Kinder erlitten laut Studie Demütigungen in Heimen der DDR und BRD

Greuel in Einrichtungen der Behindertenhilfe

Kinder und Jugendliche haben in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie sowohl in der DDR als auch in der BRD unter massiver körperlicher Gewalt, Demütigungen, Missachtung der Intimsphäre oder Fixierungen gelitten.

Ein Jugendlicher im Rollstuhl / © Studio4dich (shutterstock)
Ein Jugendlicher im Rollstuhl / © Studio4dich ( shutterstock )

Es habe dort in der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre trotz der Systemdifferenz ähnliche strukturelle Mängel gegeben, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie. Der Leiter des Forschungsteams, Heiner Fangerau, übergab den Bericht den Vertretungen des Bundes, der Länder sowie der Kirchen.

Das Bundessozialministerium hatte vor vier Jahren ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Standorte unter der Koordination der Universität Düsseldorf damit beauftragt, Leid und Unrecht in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der BRD und DDR von 1949 bis 1990 zu untersuchen.

Desinteresse an Situation Minderjähriger mit Behinderung

Für die Kirchen war der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Martin Dutzmann, bei der Vorstellung der Studie dabei. Er betonte, die Kirchen hätten immer wieder darauf gedrungen, eine Möglichkeit der Anerkennung und Aufarbeitung auch für jene Menschen zu finden, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in stationären psychiatrischen Einrichtungen Leid und Unrecht erfahren hätten und die bei den Heimkinderfonds nicht berücksichtigt worden seien.

Das Forscherteam befragte nach eigenen Angaben Vertreter von 17 kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen an psychiatrischen Krankenhäusern und Universitäten sowie Heimen für Minderjährige mit Behinderung in der BRD und der DDR. Analysiert wurden Einrichtungen in öffentlicher, katholischer und evangelischer Trägerschaft.

Innerhalb des Projekts werteten die Forscher demnach über 1.500 Fallakten und rund 60 Interviews mit Betroffenen, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus. Hinzu kamen über 170 Zuschriften von Betroffenen, Angehörigen oder ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Laut der Untersuchung gilt zudem, dass bis in die 1960er Jahre überwiegend Desinteresse beider Gesellschaften an der Situation von Minderjährigen mit geistigen Behinderungen und psychischen Erkrankungen geherrscht habe. In der BRD setzte demnach ab etwa 1970 vor allem durch den Druck einer kritischen Öffentlichkeit ein Wandel ein, der bedingt auch die konfessionellen Einrichtungen in der DDR erreichte.

Unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung

Eine wichtige Säule der Stiftung ist den Angaben zufolge die unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung, die einen Beitrag zur Bewältigung und Aufarbeitung des Erlebten leisten und erlittenes Leid und Unrecht öffentlich sichtbar machen soll.

Im Auftrag der Stiftung hat dazu ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Standorte unter der Koordination der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Umstände in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Kinder- und Jugendpsychiatrie in West- und Ostdeutschland in den genannten Zeiträumen untersucht.

Bund, Länder und Kirchen haben 2017 die Stiftung Anerkennung und Hilfe errichtet, um Betroffene zu unterstützen, die an den Folgen des Aufenthalts in den Einrichtungen leiden. Zudem konnten sich Betroffene bis Ende Juni diesen Jahres melden, um eine Entschädigungspauschale von 9.000 Euro und gegebenenfalls Rentenersatzzahlungen von bis zu 5.000 Euro zu beantragen.

Ein Großteil der dafür zur Verfügung stehenden Mittel von rund 305 Millionen Euro sei bereits ausgezahlt worden.


Quelle:
KNA
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