Journalist blickt auf den Malteserorden

Ein besonderes "Paralleluniversum"

Wie der Vatikan ist der Malteserorden ein souveränes Völkerrechtssubjekt. Der Orden befindet sich im Umbruch und muss seine Vergangenheit bewältigen. Der Journalist Constantin Magnis blickt auf die Vergangenheit und Zukunft des Ordens.

Standarte des Großmeisters des Malteserordens / © Remo Casilli (KNA)
Standarte des Großmeisters des Malteserordens / © Remo Casilli ( KNA )

DOMRADIO.DE: Warum haben Sie sich so tief in die Geschichte des Malteserordens gewühlt?

Constantin Magnis (Journalist und Autor): Als Journalist habe ich vor mehreren Jahren schon Einblick in dieses sehr besondere Paralleluniversum bekommen, speziell das um den Großmeister des Malteserordens, der im sogenannten Magistralpalast in Rom residiert. Diese Welt aus quasi monarchischer Hofkultur und ultradiskreten aristokratischen Herrenclubs – das ist eine Welt, von der die meisten Menschen gar nicht wissen, dass sie überhaupt noch existiert.

Und dann hat sich eben in diesem für mich sowieso als Journalist schon extrem faszinierenden Kosmos auf einmal eine vollkommen irre Geschichte abgespielt, in der auf einmal Freimaurer, Kondome, wirklich absolut mörderische politische Intrigen, der Papst und seine Feinde und das alles aufgetaucht sind. Noch dazu hat sich in diesem etwas verrückten kleinen Thriller, den dieses Buch auch beschreibt, sozusagen das ganze große derzeitige Drama der Weltkirche widergespiegelt. Die Krise der Malteser hat in mancher Hinsicht eben auch die Krise der Kirche gezeigt. Da war ich einfach als Reporter sofort angefixt. Das war unwiderstehlich.

DOMRADIO.DE: Welche Mission hatte denn der Malteserorden bei seiner Gründung damals im 11. Jahrhundert? Wahlspruch war ja "Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen". Was hat das für einen Hintergrund?

Magnis: Das war eigentlich eine Gruppe von ursprünglich mal Kaufleuten, die in Jerusalem ein Hospital gegründet haben. Da haben sie Pilger, Kreuzfahrer, Menschen aus allen Religionen versorgt und gepflegt. Das war damals schon ziemlich revolutionär, gerade dieser sehr undiskriminatorische Ansatz. Das haben sie wirklich mit totaler Hingabe gemacht. Das ist eben die Mission: "Die Bezeugung des Glaubens und die Hilfe den Bedürftigen".

Es gibt noch relativ viele Berichte aus dem 11. Jahrhundert. Das ist tatsächlich heute noch sehr berührend. Da werden täglich bis zu tausend Arme und Kranke versorgt. Diese Ordensbrüder kamen ganz oft aus wohlhabenden und adeligen Familien, aber sie haben die Kranken wirklich versorgt, als wären sie Könige. Sie haben ihnen Kleider geschneidert und und Köstlichkeiten auf Silber serviert und die eigenen Betten angeboten und in Nachtwachen für sie gebetet. Es ist eben diese Idee, dass die Armen und Kranken für die Malteser sozusagen "die Herren Kranken" sind, weil sie glauben, dass sie im Kranken eigentlich Jesus dienen. Das gilt bis heute.

DOMRADIO.DE: Also gilt es da, wirklich auch den Wahlspruch in die Tat umzusetzen: "Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen". Hat sich das über die Jahrhunderte auch etwas verändert oder wie hat sich das entwickelt?

Magnis: Ich würde sagen, dass das tatsächlich die einzige wirkliche Konstante in diesem Orden ist. Also die Umsetzung dieses Mottos, die hat sich wirklich unverändert bis heute gehalten. Vieles andere ist gekommen und gegangen. Die waren dann zwischenzeitlich Seestreitkräfte, Landesherren, auch mal Piraten. Da gab es sehr ruhmreiche Kapitel und sehr unrühmliche Kapitel und auch peinliche Kapitel – und immer wieder sind sie auch von ihrer eigenen Glorie und ihrer eigenen Macht korrumpiert worden. Dieser Effekt, den kann man auch heute noch erleben. Nur: Die haben es irgendwie geschafft über diese tausend Jahre, dieses Motto und diesen Dienst durchzuziehen. Und ich habe das Gefühl, dass das eigentlich der Grund ist, warum der Orden heute noch existiert. Das, finde ich, ist etwas fast Geheimnisvolles – sehr beeindruckend.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade schon von "Ruhm und Ehre" gesprochen. Das klingt alles schon sehr königlich und besonders. Wer sind denn so die wichtigsten Leute im Malteserorden? Welche Aufgaben und welche Privilegien gibt es da so?

Magnis: Der Malteserorden ist ein eigenes Völkerrechtssubjekt und auch ein Mini-Staat, aber gleichzeitig und vor allem ist er ein religiöser Orden der Kirche. Und die Grundlage dafür sind ungefähr 50 religiöse Ordensmitglieder, die sogenannten Professritter. De facto sind das eigentlich Mönche. Auf dem Papier sind das jedenfalls die wichtigsten Figuren. Aus denen wird dann auch der Großmeister gewählt und etwa die Hälfte der Ordensmitglieder. Und dann gibt es in der Ordensregierung nochmal eine Reihe von relativ wichtigen Figuren. Die werden gewählt. Das sind sozusagen Minister. Zu denen gehört auch der Großkanzler etwa.

Und dann gibt es auch als fast genauso wichtige Ebene die weltweiten Ordenspräsidenten. Das sind sozusagen die Regenten der jeweiligen Nationalfürstentümer des Ordens, kann man sagen. Der Orden hat sich aufgeteilt in Landesvereine, die sich um die ganze Welt spannen, die dann autonom noch mal ihre eigenen Projekte umsetzen.

DOMRADIO.DE: Das klingt sehr hierarchisch. In welchem Verhältnis steht denn der Malteserorden traditionsgemäß zum Vatikan?

Magnis: Das hat interessanterweise zwei Ebenen, die etwas schwierig zu vereinen sind. Als Staaten pflegen der Vatikan und der Malteserorden ganz reguläre diplomatische Beziehungen. Und als religiöser Orden wiederum untersteht der Malteserorden natürlich dem Papst. Also die Professritter, zu denen auch der Großmeister zählt, verpflichten sich per Gelübde zum Gehorsam gegenüber dem Heiligen Vater. In dieser Dualität liegt einiger Sprengstoff, der dem Orden dann im Laufe dieser Geschichte auch noch ganz ordentlich um die Ohren fliegen wird.

DOMRADIO.DE: In ihrem Buch "Gefallene Ritter" blicken sie auf ein Drama um den Orden. Was ist da passiert?

Magnis: Das eigentliche Drama begann damit, dass mit der Wahl des vorletzten Großmeisters ein gemütlicher Kunstexperte, der irgendwo im Norden Englands Fasanen gejagt hat, tatsächlich von einem Tag auf den anderen auf einmal zum – nach Verfassung des Ordens – praktisch sowas wie einem Alleinherrscher über diesen globalen Weltkonzernen der Malteser wurde. Von einem Tag auf den anderen wurde er in den kirchlichen Status eines Kardinals katapultiert und in den weltlichen Status eines Monarchen. Er hatte plötzlich unzählige Diener, mehrere Schlösser und unbeschränkte Vollmachten.

Diese Geschichte ging sozusagen für keinen der Beteiligten gut aus. Das hatte auch damit zu tun, dass dieser Mann massiv instrumentalisiert wurde, zum Teil für ziemlich finstere Komplotte. Dann kam zu all dem, was da im Orden nicht in Ordnung war, noch dazu, dass sich in dieser Geschichte auch die Spaltung, die sich eigentlich durch die ganze westliche Welt, leider auch durch die Kirche gezogen hat, auf ziemlich verschärfte Weise dann auch auf diese Machtkämpfe im Orden ausgewirkt hat. Da gab es Leute, auch einen Kardinal, die den Malteserorden einfach zur orthodoxen Bastion für den Kampf gegen Papst Franziskus ausbauen wollten. Und das wäre ihnen fast auch gelungen.

DOMRADIO.DE: Wie hat der Papst denn eingegriffen?

Magnis: Der Papst hat irgendwann tatsächlich die Notbremse gezogen. Er hat dann eine Kommission beauftragt, die Vorgänge im Orden zu untersuchen. Das ist per se schon ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Am Ende hat er einfach den Großmeister rausgeschmissen. Das war zum ersten Mal, dass das passiert ist in der tausendjährigen Geschichte des Malteserordens. Zudem hat er noch dazu dem Orden bis auf Weiteres verboten, neue Professritter aufzunehmen. Also es ist wirklich ein sehr drastisches und für den Orden historisch eigentlich einmaliges Vorgehen.

DOMRADIO.DE: Und das Ganze noch gar nicht so lange her. Was sind denn jetzt so die aktuellen Herausforderungen für den Malteserorden?

Magnis: Also ich würde sagen, die aktuellen Herausforderungen liegen schon darin, diesen Orden, seine Verfassung und vor allem die Rekrutierung seiner geistlichen Mitglieder ganz grundsätzlich zu reformieren. Das hat der Papst zur Bedingung gemacht dafür, dass sie wieder geistliche Ordensmitglieder aufnehmen dürfen. Und diese Reformen müssen umgesetzt werden, damit der Papst – das ist eine Gefahr, die realistisch im Raum steht – dem Orden nicht den Stecker zieht und ihm den religiösen Status entzieht. Also das hätte relativ schwer zu kalkulierende Konsequenzen. Es setzt aber voraus, dass dieser Orden sich reformiert. Und das wiederum müssen diese Professritter mittragen, die das bisher jedenfalls nicht wirklich wollten. Das ist ja ein bisschen eine Sackgasse, in die der Orden geraten ist.

DOMRADIO.DE: Was fasziniert Sie trotz der von Ihnen geschilderten Missstände an dem Malteserorden?

Magnis: Ich habe die Malteser ein paar Mal aus ihren Projekten begleitet, zuletzt auf einer Pilgerfahrt nach Lourdes. Und ich bin relativ fasziniert davon, wie man da erlebt, wie diese ganzen, zum Teil ziemlich pompösen Gestalten – der Orden rekrutiert sich ja mehrheitlich in Europa, jedenfalls aus dem alten Adel – wirklich rund um die Uhr da den Kranken dienen, und zwar auf eine Weise, wie sie das offenbar wirklich schon vor tausend Jahren gemacht haben.

Dann erlebt man irgendwie, wie die froh werden dabei, und zwar nicht nur die Kranken, sondern auch die Malteser selber. Sie blühen die geradezu auf und man erlebt, wie gut ihnen dieser Umgang mit den Kranken tut. Da fällt es einem dann plötzlich gar nicht mehr schwer zu glauben, dass man im Armen wirklich eine besondere Nähe zu Gott erleben kann. Also ich würde sagen, das hinterlässt eigentlich bei jedem Spuren, der das miterlebt.

Vor allen Dingen finde ich wahnsinnig beeindruckend und auch einmalig, dass die Malteser eigentlich zeigen, dass Kranke und Bedürftige nicht einfach nur ein Problem sind, das man lösen muss, sondern darüber hinaus außerdem ein Schatz sein können. Also etwas, das uns selber stärkt und was eine Quelle von etwas ist, das man vielleicht woanders gar nicht so findet. Das ist, finde ich, eine Botschaft, die für den Rest der Gesellschaft ziemlich relevant ist.

DOMRADIO.DE: Also dieser Malteserorden mit Pomp und Hierarchie und einigen Privilegien auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber natürlich auch diese Nächstenliebe, die dort gelebt wird. Das ist ja eigentlich aktueller denn je – abgesehen von dem ganzen Pompösen. Aber haben die Malteser denn eine Zukunft? Also haben sie irgendwie eine Chance, da vielleicht irgendwie diesen Umbruch auch zu schaffen?

Magnis: Der Orden an sich boomt. Die Mitgliederzahlen boomen und der Job von diesem Orden ist es, sich um die Armen und Kranken zu kümmern. Da wird, glaube ich, die Nachfrage leider auch nie nachlassen. Die eigentliche Frage ist: Welche Zukunft haben die Malteser als religiöser Orden der Kirche? Und diese Frage hängt komplett davon ab, ob sie es schaffen, sich zu reformieren oder nicht. Und das wird man jetzt sehen. Das werden die nächsten Monate und Jahre zeigen.

Information: In seinem Buch "Gefallene Ritter: Malteserorden und Vatikan - Der Machtkampf zwischen zwei der ältesten Institutionen der Welt" blickt Autor Constantin Magnis auf eine dramatische Situation in der Geschichte des Malteserordens.

 

Quelle:
DR