Wucherpfennig: Kirche muss Freiheit der Wissenschaft achten

"Bin nicht der Einzige, der die römische Lehre kritisiert"

In der Debatte um die Verlägerung seiner Amtszeit als Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen hat sich Pater Ansgar Wucherpfennig erneut zu Wort gemeldet. Er sieht die Freiheit der Wissenschaft durch die katholische Kirche eingeschränkt.

Ansgar Wucherpfennig / © Christian Ender (dpa)
Ansgar Wucherpfennig / © Christian Ender ( dpa )

Die Theologie könne nicht "nur Papstpredigten nachbuchstabieren", sagte er im Interview der "Zeit". Auf die Frage, ob die katholische Kirche die Wissenschaftsfreiheit unterminiere, sagte Wucherpfennig: "Ja." Wissenschaft müsse verschiedene Positionen darstellen, die Lehre der katholischen Kirche also würdigen, aber auch kritikwürdige Punkte aufzeigen.

Die ausstehende vatikanische Bestätigung für Wucherpfennig sorgt seit Wochen für eine Debatte. Er hoffe, dass die Diskussionen um seinen Fall "Positionen in der Kirche verändern" könnten, so der Jesuit. "Den römischen Kongregationen muss das jetzt doch klar werden. Ich bin ja nicht der Einzige, der die römische Lehre kritisiert."

Theologie in Deutschland mit exzellentem Ruf

Die Theologie habe in Deutschland einen exzellenten Ruf, betonte Wucherpfennig. "Aber die Positionen der katholischen Kirche zur Homosexualität und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau unterscheiden sich doch ziemlich von den Ansichten, die in der Gesellschaft verbreitet sind."

Entscheidend sei die Frage, wie die Kirche darauf reagiere: "Hält sie die Verbindung mit der Gesellschaft und ihren Institutionen? Oder zieht sie sich zurück, wird klein und entweltlicht? Meine Haltung dazu ist: Eine kirchliche Hochschule muss die gesellschaftliche Öffentlichkeit suchen."

"Fassungslos" nach Vatikan-Vorwürfen

Wucherpfennig verteidigte seine Haltung in sexualmoralischen Fragen. Priester lebten in einer "Männergesellschaft", in der der Zölibat als selbstverständlich gelte. "Ich habe mich aber immer gefragt: Wieso ringe ich selbst so sehr damit? Mir wäre es leichter gefallen, wenn mir mal jemand gesagt hätte: Du, ich habe auch meine Schwierigkeiten."

Die Nachricht darüber, was ihm vorgeworfen werde, habe ihn "fassungslos" gemacht, fügte Wucherpfennig hinzu. Der Jesuit hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen geäußert.

Das Ausbleiben der vatikanischen Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat") für eine weitere Amtszeit des Hochschulrektors hatte beim Jesuitenorden, dem Limburger Bischof Georg Bätzing und zahlreichen Theologie-Professoren für Unverständnis gesorgt und eine Welle von Solidaritäts-Bekundungen für Wucherpfennig ausgelöst.


Quelle:
KNA
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