Französischer Erzbischof und Ex-Schiri zum WM-Sieg

"Vorbild für das Leben in der Kirche"

Der französische Erzbischof Dominique Lebrun hat einen ungewöhnlichen Werdegang: Bevor er Priester wurde, war er jahrelang Schiedsrichter. Im Interview spricht der Erzbischof von Rouen über Fußball und Fouls, Vorbilder und Verlierer.

Stiller Jubel unter der französichen Fahne / © Matthias Schrader (dpa)
Stiller Jubel unter der französichen Fahne / © Matthias Schrader ( dpa )

KNA: Wo haben Sie das Endspiel der Weltmeisterschaft am Sonntag verfolgt?

Erzbischof Dominique Lebrun (Erzbischof von Rouen): Einige Gemeindemitglieder aus meiner ehemaligen Diözese im Pariser Vorort Saint-Denis-en-France hatten mich eingeladen. Von 1985 bis 1994 war ich Vikar in der Pfarrei. Jetzt am Endspieltag habe ich vier glückliche Familien getroffen. Mit einigen hatte ich bereits das Finale 1998 geschaut. Nach dem Fußballspiel haben wir zusammen gegrillt. Das war sehr nett.

KNA: Über zehn Jahre waren Sie Schiedsrichter beim Französischen Fußballverband FFF. Ging es beim Endspiel fair zu?

Lebrun: Die Spieler sind sehr engagiert ins Match reingegangen, aber nicht übertrieben. Sowohl der Schiedsrichter als auch die Teams haben ihre Rolle übernommen. Allerdings war immer wieder zu beobachten, dass gefoulte Spieler übertrieben schauspielern. Die FIFA hat das erkannt und auch für Schwalben Strafen eingeführt. Aber hat sie unsportliches Verhalten dadurch nicht auch gefördert? Ich träume von einem Spiel ohne Gelbe oder Rote Karten; das war meine Freude als Schiedsrichter. Am Sonntag im Endspiel gab es drei Gelbe Karten. Das waren drei zu viel.

KNA: Wie hat Ihre Diözese den Sieg gefeiert?

Lebrun: In der Kathedrale von Rouen und mehreren anderen Gemeinden haben die Glocken geläutet. Sie waren Teil der Freude der Franzosen, die sich auf den Straßen versammelt haben, um den Sieg zu feiern.

Außerdem haben viele Priester über die Weltmeisterschaft im Gottesdienst am Sonntagmorgen gesprochen. In der Messe der Kathedrale von Rouen haben wir für einen reibungslosen Ablauf des Spiels und die Fans beider Länder gebetet.

KNA: Was bedeutet der Fußball für Frankreich?

Lebrun: Fußball ist der beliebteste Sport in Frankreich. Seit dem ersten Weltmeistertitel 1998 sind Menschen aller sozialer Schichten der Gesellschaft zu Fans geworden. Der Sport hat zu vielen guten Entwicklungen in den Städten und auf dem Land geführt. Kinder und Jugendliche lernen durch den Fußball viel dazu. Für einige, die in Schwierigkeiten sind, ist es ein einzigartiger Ort, wo sie das Befolgen von Regeln und das Zusammenleben lernen. Für Frankreich bedeutet Fußball auch Stolz, besonders am Tag nach dem Sieg. Es ist der Stolz, eine gute Schule für Fußballer zu sein, und der Stolz, Menschen mit einem Migrationshintergrund zu integrieren.

KNA: Was kann die Kirche von Frankreichs Fußballmannschaft lernen?

Lebrun: Die Kirche liebt das gesellschaftliche Leben und interessiert sich dafür. Mannschaftssport ist fast ein Vorbild für das Leben in der Kirche. Jeder muss seinen Platz einnehmen. Es gibt eine Person im Spiel, die wirklich notwendig ist: der Schiedsrichter. Er hat eine besondere Mission: Je weniger er auffällt, desto erfolgreicher ist das Spiel.

KNA: Wie sieht es eigentlich mit dem unterlegenen Team aus?

Lebrun: Ja, ich denke auch an die kroatische Mannschaft. Wir wissen, dass eine Niederlage auch Teil unseres christlichen Lebens ist. Eine Niederlage kann der schönste Sieg sein. In diesem Sinne scheinen mir die Kroaten beispielhaft.

Das Interview führte Franziska Broich.


Erzbischof Dominique Lebrun / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Dominique Lebrun / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA