstelle der wegen der Pandemie verschobenen zweiten Synodalversammlung statt. Diese ist das höchste Gremium des Synodalen Weges, mit dem Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) unter anderem nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen wollen.
Die Beratungen werden im Februar 2021 auf der nächsten Synodalversammlung fortgesetzt. Dann stehen nicht nur die Papiere zu Frauen und Sexualmoral zur Diskussion, sondern vielleicht auch die zu priesterlichen Lebensformen und Macht. (KNA, 5.9.20)
21.10.2020
Bereitet die deutsche Kirche ein Schisma, eine Spaltung vor? Der Vorwurf steht - obgleich dementiert - seit einiger Zeit schon im Raum. Auch in Rom geht diese Angst um.
Wenn kirchliche Beobachter in Italien derzeit nach Norden schauen, wittern manche dort eine Art Phlegräische Felder: jenen Super-Vulkan westlich von Neapel, dessen unterirdische Magmablasen die Erde heben und senken. Von solchen "bradyseismischen Erdbewegungen“ schrieb zuletzt tatsächlich "La Repubblica“.
"Epizentrum“ des möglichen Bebens sei Deutschland - hieß es auf Seite 1. Überschrift: "Die vatikanische Angst vor einem deutschen Schisma“. „Ein Schisma von links“ drohe spätestens, wenn die Bischöfe zum Abschluss ihrer "'nationalen' Synode“ ein Dokument nach Rom schickten, in dem es um die Abschaffung des Zölibats und die Priesterweihe für Frauen geht.
Diakoninnen und Laien in der Gemeindeleitung seien dafür nur eine Art weiche Vorstufe, so der Kommentator Claudio Tito, bei Italiens führender linksliberaler Zeitung sonst eher für italienische Politik zuständig.
Kardinal Marx als "Anführer der Protestbewegung"
150 Jahre nach dem Abbruch des Ersten Vatikanischen Konzils, bei dem schon damals "Deutsche“ ein Schisma herbeiführten, geht das Gespenst erneut um. Anführer der Protestbewegung sei auf jeden Fall der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx.
Wobei deutsche Leser der Verdacht beschleicht, Marx werde nur genannt, weil man in Italien sonst kaum einen deutschen Bischof kennt, mit Ausnahme vielleicht von Kardinal Rainer Maria Woelki. Aber der taugt nicht als neuer Martin Luther, wird stattdessen als Mahner im Sinne des Papstes aufgeführt.
Sähe der Papst in Marx wirklich den teutonischen Oberreformator - er hätte den Westfalen aus Bayern kaum unlängst im Kardinalsrat und als Leiter des Wirtschaftsrates bestätigt. Zudem wird Marx seit Jahren bei öffentlichen Auftritten in Rom nicht müde, entsprechende Verdächtigungen zurückzuweisen. Gleichwohl, so bekräftigt der Deutsche ebenfalls, bestehe für die Kirche Handlungsbedarf - bei Verwaltung, Beteiligung von Frauen, Transparenz in Finanzfragen ...
Was in Rom nicht nur von Italienern dankbar und anerkennend aufgenommen wird.
Sympathie für Maria 2.0
Auch die Bewegung Maria 2.0 stößt durchaus auch auf Sympathie. Franca Giansoldati, Vatikan-Korrespondentin des "Messaggero“, widmete der Initiative Anfang der Woche einen ausführlichen Beitrag. "Frauen in Deutschland setzen die Kirche unter Zugzwang“, titelt sie ihren Beitrag, in dem auch eine Vertreterin der Bewegung zu Wort kommt.
Der "Messaggero“ ist - neben dem "Osservatore Romano“ - die einzige Zeitung, die Franziskus laut eigenem Bekunden liest.
Befürchtungen einer "Achse mit den Protestanten"
Über konkrete Themen des Synodalen Weges, international schlicht "deutsche Synode“ betitelt, hinaus, sichten manche am Horizont gar "georeligiös“-tektonische Verschiebungen. Der finanzielle "Reichtum“ der Kirchen des Nordens habe deren "Horizont, Ziele und vor allem Wahrnehmung verändert“.
Demnach würden progressive Katholiken in Deutschland eine "Achse mit den Protestanten bilden“, womit sie allerdings die Ökumene auf den Westen begrenzen und die Kirchen des Ostens ausschließen.
Solche Szenarien beunruhigen durchaus nüchternere Köpfe beidseits der Alpen. Mancher fragt sich zudem, wie und von wem Franziskus, der Deutschlands politisches, soziales und kirchliches Engagement in der Welt so sehr schätzt, über die Kirche dort informiert wird.
Uneinigkeit über Papst-Brief
Franziskus meint, so ist zu hören, sein Brief vom Sommer 2019 "an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ sei von diesem nicht (richtig) verstanden worden. Der 14 Seiten lange Brief, vom Papst weitgehend persönlich (!) auf Spanisch verfasst, kam in Deutschland nicht so recht an. Zunächst fühlte sich dort jede Fraktion bestätigt. Später ärgerte sich mancher, fühlte sich seinerseits vom Papst missverstanden.
Nicht nur in Deutschland empfinden viele den Papst aus Argentinien bisweilen als eine Art Cha-Cha-Cha-Tänzer - mit Wiegeschritt vor und zurück. Franziskus hingegen und etlichen an der Kurie sind die Deutschen zu forsch, zu sehr auf sich konzentriert und zu belehrend.
Auch kirchlich solle am deutschen Wesen die Welt genesen, so der argwöhnische Eindruck. Gegenseitig wirft man sich vor, "in einer Blase“ zu leben.
Franziskus: Geisteshaltung ist entscheidend
Weil der Jesuit Franziskus Reformvorschläge nicht nur an sich analysiert, sondern auch die Geisteshaltung prüft, mit der sie formuliert und vorgebracht werden, ist er in dem Punkt empfindlich.
Er mag es gar nicht, wenn jemand - ob konservativ oder progressiv - Entscheidungen herbeizwingen will. Das war bei den Dubia der vier Kardinäle zu "Amoris laetitia“ der Fall; dieses Gefühl befällt ihn aber auch bei mancher Initiative aus Deutschland.
Dass für den Lateinamerikaner nicht alles überall gleich praktiziert oder offiziell geregelt werden muss, dass er (scheinbare) Gegensätze nebeneinander stehen lassen kann, ist für grundsätzlich denkende und "preußisch“ empfindende Menschen schwer nachvollziehbar. Über theologische Meinungsverschiedenheiten hinaus bedarf wohl genau dieser Mentalitäts- und Kulturunterschied der weiteren Vermittlung zwischen Franziskus und "den Deutschen“.
Nicht, dass der Papst selbst ein Schisma fürchtet. Aber er will nicht von anderer Seite unter Druck gesetzt werden, sich gegen vermeintliche "teutonisch-katholische Protestanten“ positionieren zu müssen.
Roland Juchem
Anfang September fanden fünf Regionenkonferenzen des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg statt. Die Treffen in Berlin, Dortmund, Ludwigshafen, Frankfurt und München waren geprägt durch Rufe nach mehr Beteiligung von Frauen in der Kirche. Kontroverse Diskussionen gab es zur katholischen Sexualmoral. Zentrales Thema war außerdem eine Bestandsaufnahme von Seelsorge und sozialer Arbeit in Zeiten von Corona.
Die Treffen mit jeweils etwa 50 Teilnehmern fanden anstelle der wegen der Pandemie verschobenen zweiten Synodalversammlung statt. Diese ist das höchste Gremium des Synodalen Weges, mit dem Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) unter anderem nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen wollen.
Die Beratungen werden im Februar 2021 auf der nächsten Synodalversammlung fortgesetzt. Dann stehen nicht nur die Papiere zu Frauen und Sexualmoral zur Diskussion, sondern vielleicht auch die zu priesterlichen Lebensformen und Macht. (KNA, 5.9.20)