Schwester Katharina spendet Fußball-Deutschland Trost

"Niederlagen gehören zum Leben"

Schluss, aus und vorbei. Der Traum von der Titelverteidigung ist für die deutsche Mannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft ausgeträumt. Trost spendet Fußballexpertin Schwester Katharina. Denn gerade in der Niederlage zeige sich Größe.

Trauer bei deutschen Fans / © Andreas Arnold (dpa)
Trauer bei deutschen Fans / © Andreas Arnold ( dpa )

DOMRADIO.DE: Deutschland ist bei der WM nach dem Null zu Zwei gegen Südkorea in der Vorrunde der Fußballweltmeisterschaft in Russland als Gruppenletzter ausgeschieden. Wir brauchen jetzt alle ein bisschen Seelsorge...

Schwester Katharina Hartleib (DOMRADIO.DE-"Fußballnonne"): Die Sonne ist heute Morgen doch auch wieder aufgegangen. Wir haben einen strahlend schönen Morgen. Es war doch nur ein Spiel. Ein Spiel, das allerdings viele Millionen Leute vor die Fernseher geholt hat und bangen hat lassen. Eigentlich, im tiefsten Innern haben es ganz viele gespürt: Das ist es dieses Jahr nicht.

Ich glaube, jeder von uns hat schon mal so etwas im eigenen Leben erlebt. Also eine Prüfung verhauen oder etwas gemacht, was völlig falsch war. Das ist, glaube ich, nicht das Problem. Das Problem ist, wie ich damit umgehe. Viele von uns haben wahrscheinlich auch schon mal gemerkt, dass nach so einer Niederlage und nach einer vergeigten Prüfung oder nach so einem dicken Ding, was falsch gelaufen ist, hinterher Dinge viel besser werden. Weil ich gemerkt habe, Niederlagen gehören zum Leben, wenn ich stark genug bin, danach wieder aufstehen.

Also nicht das Hinfallen, nicht das Verlieren, nicht das Ausscheiden ist das Problem, sondern wie ich damit umgehe und wie ich dann neu wieder anfange.

DOMRADIO.DE: Dann gucken wir mal konkreter aufs Spiel. Wann haben Sie denn gemerkt, dass es ganz, ganz schwer werden könnte?

Schwester Katharina: Ich habe in der ersten Halbzeit gedacht: "Leute, ihr sollt hier nicht einen Vorsprung über die Zeit bringen, sondern ihr müsst gewinnen." Das war ja Zeitlupen-Fußball. Der Reporter hat mal zwischendurch gesagt: "Also, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, das ist hier nicht Zeitlupe."

Ich habe gedacht, was denn bloß in die gefahren ist. Was ist da los? Da war niemand, der eine Idee hatte. Ich hatte das Gefühl, die ganze Mannschaft hat nur Angst, etwas falsch zu machen. Das ist doch kein Fußball. Ich habe mir dann schon gedacht, dass das schiefgehen könnte. Da sagte meine Mitschwester, dass hätte ich schon öfter gesagt und dann sei es doch immer noch gut ausgegangen. Ich hatte in der ersten Halbzeit schon das Gefühl, dass es diesmal nicht gut geht.

DOMRADIO.DE: Dann lassen wir uns mal über das Eins zu Null für Südkorea sprechen. Der Linienrichter hatte eine Abseitsposition erkannt. Das war erwiesenermaßen dann eine Fehlentscheidung. Nach dem Videobeweis hat der Schiedsrichter das Tor gegeben. Sind Sie glücklich mit dieser technischen Neuerungen bei diesem großen Turnier?

Schwester Katharina: Es ist Fluch und Segen. Zum einen kann man dann wirklich Fehlentscheidungen korrigieren. Zum anderen zeigt quasi fast jeder Spieler inzwischen in Strafraumsituationen gestikulierend einen imaginären Bildschirm und will den Videobeweis. Obwohl es den Spielern verboten ist, tun es immer wieder welche, dass sie den Schiedsrichter darauf hinweisen. Manchmal ist es gut, dass es den Videobeweis gibt. Aber insgesamt finde ich, macht es das Ganze irgendwie weniger real. Es ist so technisch geworden, und das gefällt mir einfach nicht.

DOMRADIO.DE: Bundestrainer Joachim "Jogi" Löw hat sich gestern zurückgehalten mit Aussagen zu seiner Zukunft. Er hat gesagt, man müsse schauen, wie es wird. Er hat ein Rücktritt nicht ausgeschlossen. Wie würden Sie Jogi Löw beraten?

Schwester Katharina: Wir sind jetzt im Moment auch 80 Millionen Beraterinnen und Berater. Das waren seit 2006 einfach zwölf tolle Jahre und eine unglaublich erfolgreiche oder fast die erfolgreichste Zeit. Und die verdanken wir natürlich auch Jogi Löw. Wobei man zwischendurch immer wieder sagen muss, dass es immer mal wieder "Aufstellungsdebakel" gegeben hat. Wenn sich Shkodran Mustafi 2014 nicht verletzt hätte, dann hätte Philipp Lahm in der Mitte gespielt und die wären nie Weltmeister geworden. Das muss man einfach sagen.

Dieses Festhalten an Spielern, die Verdienste hatten, aber völlig außer Form waren. Als er plötzlich Thomas Müller eingewechselt hat, hab ich gedacht, ich spinne. Der ist ja überhaupt nicht in Form. Oder auf der anderen Seite einen Sandro Wagner nicht mitzunehmen, der hinterher ganz klar gesagt hat: "Klar, wer mal aufmuckt und mal deutlich die Meinung sagt, wird zu Hause gelassen."

Das sind so Dinge, wo ich sagen würde, ich würde jetzt an Jogi Löws Stelle aufhören. Die Verdienste sind die eine Seite. Aber diese Fehler bei elementaren Dingen und die Jungs mehr einzuschüchtern als aufzumuntern, als voranzubringen, als wirklich zu begeistern, zog sich die letzten Spiele durch. Ich glaube, da muss jemand anderes her. Ein anderer Motivator. Aber das Fachliche, das spreche ich ihm nicht ab.

DOMRADIO.DE: Ein Gutes hat das Ganze jetzt. Man kann die WM nun ohne diese fürchterliche Anspannung schauen, oder?

Schwester Katharina: Der Herzinfarkt kommt jetzt nicht mehr. Aber ich habe vielleicht noch eine Bitte. Was ich gar nicht mag, ist diese Häme, dieses Draufhauen. Auch wahre Fans zeigen sich in der Niederlage. Wenn ich jetzt Berichte höre und Urteile lese, dann denke ich, das geht doch auch nicht. Das ist auch nicht fair. Dann lieber jetzt mit Begeisterung den anderen Mannschaften zugucken. Ich habe gestern während des Spiels immer mit unseren brasilianischen Mitschwestern gechattet und habe denen versprochen: Wir halten jetzt zu eurer Mannschaft. Und das ist doch auch schön.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Seit 2017 ist Schwester Katharina Hartleib aus Olpe bei DOMRADIO.DE on air. Mit Interviews, geistlichen Impulsen und als Fußball-Expertin / © Martin Biallas (DR)
Seit 2017 ist Schwester Katharina Hartleib aus Olpe bei DOMRADIO.DE on air. Mit Interviews, geistlichen Impulsen und als Fußball-Expertin / © Martin Biallas ( DR )
Quelle:
DR
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