Hetzer im Fußballstadion: Wo sind die Grenzen?

"Wenige nehmen ganze Vereine in Haft"

Er wurde als "Hurensohn" beschimpft und seine Mutter solle sterben. Unter anderem so haben Fans des 1. FC Köln den Stuttgarter Torwart beleidigt. "Die rote Linie ist überschritten", sagt Pfarrer Fey von der Stadionverbotskommission.

Fans des 1. FC Köln im Stadion / © Federico Gambarini (dpa)
Fans des 1. FC Köln im Stadion / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind natürlich auch Stadionbesucher. Wie erleben Sie es, wenn Fans solche Dinge rufen, wie am Wochenende beim Spiel des 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart?

Pfarrer Wolfgang Fey (Stadionverbotskommission vom 1. FC Köln): Das hat in der letzten Zeit jede Grenze überschritten. Es ist verletzend, macht Angst und geht inzwischen weit über das Tolerierbare hinaus.

DOMRADIO.DE: Dagegen wird zum Beispiel von manchen gesagt, dass ein Fußballstadion doch keine Domsingschule sei. Da sei vieles der spontanen Dynamik geschuldet. Darf man sich das so leicht machen?

Fey: Da haben immer wieder viele Vereine, auch in der ersten Liga, eine ganze Folie von Entschuldigungen aufgebaut. Aber das ist alles keine Entschuldigung. Natürlich kann, wenn ein Spiel kippt oder wenn der Schiedsrichter eine schwierige Entscheidung trifft, die Südkurve entsprechend reagieren, dass Sprechgesänge aufkommen oder gepfiffen wird. Das ist auch okay, denn das gehört mit zum Spiel und zur Stadionatmosphäre.

Aber einzelne Menschen zu diffamieren, zu beleidigen, zu verletzten, Choreographien zu machen, die auf einzelne Personen oder Gruppen zielen und den Menschen so die Würde abzusprechen, das verbietet sich. Das hat auch nichts mehr mit Sport, Fußball und Stimmung zu tun.

DOMRADIO.DE: Sie gehören zur Stadionverbotskommission – und die sagt: "Jetzt ist Schluss, die rote Linie ist überschritten." Wie geht es dann weiter?

Fey: Wir versuchen, das ist der nächste Schritt, in einer Art von Prävention endlich einmal vor die Ereignisse zu kommen, also einzuschätzen, was passieren könnte und mit wem wir ins Gespräch gehen könnten.

Aber das ist sehr zögerlich. Wir rennen eher den Situationen hinterher. Deswegen sollte der Versuch jetzt sein, sich so aufzustellen, dass bestimmte Dinge gar nicht erst geschehen können. Die meisten "Kandidaten" kennen wir auch. Wir können ja auch fast einschätzen, was passiert, je nachdem wie sich bestimmte Gruppen verhalten. Da muss man dann deutlicher und konsequenter sein. Wir sind aber auch kein Gericht, sondern wir sollen schauen, dass man im Stadion im guten Sinne ein Spiel verfolgen kann.

DOMRADIO.DE: Was heißt das dann? Dürfen die dann nicht mehr zusammen sitzen? Wo sind da die Grenzen? Wenn man ruft: "Schiri – Du hast Tomaten auf den Augen" – das ist doch ok, oder?

Fey: Das werden wir überlegen. Das heißt auf jeden Fall, dass wir vor einzelnen Spielen auch die Entsprechenden ausschließen und unter Umstände ein Stadionverbot schneller aussprechen, Das machen wir ja zum Teil auch schon. Uns ist es auch wichtig, wieder mehr mit den Gruppen ins Gespräch zu kommen. Das wird aber von denen zurzeit verweigert.

DOMRADIO.DE: Sie führen viele Gespräche mit den extremen Fans, die solche Parolen rufen – auch um sie zur Vernunft zu bringen. Sind die denn einsichtig?

Fey: Sie versuchen sich rauszureden. Sie haben eine sehr geschickte Argumentationskette und sagen: "Auch ihr seid Teil dieses Bezahlfußballs, Wir sind die wahren Fans und wir haben auch die wahre Botschaft." Die ist aber zum Teil menschenverachtend und in der Regel falsch. Dann sagen sie: "Wir lassen uns hier dazu herab, mal das aufzuzeigen, was alle im Stadion denken."

Das stimmt aber nicht. Aus diesem Selbstbewusstsein heraus treten sie auf. Die Einsicht aber fehlt, dass etwa bestimmte Dinge auch anderen Fans Angst machen, wie Pyrotechnik oder Gewalt oder Vermummung. Man redet sich in der Regel heraus. Man ist zufällig da gewesen, hat sich nicht verabredet, sondern man hat zufällig ein T-Shirt dabei, um sich zu vermummen, und man hat das aus Reflex gemacht und aus Zauberkraft war plötzlich irgendwelche Pyrotechnik in der Hand.

Solche Gespräche sind auch unheimlich ermüdend, und wir haben schon hunderte davon geführt.

DOMRADIO.DE: Sie sind schon viele Jahre dabei – hat das denn zugenommen, diese Aggressivität in den Stadien – bei den Parolen? Wie oft sprechen Sie so ein Verbot aus?

Fey: Inzwischen machen wir das sehr häufig. Es gibt auch verschiedene Möglichkeiten: Es gibt auch eine Bewährung. Man kann also nach einiger Zeit des Verbotes auch wieder vorsprechen und sagen, dass an sich gebessert habe. Wir wollen ja nicht dass diese Menschen – das sind ja Fans – von den Spielen ausgeschlossen sind. Wir wollen, dass sie sich in einem normalen Maß im Stadion verhalten.

DOMRADIO.DE: Wie kriegt man denn nun wieder Ordnung in die Stadien - sodass man da auch in Zukunft mit seinen Kindern zum Spiel gehen kann? Denn solche Krawallkrakeler möchte man seinen Kindern doch nicht zumuten.

Fey: Ich bin ganz zuversichtlich. Momentan sprechen wir darüber, dass wir ab jetzt eine klare Kante zeigen, es als No-Go brandmarken und sagen: "Hier ist jetzt wirklich eine absolute Grenze." Es kann nicht sein, dass wenige einen so großen Verein mit hunderttausend Mitgliedern und ein Stadion mit zehntausenden von Zuschauern derartig in Haft nehmen und mit den Gewaltszenarien und Ausrastern ein Bild über den FC zeichnen, das nicht der Realität entspricht. Wir gelten ja schon als Verein mit ausgesprochen gewaltbereiter Fan-Szene. Das muss aufhören.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR