200. Geburtstag und 125. Todestag von Friedrich Engels

Kommunist mit Kapital

Neben Karl Marx versteht er sich als "zweite Violine". Doch Friedrich Engels hatte an der Entwicklung der kommunistischen Idee ebenso maßgeblich Anteil.

Autor/in:
Von Andreas Otto
Friedrich Engels / © Natata (shutterstock)

Der Teenager hat einen scharfen Blick für das Elend in der bergischen Industrieregion. Die Rückstände aus den "vielen Türkischrot-Färbereien" der Textilfabriken machen aus der Wupper eine "jämmerliche Erscheinung", schreibt er in den "Briefen aus dem Wupperthal". Weber sitzen "vom Morgen bis in die Nacht gebückt" an ihren Stühlen und lassen "sich vom heißen Ofen das Rückenmark ausdörren". Und Kinder würden dem Unterricht entzogen, weil ihre Arbeit nur die Hälfte des Erwachsenenlohns koste. Die Momentaufnahmen aus dem 19. Jahrhundert stammen aus der Feder des Sozialrevolutionärs Friedrich Engels, der vor 200 Jahren geboren wurde und der vor 125 Jahren - am 5. August 1895 - starb.

Kommunist und Kapitalist

Es sind diese desolaten Verhältnisse, die den Fabrikantensohn Friedrich Engels zum Kommunisten machen. Gegenüber seinem Mitstreiter Karl Marx sieht sich Engels zwar nur als "zweite Violine". Doch Experten meinen, dass ohne ihn das Jahrhundertwerk von Marx nicht entstanden wäre. Engels sei aber "eine sehr vielschichtige" und "vielleicht widersprüchliche" Persönlichkeit gewesen, meint der Leiter des Historischen Zentrums Wuppertal, Lars Bluma. Denn Engels war auch das: ein Unternehmer, der bei seinem Tod umgerechnet mindestens 2,4 Millionen Euro hinterließ.

Friedrich wird am 28. November 1820 geboren. Prägend für seinen Lebensweg ist der Konflikt mit dem gleichnamigen Vater, der mit einem englischen Partner in Manchester und Engelskirchen die Textilfabrik "Ermen & Engels" gegründet hatte. Sein Sohn besucht das Gymnasium und begeistert sich für Literatur - was dem Vater nicht passt. Ein Jahr vor dem Abitur nimmt er Friedrich von der Schule, um ihn von der Uni fern und im Geschäft zu halten.

Kritik am Vater und am Pietismus

Der Filius absolviert brav eine Lehre als Kaufmann in Bremen und - gegen den Willen des Vaters - einen Militärdienst in Berlin. Abseits vom Elternhaus verschlingt er die ihm vorenthaltene Literatur von Goethe bis Heine, liest demokratische Journale, geht in Theater und Konzerte, besucht Philosophie-Vorlesungen und frühsozialistische Kreise. Ein Doppelleben beginnt: hier der freundliche Kaufmannsgehilfe, dort der gesellschafts- und auch religionskritische Literat. Engels lehnt den Pietismus seiner Familie ab, die im wirtschaftlichen Erfolg göttliches Wohlgefallen sieht. Die pietistischen Fabrikanten gingen mit ihren Arbeitern am schlechtesten um, weil sie "ihnen den Lohn auf alle mögliche Weise verringern, unter dem Vorwande, ihnen Gelegenheit zum Trinken zu nehmen".

Das Kommuistische Manifest

Seine Ausbildung setzt Friedrich Engels 1842 in Manchester fort und erlebt auch dort die prekären Lebensverhältnisse. In seiner Schrift "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" empört er sich über Bruchbuden oder Schmutz und Urin auf den Straßen. Mit Marx begründet er den Bund der Kommunisten, bevor sie im Revolutionsjahr 1848 das "Kommunistische Manifest" veröffentlichen. Ein Jahr später beteiligt sich Engels in Elberfeld an den Barrikadenkämpfen sowie am Badischen Aufstand. Danach flieht er über die Schweiz nach England, wo er wieder für die väterliche Fabrik und als Börsenmakler arbeitet. Zugleich entfaltet er in den folgenden 19 Jahren sein zweites Ich als Publizist mit engen Kontakten zur Arbeiterbewegung.

Vordenker der Sozialdemokratie

1869, neun Jahre nach dem Tod des Vaters, zieht Engels seine Anteile aus der Firma. "Ich bin ein freier Mann", jubelt er und zieht nach London. Fortan lebt er bis zu seinem Tod mit 75 Jahren von den Zinsen seines Vermögens und sorgt dabei für den Unterhalt von Marx. Nun kann er sich ganz als Autor und - so der Engels-Experte Jürgen Herres - als "Spindoktor der europäischen Sozialdemokratie" betätigen.

Gerade sozialistische Länder verehren Marx und Engels als Protagonisten des Kommunismus. Umgekehrt machen westliche Vertreter sie für die Gräuel kommunistischer Regime verantwortlich. Der Historiker Eberhard Illner widerspricht. Lenin und Stalin hätten die Schriften benutzt und "verdreht", so Illner in der "Welt". Von Planwirtschaft etwa sei nie die Rede gewesen. "Die ersten Jahre der Sowjetunion mit dem Terror der Bolschewiki - diese Menschenverachtung hätten Marx und Engels nie akzeptiert."


Quelle:
KNA