Liturgie-Professor zur Debatte um Vatikan-Papier

"Die deutschen Bischöfe brauchen keinen Nachhilfeunterricht"

Nach der harschen Kritik in der Debatte um die Instruktion über Pfarreireformen hat der Vatikan die deutschen Bischöfe zu einem klärenden Gespräch eingeladen. Sollen damit die Bischöfe wieder auf Linie gebracht werden?

Bischöfe beim Papst / © Paul Haring (KNA)
Bischöfe beim Papst / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ist das etwas Besonderes, dass die deutschen Bischöfe da jetzt eingeladen werden und quasi Nachhilfeunterricht bekommen? Hat man das schon öfter erlebt?

Prof. Albert Gerhards (emeritierter Prof. für Liturgie-Wissenschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn): Gespräche gibt es natürlich öfter. Diese Form scheint mir schon außergewöhnlich zu sein, weil ja auch die Kritik der Bischöfe außergewöhnlich war. Wobei dann auch die Reaktion von Kardinal Kasper erstaunlich war, die ja genau gegensätzlich zu dem Ton einiger deutscher Bischöfe war.

Ich glaube, das hängt mit der Struktur dieser Instruktion zusammen. Im ersten Teil besteht sie praktisch fast nur aus Zitaten von Päpsten oder päpstlichen Verlautbarungen, im zweiten Teil schärft sie eigentlich nur bestehendes Recht ein, allerdings in einer fast unerträglichen Weise und auch etwas einseitig zugespitzt. Und das hat diese Reaktion hervorgerufen. Dass die deutschen Bischöfe hier Nachhilfeunterricht bekommen sollen, ich glaube, da verheben die sich ein bisschen in Rom. Das haben sie sicher nicht nötig.

Vielleicht ist es eine Gelegenheit, wenn die das klug machen, den römischen Herrschaften mal ein bisschen zu berichten, was eigentlich Sache ist. Denn ich habe den Eindruck, dass die dort doch zu wenig Kenntnisse der tatsächlichen Gegebenheiten haben. Insgesamt muss man sagen - und das gilt ja für den gesamten deutschen Prozess des Synodalen Weges - fehlt in Rom das Verständnis für die Besonderheit der deutschen Situation.

Ein Land, in dem fünfhundert Jahre lang zwei große Konfessionen zunächst nebeneinander und jetzt miteinander lebten und leben. Wir haben eine ganz andere Wahrnehmung von Christentum, als das etwa in den monokonfessionellen Ländern Südeuropas der Fall ist. Und hier, glaube ich, müssten die in Rom etwas Nachhilfeunterricht bekommen. Und das wäre vielleicht eine Gelegenheit, wenn die deutschen Bischöfe jetzt da hingehen, das denen mal zu geben.

DOMRADIO.DE: Kardinal Stella, Vorsitzender der Kleruskongregation, die dieses Papier herausgegeben hat, wollte sich zunächst nicht dazu äußern, warum das Papier gerade jetzt herausgekommen ist und was man genau damit erreichen möchte. Sie meinen, das wurde anscheinend mit heißer Nadel gestrickt. Man könnte vermuten, man möchte so ein bisschen die aufmüpfigen Deutschen auf Linie bringen. Schätzen Sie das auch so ein?

Gerhards: Es wäre ja nicht das erste Mal. Wir beobachten schon seit Beginn der 90er Jahre, dass bestimmte Dokumente kommen, die auch zumindest in Teilen auf deutsche Situationen, aber auch auf Situationen in anderen mitteleuropäischen Ländern reagieren. Das ist vielleicht ein bisschen Methode, gesamtkirchlich auf teilkirchliche Belange zu reagieren.

Wie sich da nun Ursache und Wirkung zueinander verhalten, weiß ich nicht. Da kann man nur spekulieren. Aber da scheinen in der Tat Topf und Deckel zusammenzupassen.

DOMRADIO.DE: Wie beurteilen Sie denn die Entwicklung unserer Pfarreien- und Seelsorgeeinheiten, um die es in diesem Papier ja eigentlich geht? Immerhin ist es ja der Ort, wo sich die Gläubigen um den Altar versammeln. Gibt die römische Instruktion da aus Ihrer Sicht auch sinnvolle Hinweise?

Gerhards: Sie ändert kein Recht und das kann sie auch gar nicht als Instruktion. Insofern sollte man sie auch nicht so hoch hängen. Sondern sie weist auf bestehendes Recht hin. Und hier sind durchaus auch die Möglichkeiten genannt, wie man zum Beispiel auf die Situation des Priestermangels reagieren kann.

Es werden die Wortgottesfeiern erwähnt, die ja möglich sind. Das müssen nur die Bischöfe erlauben. Es heißt, es ist möglich, vor Ort auch bei Priestermangel in den Gemeinden Gottesdienst zu feiern. Und die so genannten Laien werden ja auch ermuntert, sich zu engagieren.

Wenn man das auch mal etwas unvoreingenommen liest, gibt es neben diesen unangenehmen Tönen, die ja überall sind, auch durchaus positive Ansätze. Und darauf sollte man verstärkt hinschauen, dass man diese Dinge auch tatsächlich umsetzt. Und dass man auch in den Bistümern agiert, wo das vielleicht in dem Maße noch nicht möglich ist, wie man es sich wünscht, und sagt: Also, bitteschön, hier steht es!

Hier finden Sie das komplette Interview zu den Auswirkungen des Dokuments auf die Liturgie.


Referent Professor em. Albert Gerhards   / © Beatrice Tomasetti (DR)
Referent Professor em. Albert Gerhards / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR