Syrischer Rettungsschwimmer verbessert sein Deutsch am Beckenrand

"Wir wollten ihm diese Chance bieten"

Der Syrer Aiham Shalghin hat im vergangenen Sommer Schlagzeilen gemacht. Als die Übergriffe von Flüchtlingen in Schwimmbädern diskutiert wurden, arbeitete er bereits als Aufseher im Tübinger Freibad. Was ist aus ihm geworden?

Autor/in:
Lena Müssigmann
Bademeister Aiham Shalghin im swt Freibad in Tübingen / © Silas Stein (dpa)
Bademeister Aiham Shalghin im swt Freibad in Tübingen / © Silas Stein ( dpa )

Statt der kurzen Bademeisterkluft hat Aiham Shalghin beim Treffen in Tübingen eine dicke Winterjacke an. Als im vergangenen Sommer Übergriffe von Geflüchteten auf Badegäste in deutschen Freibädern bekannt geworden waren, war der heute 25-jähriger Syrer als Freibad-Aufseher in der Universitätsstadt in den Schlagzeilen. Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) lobte Shalghins Anstellung als "eine großartige Präventions- und Integrationsmaßnahme". Shalghin wurde in vielen Medien vorgestellt.

Inzwischen will er keine Fototermine mehr bei der Arbeit, keinen Trubel vor den Badegästen. Er will Normalität. Im Winterhalbjahr arbeitet er im Hallenbad - und an seiner Zukunft in Deutschland.

Hilfe zur Integration

Dass ein Job die beste Hilfe zur Integration ist, würde Shalghin sofort unterschreiben. Er habe mit den anderen Aushilfen und Bademeistern Freundschaft geschlossen und durch den Kontakt zu Kollegen und Badegästen sein Deutsch verbessert. Inzwischen spielt er Wasserball in einem Verein und arbeitet in einem Projekt mit, das ihm besonders am Herzen liegt: Schwimmen für alle Kinder.

Chancen bieten

Wer sich keinen Schwimmkurs leisten kann, bekommt von Shalghin und anderen Trainern Unterricht. "Das sind Kinder und Jugendliche bis 22 Jahre, die meisten sind Flüchtlinge", sagt Shalghin. In den Jahren des Krieges habe mancher das Schwimmen verlernt, andere hätten es nie gelernt, weil sie auf dem Land ohne Schwimmhalle lebten. Shalghin kommt aus Damaskus, wo er jederzeit ein Schwimmbad besuchen konnte.

Die Stadtwerke haben ihm nach seiner ersten Schwimmbadsaison eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe angeboten. "Wir wollten ihm diese Chance bieten", sagt der Pressesprecher der Stadtwerke Tübingen, Ulrich Schermaul. Der Branche fehlen nach Schätzungen von Experten rund 2500 Fachkräfte.

Hoffnung aufs Studium

Aber Shalghin will Jura studieren. Weiterstudieren. In Syrien habe er schon einen Bachelor in Rechtswissenschaften gemacht. Nun hofft er auf einen Studienplatz in Tübingen, wo er Freunde, eine Freundin und eine Wohnung gefunden hat. "Hoffentlich klappt es hier ab Oktober", sagt er und strahlt. Für die Deutschkurse bis zum Uni-Niveau lerne er viel. Er habe das Gefühl, keine Zeit verschwenden zu dürfen. 

"Die Fachsprache ist sehr schwer", gibt er zu. Shalghin hat die Befürchtung, er könnte scheitern. Aber er ist ermuntert worden: Nach einem Praktikum in einer Kanzlei in Stuttgart hätten ihm die Rechtsanwälte empfohlen, den Weg weiter zu verfolgen. Laut Pressesprecher Schermaul bleibt das Ausbildungsangebot der Stadtwerke zum Bademeister bestehen, Shalghin könnte noch darauf zurückgreifen. Vom 1. Mai an wird er erstmal wieder im Freibad Dienst schieben.

"Nicht nur Flüchtlinge"

Verstöße von Flüchtlingen gegen die Baderegeln seien zurückgegangen, berichtet er aus seiner Erfahrung. Nicht vom Beckenrand springen, nur in Schwimmkleidung ins Wasser gehen - all die Vorschriften seien angekommen. Es gelte: Wer nur ein bis zwei Mal pro Jahr ins Schwimmbad komme, mache Fehler – "das sind nicht nur Flüchtlinge".

Auf seinen ersten Job und die vielen Medienberichte darüber war Aiham Shalghins Familie so stolz, dass die Schwester Berichte über den Bruder in sozialen Netzwerken geteilt hat. "Obwohl sie die Texte auf Deutsch gar nicht lesen kann", sagt Shalghin und grinst.


Syrischer Bademeister Aiham Shalghin / © Lino Mirgeler (dpa)
Syrischer Bademeister Aiham Shalghin / © Lino Mirgeler ( dpa )
Quelle:
dpa