Tafel-Debatte geht weiter

Kritik und Lob am Sozialsystem

In der aktuellen Debatte über Tafeln und Armut warnt der Deutsche Landkreistag vor aus seiner Sicht falschen Schlussfolgerungen. "Wir sollten unser Sozialsystem nicht kleinreden", sagte dessen Präsident Reinhard Sager.

Einkaufstrolleys vor einer Tafel-Einrichtung / © Roland Weihrauch (dpa)
Einkaufstrolleys vor einer Tafel-Einrichtung / © Roland Weihrauch ( dpa )

Man dürfe nicht so tun, als reiche die staatliche Absicherung nicht zum Überleben, so Sager gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Tatsächlich sorgten Sozialämter und Jobcenter "für die Existenzsicherung jedes Einzelnen". Dies umfasse Geld für das tägliche Leben sowie Wohn- und Heizkosten. "Wir sollten uns deshalb davor hüten, eine Diskussion zu bedienen, wonach in Deutschland das Überleben der Menschen ernsthaft infrage steht", mahnte Sager, der Landrat von Ostholstein ist. Gleichwohl hätten die Tafeln "eine wichtige karitative Funktion, um den Lebensunterhalt in Einzelfällen zu ergänzen".

Dass Tafeln Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher immer stärker mit Lebensmitteln versorgten, habe aber wenig mit wachsender Not zu tun.

Vor allem sei das Aufkommen an Lebensmittelspenden von Einzelhandel und Ernährungsindustrie stark gestiegen. So habe beispielsweise der Bundesverband Deutsche Tafel 2016 fast 11.000 Paletten Lebensmittel an örtliche Tafeln verteilt und damit 4.000 mehr als 2015, so Sager.

Laut Statistischem Bundesamt ist die Gesamtzahl der Bezieher staatlicher Mindestsicherung (Hartz IV, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungen) 2016 sogar niedriger gewesen als 2015. Billige Tafel-Lebensmittel seien aber immer attraktiv, weil dadurch mehr Geld für anderes bleibe.

Immigrantenverbände verteidigt Tafel-Mitarbeiter

Der umstrittene Beschluss der Essener Tafel, an ihrem Aufnahmestopp für ausländische Neukunden festzuhalten und erst an einem Runden Tisch Lösungen zu finden, hat zu einer neuen Debatte über Armut in Deutschland geführt. Der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland (BAGIV), Ali Ertan Toprak, kritisierte: "Deutschland hat ein 'enormes Armutsproblem', einen 'unfassbaren Niedriglohnsektor', 'unzureichende Grundsicherung' und keine 'stimmige Zuwanderungspolitik'."

Toprak sieht die Nationalität zwar als kein geeignetes Kriterium zur Differenzierung an, verteidigte aber die Tafel-Mitarbeiter in Essen.

"Es ist mehr als unfair, ausgerechnet die Menschen, die vor Ort tagtäglich ehrenamtlich Bedürftige unterstützen und die wir mit riesigen Problemen allein lassen, in eine rassistische Ecke zu stellen, in die sie nicht hineingehören." Die BAGIV solidarisiere sich mit der Tafel und biete seine Unterstützung bei kommenden Herausforderungen ähnlicher Art an.

Unterdessen erklärte die Marler Tafel, dass die Einrichtung nicht generell Ausländer als Neukunden ausschließe. Lediglich alleinstehende Männer - auch Deutsche - würden vertröstet, sich nach vier Wochen wieder zu melden. "Wir schicken nie eine Mutter mit drei oder vier Kindern weg", sagte die Vorsitzende Renate Kampe WDR5. Die abgelehnten Männer würden eher damit fertig werden.

 

Quelle:
KNA
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