Initiative fordert Bezahlung privater Sorgeleistung von Frauen

Arbeit im Schatten

Gerade berufstätige Mütter müssen in der Corona-Krise viel leisten. Zeit, dass sich unser Wirtschaftssystem ändert, findet eine Initiative. Denn unbezahlte Hausarbeit mache bezahlte Erwerbsarbeit überhaupt erst möglich.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Verzweifelte Mutter / © Stephan Kern (DR)
Verzweifelte Mutter / © Stephan Kern ( DR )

Sie kochen, putzen, waschen, helfen bei den Hausaufgaben und versorgen alte Angehörige. Gleichzeitig arbeiten sie in den Supermärkten, in Pflegeheimen oder im Homeoffice, wo immer das geht.

Viele Mütter in Deutschland stemmen eine Doppel- oder sogar Dreifach-Belastung - das war schon vor der Corona-Krise der Fall.

Seitdem aber Schulen und Kitas geschlossen haben, sind die Herausforderungen für die Familien noch einmal gestiegen - oft zulasten der Frauen. So zeigt eine Online-Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter 7.677 Erwerbstätigen in Deutschland, dass 27 Prozent der Mütter, aber nur 16 Prozent der Väter ihre Arbeitszeit reduziert haben, um Kinder bis zu 14 Jahren zuhause zu betreuen.

Die Forscher warnen davor, dass sich die ungleiche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern auch nach der Krise verfestigen könnte. Die Gefahren lauten finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut.

Vorstellung des "Equal Care"-Manifests

So weit so bekannt. Was aber tun? Die Macher der sogenannten "Equal Care"-Konferenz haben nun Maßnahmen vorgestellt, die ein völliges Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bedeuten. "Wir müssen diese Ökonomie umstricken und vom Kopf auf die Füße stellen", erklärt die Haushaltsökonomin Uta Meier-Gräwe bei der Vorstellung des "Equal Care"-Manifests am Dienstag in Bonn.

Die frühere Wirtschaftsprofessorin an der Universität Gießen, die am zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung mitgearbeitet hat, ist eines der Gesichter der "Equal Care"-Konferenz. Ende Februar hatten sich Experten und Betroffene in Bonn zum Thema gleichberechtigte Sorge-Arbeit ausgetauscht. Dabei ging es sowohl um häufig schlecht bezahlte Arbeit im Pflegesektor als auch um gänzlich unbezahlte Leistungen in Familien, etwa das Kochen oder die Versorgung der Kinder. Also um Arbeit, die öfter Frauen als Männern erledigen.

Die Autoren des "Equal Care"-Manifests fordern nun, unbezahlte Sorge-Leistungen ins Bruttoinlandsprodukt (BIP) aufzunehmen. Diese Kennziffer des Wohlstands würde etwa um ein Drittel wachsen, wenn Kochen, Putzen und Kinderbetreuung in Deutschland mit dem Mindestlohn bezahlt würden, wie Berechnungen gezeigt hätten.

Der Initiative geht es darum, die Arbeit unzähliger Frauen überhaupt sichtbar zu machen. Denn ohne die unentgeltliche Sorge-Leistung sei Wirtschaft überhaupt nicht möglich, betont Konferenz-Initiatorin Almut Schnerring. "Es braucht jemanden, der gekocht, geputzt, gebügelt und versorgt hat, bevor jemand anderes an eine Werkbank oder einen Schreibtisch tritt."

Unverzichtbare Sorge-Arbeit

Die Corona-Krise habe verdeutlicht, wie unverzichtbar Sorge-Arbeit sei. "Man kann alles runterfahren", sagt Meier-Gräwe. "Aber nicht dieses tägliche Sich-Kümmern." Momentan liege die Priorität darauf, die Wirtschaft anzukurbeln. Erst dann könne sich eine Gesellschaft Pflege und andere Sozialdienste leisten. "Das ist genau der falsche Ansatz."

In ihrem 18-Punkte-Manifest fordern die Autoren deshalb ein Sorgegeld. Bislang unbezahlte Pflege- und Hausarbeit soll vergütet werden, etwa über eine Unternehmensabgabe. Mütter und Väter sollen gleichzeitig in Elternzeit gehen können und dafür Elterngeld erhalten. Die Geschäftsführerin von "UN Women" in Deutschland, Bettina Metz, schlägt gar vor, Teile des Elterngelds an die Bedingung zu knüpfen, dass beide Eltern gleiche Betreuungszeiten nehmen.

Es gehe also nicht darum, dass Frauen immer mehr arbeiten und weniger Zeit für ihre Kinder haben, so Meier-Gräwe. Stattdessen sollten beide Elternteile weniger arbeiten und sich dies auch leisten können.

Laut Internationaler Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen übernehmen Frauen weltweit jeden Tag mehr als zwölf Milliarden Stunden unbezahlter Sorgearbeit. "Gleichstellung können wir nur erreichen, wenn wir die Männer mit einbeziehen", betont Metz.

Ihre Forderungen wollen die Manifest-Macher nun an Politik und Entscheider herantragen. Vorerst scheint das Thema aber vor allem Frauen zu interessieren - das zeigt sich auch an der geschlechtersensiblen Initiative. Das Manifest haben am Dienstag sieben Frauen und zwei Männer vorgestellt.


Quelle:
KNA