Politiker und Rotkreuz-Präsident Seiters wird 80

Vertrauensbildende Maßnahme

In der "zweiten Reihe" zu stehen, ist nicht nur für Politiker von Format eine ungeliebte Übung. Genau dort wurde Rudolf Seiters von Beobachtern gern verortet. Dabei hat er viele überragt - politisch wie menschlich.

Autor/in:
Joachim Heinz
Rudolf Seiters / © Peter Steffen (dpa)
Rudolf Seiters / © Peter Steffen ( dpa )

"Welcher Landsmann sind Sie?" In der Frage von Rudolf Seiters, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, schwingt nichts Deutschtümelndes mit, das derzeit am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums so angesagt ist. Stattdessen lugt irgendwie Behagliches aus der Bonner Republik ums Eck. Als der Pfälzer Helmut Kohl die Regierungsgeschäfte führte. Und die Frage nach der Landsmannschaft auf die Verortung in dieser oder jener Ecke der Republik zielte - inklusive Vorliebe für Wein oder Bier, Saumagen oder Rollbraten. Das hatte mitunter auch etwas Biederes, Provinzielles. Wird aber in Zeiten der Globalisierung von manch einem schmerzlich vermisst.

Politiker und Vermittler

An diesem Freitag feiert Rudolf Seiters seinen 80. Geburtstag. Er stammt aus Osnabrück und lebt heute in Papenburg. Landsmannschaftlich betrachtet beides Gebiete, deren Einwohner nicht zwingend durch Dampfplauderei auffallen. Eher schon durch Geradlinigkeit und Verlässlichkeit. Bei Seiters, mehr als drei Jahrzehnte lang Mitglied des Bundestags und von 1989 bis 1991 Chef des Bundeskanzleramts, danach Bundesinnenminister, kommt noch etwas anderes hinzu. Die Fähigkeit, zu vermitteln - und der Wunsch, Vertrauen zu schaffen.

Vertraut ist Seiters Silhouette vor allem den über 40-Jährigen, die die Zeit der Wende bewusst miterlebt haben. Der CDU-Politiker war da, wenn es darauf ankam. Angefangen von Treffen mit Vertretern des SED-Politbüros im Sommer 1989, als die Menschen in Scharen die DDR Richtung Tschechoslowakei und Ungarn verließen, bis hin zu den delikaten Verhandlungen mit den USA, der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien, ohne deren Zustimmung die Einheit niemals hätte Wirklichkeit werden können.

"Ich bin heute heilfroh, dass es damals Facebook und Twitter noch nicht gegeben hat", sagte Seiters vor einem Jahr in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Es durfte keine Äußerung getan werden, die in irgendeiner Weise Moskau hätte provozieren können, die auch niemanden verunsichern und ängstigen sollte im Westen."

Gespräche zur deutschen Einheit

Seiters trug seinen Teil dazu bei, dass die Gespräche zu einem guten Ende kamen. Auch wenn die "große Bühne" andere bespielten. So wie an jenem Gänsehaut-Abend des 30. September 1989 in der von DDR-Flüchtlingen hoffnungslos überfüllten deutschen Botschaft in Prag. Es war Außenminister Hans Dietrich Genscher und nicht Seiters, der vom Balkon aus verkündete: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Der Rest ging im Jubel unter.

Der Anfang vom Ende der DDR zeichnete sich laut Seiters noch im selben Jahr ab, beim Staatsbesuch von Kanzler Kohl am 19. Dezember in Dresden. "Ich habe in meinem ganzen Leben nie erlebt, dass ein Staatsgast nicht begleitet wurde von der einladenden Regierung. Aber an der Frauenkirche hatten sich alle DDR-Vertreter verkrümelt." In jener Nacht sei die Entscheidung gefallen, nicht mehr weiter "irgendwelche Vereinbarungen" mit der Regierung von Hans Modrow zu treffen, sondern möglichst schnell freie Wahlen herbeizuführen, die dann am 18. März 1990 stattfanden.

Verbindung zu Kardinal Höffner

Haltung und Entschlusskraft bewies Seiters nicht nur in politischen Sternstunden. 1993 trat er als Bundesinnenminister zurück, nachdem ein GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen aus dem Ruder gelaufen war, bei dem ein Polizist und ein RAF-Terrorist starben. Mit seinem Rücktritt habe er ein Signal setzten wollen, "dass wir alles tun, um durch einen neuen Minister aufzuklären", begründete Seiters seinen Schritt.

Seine politischen Maximen verdanke er zu einem nicht unwesentlichen Teil dem Kölner Kardinal Joseph Höffner, hielt der Katholik in seiner Autobiographie fest. Der habe von Politikern Charakterfestigkeit und Unabhängigkeit eingefordert, aber auch die "Bereitschaft zum Miteinander, zur Versöhnung und zum Kompromiss". Seiters hat vorgemacht, wie das gehen kann. Am 1. Dezember wird er sein Amt als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes abgeben. Dann steht er tatsächlich in der zweiten Reihe. Sein Wunsch an die Jüngeren: Engagiert Euch politisch! "Meckern kann jeder, gestalten ist jedoch etwas ganz anderes und vor allem sehr Befriedigendes."


Quelle:
KNA