Pastoralreferentin bietet Surf-Exerzitien an

"Gegen den Wind geht nix"

Esther Göbel hat ihre stärksten spirituellen Erfahrungen nicht in der Kirche, sondern auf dem Surfbrett gemacht. Mit ihrem Exerzitienangebot lässt die ignatianisch geprägte Pastoralreferentin auch andere daran teilhaben - in Surfexerzitien. 

Surfexerzitien: Surf & Soul / © Popartic (shutterstock)
Surfexerzitien: Surf & Soul / © Popartic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Heute erscheint Ihr Buch "Surf & Soul: Mit Gott die Wellen des Lebens reiten". Was können wir denn vom Windsurfen über Gott und die Welt lernen?

Esther Göbel (Pastoralreferentin im Erzbistum Berlin): Ich glaube, ganz klassisch im Bild gesprochen: Gegen den Wind geht erst mal nix, mit dem Kopf durch die Wand auch nicht. Das zweite ist für mich ganz klar das Thema Demut. Das ist so eine alte christliche Vokabel, aber wenn man mal Demut gegenüber den Kräften von Wasser und Wind gespürt hat, dann macht das auch was mit dem Gedanken der Demut an einen großen Gott. Und das dritte, glaube ich, ist schlicht und ergreifend: mit Flauten umzugehen. Denn ohne Wind geht beim Windsurfen halt nichts. Und ich glaube, Flautezeiten kennt jeder Christ durchaus auch aus seiner Gottesbeziehung, aus seinem religiösen Leben.

DOMRADIO.DE: Aber die Idee zu Surferxerzitien, darauf muss man ja erst mal kommen...

Göbel: Ja, das werde ich öfter von Surfern und von Christen gefragt, wie man auf diese Idee kommt. Und ich frage mich immer: Wieso denn nicht? Ich bin ignatianisch geprägt, und dieses Stichwort von "Gott in allen Dingen zu finden" ist für mich sehr wichtig. Und es gab tatsächlich einen Moment beim Surfen, der für mich ein sehr spiritueller Moment war, da kam ein bisschen die Idee her. Und dann hat es sich irgendwie gefügt. Dann kamen zu meiner inneren Idee verschiedene Dinge von außen dazu. Es gab einmal eine Gruppe von Jugendlichen, die mich gefragt haben, ob wir nicht mal eine Surf-Fahrt machen könnten. Und dann gab es jemanden, der mir von außen auf die Idee hin sehr zugesprochen hat und gesagt hat, "ja, das ist eine super Idee, sowas braucht Kirche". Er hat mich einfach da innerlich auch noch mal gestärkt. Und schlussendlich gab es einen Pfarrer, der gesagt hat: "Das ist eine super Idee, komm hier her und mach das".

DOMRADIO.DE: Sie haben von dem besonderen Moment gesprochen, der für Sie selbst so existenziell war. Verraten Sie uns mehr darüber?

Göbel: Ja, es war im Grunde so etwas, was man vielleicht aus dem sportlichen Bereich unter dem Stichwort "Flow-Erleben" kennt. Heißt, dass es einfach gerade irgendwie alles zusammenpasste und rund lief und ich super glücklich war und einfach mal kurz Pause gemacht habe, da saß, das Wetter schön war und ich so in den Himmel geguckt habe und auf einmal dachte "vielen Dank, lieber Gott, dass ich hier sein darf, dass ich das machen darf, dass mein Leben so ist". Das war ein Moment von totaler Dankbarkeit für meine Existenz, für diese Schöpfung, dass ich Teil davon sein darf.

DOMRADIO.DE: Ich hatte ja spontan gedacht, beim Surfen müsste ich mich doch eigentlich konzentrieren und nicht in Gedanken versinken. Sind Exerzitien beim Surfen manchmal auch gefährlich?

Göbel: Gefährlich nicht. Wer Windsurfen lernt, ist aber tatsächlich erst mal total gefordert. Eigentlich habe ich noch nie so richtig gehört, dass jemand beim Surfen, insbesondere beim Surfenlernen, über irgendwas anderes nachdenkt, weil es einfach die komplette Aufmerksamkeit fordert und fördert. Es geht wirklich um dieses "im Jetzt sein" und nicht mit den Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft bei irgendeinem Thema zu sein. Es ist eher andersherum. Mein Ansatz ist eher, dass das, was die Leute auf dem Wasser erleben und die Erfahrungen, die sie mit sich selbst machen, in den Stille-Zeiten reflektiert wird. Dass es da noch einmal darum geht, was ich denn da eigentlich erlebt habe? Und kenne ich das aus meinem Alltag? Und dass ich den Teilnehmenden dafür auch noch mal eine Deutung vor christlichem Hintergrund anbiete, im Grunde ist das ein mystagogischer Ansatz, und das Ziel wäre, dass daraus Erfahrungen entstehen, die auch eine Relevanz für das Alltagsleben haben.

DOMRADIO.DE: Gibt es also so etwas wie einen Aloha-Spirit?

Göbel: Absolut. Darüber könnte ich jetzt einen stundenlangen Vortrag halten. Das hawaiianische Wort "Aloha" bedeutet erst mal wörtlich die Gegenwart des Atems. Das heißt, Aloha steht immer für das, was Freundlichkeit und Liebe ausdrückt, sich selbst und anderen gegenüber. Und da bin ich natürlich als Theologin schnell in der Parallele zum Doppelgebot der Liebe. Aloha wird auch oft in Wortkombinationen benutzt, um zum Beispiel Leuten etwas Gutes zu wünschen. Und wenn ich dann von der Wortbedeutung hergehe, und sage "benedicere" heißt Gutes zu sagen, dann hat "Aloha Spirit" diese alte, sehr naturreligiös geprägte Philosophie, und hat somit ganz, ganz viel mit christlicher Spiritualität zu tun.

DOMRADIO.DE: Ganz kurz zum Schluss - für wen sind solche Surf-Exerzitien gedacht?

Göbel: Grob gesagt für alle, die sich am Meer wohlfühlen, die da diese Weite schätzen und dieses Zur-Ruhe-kommen und gleichzeitig ihren Körper spüren wollen. Leute, die ja im Grunde Kontemplation und Aktion gleichermaßen schätzen. Es ist unwichtig, welche Konfession man hat, welches Alter man hat, wie sportlich man ist. Man muss nicht surfen können, man muss noch nie Exerzitien gemacht haben. Im Grunde kann ich das auch Leuten empfehlen, die nicht an Gott glauben, weil ich mich immer bemühe, meine Formulierungen so offen zu wählen, dass auch Leute, die jetzt sagen "ich will mich mit den Themen des Lebens und vielleicht auch mit Spiritualität beschäftigen", einen Surfkurs mit Tiefgang erleben können.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Esther Göbel, Gründerin von Surf & Soul / © Esther Göbel (privat)
Esther Göbel, Gründerin von Surf & Soul / © Esther Göbel ( privat )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema