Caritas-Direktor von Myanmar: Herausforderungen und Fortschritte

"Unser Land ist auf einem guten Weg"

Seit 2001 ist die Caritas in Myanmar aktiv, 40 Prozent der Projekte bestehen aus humanitärer Hilfe. Insgesamt erreicht die Caritas in Myanmar 400.000 Menschen. Ihr Landesdirektor, Win Tun Kyi, sprach u.a. über Fortschritte für sein Land.

Armut in Myanmar (dpa)
Armut in Myanmar / ( dpa )

KNA: Herr Tun Kyi, im Mai endete die zweite Friedenskonferenz in Myanmar ohne eine große Einigung. Sind Sie enttäuscht?

Win Tun Kyi (Landesdirektor der Caritas in Myanmar): Nein, denn in den vergangenen sechs bis sieben Jahrzehnten gab es viele Herausforderungen. Ich denke, dass Myanmar in den vergangenen sechs Monaten sehr viele Fortschritte gemacht hat. Vor 60 Jahren musste man noch ins Gefängnis, wenn man über Politik gesprochen hat. Heute können wir darüber diskutieren. Das ist ein großer Fortschritt für unser Land.

KNA: Welche Rolle spielt Religion im Friedensprozess?

Win Tun Kyi: Kardinal Charles Bo hat im April ein Treffen verschiedener religiöser Führer organisiert. Muslime, Buddhisten, Hindus und Christen haben über ihre Ansichten zum Friedensprozess gesprochen. Ich glaube, dass die religiösen Oberhäupter in diesem Prozess viel bewegen können, denn sie haben gute Kontakte zu den Menschen vor Ort. Vielleicht könnten religiöse Oberhäupter sogar direkt an den Friedensverhandlungen beteiligt werden.

KNA: Und was denken die Menschen, die in Myanmar leben, über die Friedensverhandlungen?

Win Tun Kyi: Die meisten Menschen haben andere Sorgen, etwa ob sie genug Lebensmittel für ihre Familie haben. Jahrzehntelang war es nicht möglich, über Politik zu reden. Nun müssen sie sich langsam daran gewöhnen. Aber ein Interesse ist da. Bei den Wahlen im November war die Wahlbeteiligung so hoch wie nie zuvor.

KNA: In Myanmar leben etwa 135 Ethnien zusammen. Haben Sie manchmal Probleme, weil sie eine christliche Organisation sind?

Win Tun Kyi: Die katholische Kirche hat seit eh und je eine wichtige Rolle in Myanmar. Deshalb sind wir froh, dass sie hinter uns steht. Gleichzeitig bedeutet das natürlich auch eine gewisse Verantwortung.

Derzeit arbeiten wir an mehreren sensiblen Themen wie dem Kampf gegen Kindersoldaten, Landnahme von Firmen oder dem Engagement von Kirchen in Schulen. Wir sind da besonders vorsichtig. Doch auch wenn wir langsam sind - ich glaube, dass die Ergebnisse unserer Arbeit dafür umso nachhaltiger sind.

KNA: Die Vereinten Nationen beklagen schwere Menschenrechtsverletzungen in Myanmar. Ist die Caritas auch in diesem Bereich aktiv?

Win Tun Kyi: Menschenrechte sind ein sensibles Thema in Myanmar. Wir versuchen, es über Bildung anzugehen und bringen uns zum Beispiel bei der Reform des Bildungssystems ein. Uns wäre wichtig, dass bereits Schulkinder von den Menschenrechten erfahren, damit sie später wissen, was ihre Rechte sind. Aber mit dem Thema Menschenrechte sind viele Themen verknüpft, bei denen die Caritas engagiert ist.

KNA: Können Sie eins dieser Themen nennen?

Win Tun Kyi: Zum Beispiel die Kindersoldaten. Derzeit kümmert sich die Caritas um etwa 60 Kinder, die zuvor Soldaten waren. Wir bringen sie wieder mit ihren Familien zusammen und unterstützen sie. Die verschiedenen bewaffneten Gruppen in Myanmar haben viele Kinder rekrutiert. Wir stehen erst am Anfang, es sind weit mehr betroffen.

KNA: Die UN werfen Sicherheitskräften die Verfolgung von Angehörigen der muslimischen Minderheit der Rohingya vor. Wie setzt sich die Caritas für die Rohingya ein?

Win Tun Kyi: Wir arbeiten in Rakhine, in der Region, in der viele Rohingya leben, mit den Muslimen zusammen. Der Erzbischof von Rangun, Kardinal Charles Bo, hat bereits mehrmals öffentlich die Vertreibung und Diskriminierung der Rohingya kritisiert. Wir als Caritas können das Leiden der Rohingya nicht ignorieren.

KNA: Wie sehen Sie die Zukunft von Myanmar?

Win Tun Kyi: Ich bin optimistisch. Es ist zwar noch ein langer Weg bis zur Versöhnung, der vor uns liegt, aber wir müssen geduldig sein. Es gibt noch viele Herausforderungen in unserem Land, doch die Fortschritte in den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass Veränderung möglich ist.

Das Interview führte Franziska Broich.


Quelle:
KNA