Reform des Pflege-TÜV kommt nicht voran

Fahrplan wird nicht eingehalten

Wenn Angehörige plötzlich pflegebedürftig werden, ist die Hilflosigkeit groß. Der 2009 eingeführte Pflege-TÜV mit seinen Schulnoten für Heim- und Pflegedienste bringt kaum Orientierung. Doch eine Reform kommt nicht voran.

Autor/in:
Christoph Arens
Pflegereform / © Arno Burgi (dpa)
Pflegereform / © Arno Burgi ( dpa )

"Nötig ist ein Neustart, keine Behelfslösung." Wenn es um die Bewertung der Qualität von Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten in Deutschland geht, verlangt nicht nur Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine grundlegende Reform.

Pflege-TÜV in der Kritik

Seit Jahren steht der sogenannte Pflege-TÜV in der Kritik. Doch die geforderte Reform kommt nicht voran. Der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDS), Peter Pick, sagte der "Frankfurter Rundschau", der neue Pflege-TÜV für Pflegeheime werde voraussichtlich erst 2019 und für die ambulanten Dienste 2020 kommen - und damit jeweils ein Jahr später als geplant.

Offenbar können sich die mit dem Neustart beauftragten Pflegedienstverbände und Pflegekassen seit Monaten nicht auf die Kriterien für eine verbraucherfreundlichere Lösung einigen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte am Dienstag Gröhe auf, die Reform des Pflege-TÜVs endlich selbst in die Hand zu nehmen.

"Die Politik muss jetzt das Verfahren der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen entziehen", sagte er den Zeitungen der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft". Die politisch Verantwortlichen müssten das neue System nun selbst auf die Beine stellen.

Schulnoten ungeeignet?

Eigentlich sind sich Politik, Verbraucherschützer, Pflegekassen und Heimbetreiber seit langem weithin einig: Der 2009 eingeführte Pflege-TÜV mit seinen Schulnoten ist ungeeignet, um Angehörigen und Pflegebedürftigen zu helfen, so schnell und unkompliziert wie möglich ein gutes Heim oder eine ambulante Pflegestation zu finden.

Dabei galten die Pflegenoten anfangs als großer Fortschritt: Alle Einrichtungen werden jährlich vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen überprüft und anhand von rund 70 Kriterien mit Schulnoten bewertet. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Der gewünschte Nebeneffekt: Der Pflege-TÜV soll auch den Wettbewerb zwischen den Einrichtungen befeuern.

Doch die Bilanz ist ernüchternd: "Es werden bewusst Schwachstellen vertuscht, damit keine Pflegeeinrichtung schlechter dasteht als andere", kritisierte der vormalige Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Alle Heime erhielten im Bundesdurchschnitt die Note 1,2 - für Kritiker ein Hohn angesichts der Zustände in den Einrichtungen. Kritik entzündete sich insbesondere daran, dass keine K.o.-Kriterien aufgestellt wurden.

"Singen eins, Mathe sechs - in der Schule bleiben Sie damit hängen, im Bereich der Pflege erhalten Sie die Durchschnittsnote drei", kritisiert etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz.

Reform nötig

Wie dringlich eine Reform ist, wurde spätestens 2015 deutlich. Da sah sich die Bonner Heimaufsicht nach zwei Todesfällen gezwungen, ein Heim zu schließen, das vom Pflege-TÜV zuvor mit der Note 1,0 bewertet worden war. Im Sommer 2016 nahm deshalb der von der Bundesregierung eingesetzte Pflege-Qualitätsausschuss seine Arbeit auf. Bis Ende 2017 sollten Pflegekassen und Einrichtungsträger in Abstimmung mit Vertretern der Pflegebedürftigen und der Pflegeberufe ein wissenschaftliches Verfahren zur Qualitätsmessung vorlegen. Doch dieser Fahrplan wird nicht eingehalten.

Nach Picks Worten sind bisher nur die Grundzüge des neuen Systems geklärt. Anders als bisher werde es voraussichtlich keine Gesamtbewertung mit Schulnoten geben. "Das wird der Komplexität nicht gerecht", betonte er. Geplant sei vielmehr, konkrete Informationen über die Pflegeeinrichtungen im offiziellen Internetportal übersichtlich darzustellen und zu erläutern.

Nach Angaben des Geschäftsführers soll es künftig drei Säulen bei der Bewertung der Pflegeeinrichtungen geben: Künftig muss jedes Heim sogenannte Ergebnisindikatoren veröffentlichen. Das können zum Beispiel der Anteil der Pflegebedürftigen mit Druckgeschwüren oder Gewichtsverläufe sein, weil diese Daten Hinweise auf Probleme bei der Ernährung oder der Flüssigkeitsversorgung geben können. Die zweite Säule sind die Ergebnisse der Qualitätskontrollen im Heim. Und drittens sollen die Einrichtungen konkrete Informationen darüber geben, welche Freizeit-Angebote es gibt oder ob Haustiere mitgenommen werden können.


Quelle:
KNA