Warum die katholischen Schulen in NRW zu G9 zurückkehren

"Keine volle Rolle rückwärts"

Weg vom Turbo-Abi: In Nordrhein-Westfalen kehren nicht nur viele öffentliche Schulen, sondern auch alle 17 Gymnasien des Erzbistums Köln zum G9-Modell zurück. Die Zustimmung sei bei allen Beteiligten groß, verrät der Schulrat des Erzbistums Köln.

Schüler im Unterricht / © Julian Stratenschulte (dpa)
Schüler im Unterricht / © Julian Stratenschulte ( dpa )

DOMRADIO.DE: Warum kehren jetzt auch die erzbischöflichen Schulen zum "guten alten" Abitur nach neun Jahren zurück?

Thomas Pitsch (Schulrat des Erzbistums Köln): Das Land hat die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren zum Regelfall erhoben. Wenn ich das richtig mitverfolgt habe, sind es nur drei Schulen im Land Nordrhein-Westfalen, die bei G8 verbleiben.

Wir haben die Entscheidung in unsere erzbischöflichen Schulen getragen und mit den Schulleitungen, Eltern,- Lehrer,- und Schülervertretern eingehend beraten. Die Rückkehr zu G9 ist bei allen Beteiligten auf große Zustimmung gestoßen. Vor allen Dingen haben wir bei Eltern und Schülern festgestellt, dass das Gefühl der Entlastung dahintersteht. Deshalb haben wir als Erzbistum uns entschieden, dass unsere Gymnasien auf G9 zurückgehen.

DOMRADIO.DE: Wird wieder alles so sein wie vor 14 Jahren, bevor Nordrhein-Westfalen auf G8 umgestellt hat?

Pitsch: Es ist keine volle Rolle rückwärts nach dem alten G9, das wäre aber auch nicht sinnvoll. Die Zeiten ändern sich, die Herausforderungen ändern sich. Mit der neuen Stundentafel nach G9 wird es weniger Nachmittagsunterricht geben, das kann man klar sagen. Der Schultag kann sich zeitlich etwas entschlacken.

Die neuen Lehrpläne werden aber auch Raum für neue Themen schaffen. Themen, die Herausforderungen von heute und morgen sind, beispielsweise die Digitalisierung. Da entstehen mehr Ressourcen, um diesem Thema in den Lehrplänen mehr Gewicht zu verleihen.

DOMRADIO.DE: Bleiben wir mal bei den klassischen Fächern. Als mein Sohn in die fünfte Klasse gekommen ist, war er ein ganz frischer G8-ler. Da ist wirklich Lehrstoff etwas reduziert worden. Was bedeutet es für die Schülerinnen und Schüler, wenn sie wieder zurück ins alte System gehen?

Pitsch: Damals ist der Lernstoff komprimiert worden. Man hat jetzt nicht ein Jahr rausgekürzt. Man wird auch nicht automatisch wieder ein Jahr drauflegen. Man wird in den vorgesehenen Wochenstunden Platz schaffen, um die Bereiche zu vertiefen, die bislang durch dicht gedrängte Lehrpläne nicht möglich waren.

DOMRADIO.DE: Das heißt, es wird dann einfach mehr Zeit freigeschaufelt, damit neue Inhalte ihren Platz finden?

Pitsch: Ja, lernen braucht Zeit. Bildung braucht Zeit. Üben und wiederholen sind Wesensmerkmale, die zur Bildung dazugehören müssen. Ich erhoffe mir, dass es in den Schulen wieder gefühlt mehr Zeit gibt. Ich denke, auch die Eltern und die Schüler haben diese Erwartung.

DOMRADIO.DE: Bei der Umstellung vor 14 Jahren waren schwere Argumente am Start. Unser Bildungssystem  mit anderen europäischen Ländern, in denen das eben nach acht Jahren gamcht wird. Wird dann doch irgendwann wieder auf G8 umgestellt oder wird dieses Argument jetzt mal geflissentlich vergessen?

Pitsch: Zum Argument G8 und dem europäischen Vergleich gibt es unterschiedliche Meinungen. Zahlreiche Studien über Schulstrukturreformen machen deutlich: Schulstrukturreformen schaden nicht, sie bringen aber auch nicht den Nutzen, den man sich erhofft. Das haben wir am Beispiel von G8 gesehen. Der positive Effekt, der damit verbunden sein sollte, hat sich nicht eingestellt.

Wir erhoffen uns von G9 mehr Zeit - als wesentlichen Grundstein und elementare Voraussetzung für nachhaltige Bildung. Deshalb haben wir unsere Schulen dahin wieder umgestellt.

DOMRADIO.DE: Für diesen Preis verzichtet man auf die Vergleichbarkeit, indem man andere Prioritäten setzt?

Pitsch: Die Vergleichbarkeit selbst ist in Deutschland nicht gegeben. Wenn man sich die Schulsysteme anschauen, sieht man einen Flickenteppich an unterschiedlichen Formaten. Die zentrale Größe für uns ist, was unseren Eltern, Lehrern und Schülern gut tut.

Das Gespräch führte Andreas Lange.


Quelle:
DR

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