Buddhistische Klosterschule in Myanmar setzt auf Freiheit

"Man soll nichts blind glauben ohne zu denken"

Gräueltaten gegen die muslimischen Rohingya, Krieg gegen ethnische Völker - Myanmar ist von Frieden weit entfernt. Dass es auch anders geht, beweist die buddhistische Klosterschule Phaung Daw Oo in Mandalay.

Autor/in:
Michael Lenz
Vier Schülerinnen der buddhistischen Klosterschule Phaung Daw Oo (PDO) in Mandalay, Myanmar / © Michael Lenz (KNA)
Vier Schülerinnen der buddhistischen Klosterschule Phaung Daw Oo (PDO) in Mandalay, Myanmar / © Michael Lenz ( KNA )

Sie nennt sich Catherine. Ihren birmanischen Namen will die Dreizehnjährige nicht verraten. "Catherine finde ich schöner", sagt sie mit schüchterner Stimme. Catherine lebt mit ihrer Familie in einer Bambushütte in einem ärmlichen Viertel von Mandalay.

Der Vater ist Schreiner, die Mutter Wäscherin. Eine Tante näht in Heimarbeit Mönchsroben für die Mönche und die Novizen in der nahegelegenen buddhistischen Klosterschule Phaung Daw Oo (PDO). "Ich möchte einmal Ärztin werden", sagt Catherine leise.

Kostenlose Bildung

Klosterschulen gibt es viele in Myanmar. Die von dem Mönch U Nakaya gegründete PDO aber ist einzigartig. Sie vermittelt nicht nur buddhistische Weisheiten und weltliches Wissen, sondern bringt den 2.000 Schülern demokratische Prinzipien wie Meinungs- und Religionsfreiheit nahe. Das ist auch im Myanmar von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi bei weitem noch keine Selbstverständlichkeit.

Das Bildungssystem in Myanmar ist in einem denkbar schlechten Zustand, aber - zumindest offiziell - kostenlos. Die Realität sieht anders aus: "Schulen und Lehrer verlangen ein 'inoffizielles Schulgeld'", weiß Wolfgang Müller-Wind. Der pensionierte Schuldirektor ist im Vorstand des Vereins "Help Myanmar" aus dem Saarland, der die PDO mit Geld und Expertise unterstützt.

Religionsunterricht, keine Missionierung

An der PDO gibt es auch Religionsunterricht, aber keine religiöse Indoktrination. "Man soll nichts blind glauben, ohne zu denken", betont Abt U Nakaya, Direktor der PDO. Die Novizen und Novizinnen in den Mönchsroben - safranrot für die Jungen, rosa für die Mädchen - sind Internatsschüler. Viele stammen aus den Bürgerkriegsgebieten in Kachin oder im Shan Staat. Sie sind keine ordinierten Mönche und Nonnen und müssen es nach dem Ende der Schulausbildung auch nicht werden.

Seine Lebensaufgabe fasst der 1946 geborene Mönch mit grauem, millimeterkurzem Haar und großer Brille in einem Satz zusammen: "Es war mein Traum, durch den Bau einer Schule so vielen Kindern wie möglich eine Bildung zu ermöglichen, durch die sie als junge Menschen etwas verändern können."

Mit einem Bein im Knast, mit einem in der Schule

Die Chance kam nach dem blutig niedergeschlagenen Studentenaufstand von 1988 und der Weigerung der Armee, den Sieg von Aung San Suu Kyi bei der Wahl 1990 anzuerkennen. Es gärte im ehemaligen Birma. In dieser Situation gab die Junta der Forderung der Mönche nach, die

1982 geschlossenen Klosterschulen wieder eröffnen zu dürfen. Gemäß seinem Credo "Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft von Myanmar" gründete der Mönch, der sowohl die Lehren des Buddha als auch Chemie studiert hat, die PDO. "Ich stand immer mit einem Bein im Gefängnis", sagt U Nakaya. "Unseren kritischen Ansatz mochte das Militär nicht."

Mit dem Militär leben

In den kärglich ausgestatteten Klassenräumen werden klassische Fächer wie Lesen, Schreiben, Rechnen, aber auch Physik und Englisch unterrichtet. Die meisten Lehrer sind Birmanen, darunter auch so mancher ehemalige PDO-Schüler. Unterstützt werden sie immer wieder durch Freiwillige - ehemalige Lehrer oder solche, die es mal werden wollen - aus Deutschland. In Werkstätten werden junge Leute zu Schreinern, Köchen oder Schneiderinnen ausgebildet. Die PDO ist auch eine Berufsschule.

Nur wenige Kilometer von der Schule entfernt liegt das Kloster des Mönchs U Wirathu, dessen radikal-buddhistisches "Komitee zum Schutz von Rasse und Religion" Hass und Gewalt gegen Muslime schürt. "Unter dem Militärregime war U Wirathu im Gefängnis. Jetzt benutzt ihn die USDP (Anm.: die militärnahe Oppositionspartei), um wieder an die Macht zu kommen", sagt U Nakaya und fügt hinzu: "Wir mögen das Militär nicht. Aber wir müssen mit ihm leben."

Ob Catherines Ärztinnentraum einmal Wirklichkeit werden wird, wissen die Götter. Sicher aber ist, dass Catherine eine solide Schulbildung erhält, die durchaus in ein Studium münden kann. Vielleicht sogar an der PDO-Universität. Die ist der Traum von Abt U Nakaya. Und wie man Träume verwirklicht, hat der mutige und energiegeladene Mann schon einmal unter Beweis gestellt.


Quelle:
KNA