Pastoralreferentin über das Thema "Sternenkinder"

Der Tod am Lebensanfang

Sternenkinder: Verlust und Schmerz sind unermesslich, wenn das eigene Kind nicht lebend geboren wird. Pastoralreferentin Rebekka Koller-Walbröl kümmert sich um betroffene Eltern und hilft ihnen, einen Weg durch den Schmerz zu finden.

Sternenkinder: Wenn am Lebensanfang der Tod steht / © Katja Sponholz (KNA)
Sternenkinder: Wenn am Lebensanfang der Tod steht / © Katja Sponholz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wenn Kinder tot auf die Welt kommen, dann sind Verlust und Schmerz fast unerträglich. Was durchleben Frauen und Männer, die ihr Kind so verloren haben?

Rebekka Koller-Walbröl (Seelsorgerin und Pastoralreferentin am Krankenhaus in Köln-Porz): Man muss sich das so vorstellen: Zwei Menschen oder aber eine Mutter haben sich auf das neue Leben vorbereitet. Dieses Kind bringt Freude und natürlich auch Veränderungen mit sich. Die Eltern haben Wünsche, die sie mit dem Kind verbinden. Doch dann kommt es zu einem jähen Umbruch. Dabei wird aus der Hoffnung, der Freude und den vielen Gedanken Trauer, Schmerz und ganz häufig auch Wut.

DOMRADIO.DE: Wie können Sie den Schmerz der Eltern halbwegs erträglich machen? Geht das überhaupt?

Koller-Walbröl: Ob ich das erträglich machen kann, weiß ich nicht. Das müssten Sie die Eltern fragen. Meine Aufgabe ist es, die Eltern zu begleiten. Wir bieten ihnen das Gespräch an und ich besuche sie, wenn sie das Angebot annehmen. Oft erzählen sie mir dann, wie der Hergang des Verlustes war und wie die Schwangerschaft abgelaufen ist. Auch von ihren Wünschen und Hoffnungen erzählen sie. Diese Situation fällt den Betroffenen natürlich nicht leicht, es wird geweint und man erlebt den Schmerz der Eltern mit.

Ich versuche ihnen mein Beileid auszusprechen und sage ihnen auch gleichzeitig, was sie bis zu diesem Punkt schon alles geleistet haben. Ich erkenne ihre Trauer und ihren Schmerz an. Dann überlegen wir, ob sie ihr Kind noch einmal sehen möchten und ob wir diesen Schritt gemeinsam gehen sollen.

Auch sprechen wir darüber, ob sie eine Segens- und Verabschiedungsfeier für ihr Kind möchten, umgeben mit all unserer Liebe und Zuwendung. Es ist eine ganz wichtige Sache zu fragen, ob die Eltern auch schon einen Namen für ihr Kind hatten. Damit verbindet man dann schon einiges.

DOMRADIO.DE: Aber wie schaffen Sie das? Wie können Sie den verzweifelten Eltern verständlich machen, was da gerade passiert ist? Dass das Kind, auf das man so gehofft hat, nicht lebend geboren wird?

Koller-Walbröl: Ich kann dann einfach nur sagen, dass es ein biologischer Prozess ist und ganz viele Rädchen ineinander greifen. Wenn eines dieser Rädchen nicht funktioniert, dann kann es zu einem Abbruch kommen. Die Medizin ist in ihren Forschungen schon sehr weit, aber verhindert werden kann es noch nicht. Das ist eine ganz schwierige und vor allen Dingen sensible Sache.

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie selbst mit dieser Situation um? Hilft Ihnen der Glaube bei der Arbeit?

Koller-Walbröl: Mein Büro liegt direkt neben der Kapelle. Ich bin mir sicher, dass der liebe Gott bei mir ist, bei meiner Arbeit und mich stärkt. Wenn ich die betroffenen Eltern verlasse, ist Gott bei ihnen. Er ist die ganze Zeit dabei. Außerdem finde ich es sehr wichtig, dass dieses Thema nicht tabuisiert wird. Man muss anerkennen, dass manche Kinder tot geboren werden und es muss den Eltern ermöglicht werden, wieder einen Weg ins Leben und einen Weg zur Hoffnung zu finden und dabei ihren Schmerz zu integrieren.

DOMRADIO.DE: Zweimal im Jahr gibt es bei Ihnen eine Gemeinschafts-Urnen-Beisetzung, organisiert durch das Krankenhaus Porz. Es gibt ein eigenes Gräberfeld auf dem Porzer Friedhof. Warum ist das so wichtig?

Koller-Walbröl: Bis zum Jahr 2003 war es normal, dass Kinder, die unter tausend Gramm wogen, gar nicht bestattet wurden. Viele Eltern waren aus diesem Grund vom Schmerz zerissen. Sie hatten nicht die Möglichkeit,ihr Kind nochmal auf den Arm zu nehmen, es anzuschauen und zu berühren. Sie wussten nicht, was mit ihrem Kind passiert ist und befanden sich in einer Ungewissheit. Jetzt ist es gesetzlich anerkannt, dass diese Kinder auch bestattet werden. Auf dem Porzer Friedhof haben Eltern einen konkreten Ort, zu dem sie gehen können, um bei ihrem Kind zu sein. Dort ist das Kind aufgehoben und die Eltern können trauern. Das ist sehr wichtig.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR