Kritik an Sammelabschiebung und Asylpolitik-Plänen

"Vom Aufnahmeland zum Abschiebeland"

An der offenbar für den heutigen Mittwoch geplanten Sammelabschiebung nach Afghanistan wird parteiübergreifend scharfe Kritik laut. Derweil will die Bundesregierung Abschiebungen erleichten - unter anderem durch einen verlängertes Ausreisegewahrsam.

Polizist bei einer Abschiebung / © Sebastian Willnow (dpa)
Polizist bei einer Abschiebung / © Sebastian Willnow ( dpa )

"Afghanistan ist nicht sicher, das sagt nicht nur der UNHCR, sondern das zeigt auch die Erfahrung der ersten beiden Sammelabschiebungen", sagte Grünen-Spitzenkandidation Katrin Göring-Eckardt der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Frank Schwabe, sprach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch) von populistischer Effekthascherei, "menschenrechtlich fragwürdig und mit enormem Aufwand verbunden".

Der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus N. Beeko, erklärte im ARD-Morgenmagazin, die Lage in Afghanistan habe sich in den letzten Jahren noch einmal dramatisch verschlechtert. "Sie ist auch nicht nur in den Regionen sehr unterschiedlich, sondern bleibt insgesamt instabil, sodass eine Gefahrenprognose hier nur sehr schwer zu treffen ist", sagte er. Zum derzeitigen Zeitpunkt seien nach Amnesty-Einschätzung Abschiebungen nach Afghanistan menschenrechtlich nicht zu vertreten.

CDU-Politiker: Einzelfall muss betrachtet werden

Skeptisch äußerte sich auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Union im Bundestag, Michael Brand. Jeder Einzelfall müsse genau betrachtet werden, sagte der CDU-Politiker. "Weder ist es generell unproblematisch, nach Afghanistan abzuschieben, noch ist ein genereller Abschiebestopp angemessen", sagt Brand. Wer politisch verfolgt werde, müsse weiter Schutz erhalten. Allerdings, so der CDU-Politiker, müsse auch die Signalwirkung eines Abschiebestopps auf jene Afghanen bedacht werden, "die sich mit Mut unter schwierigen Bedingungen in ihrem Land für Freiheit und Wiederaufbau stark machen".

Luise Amtsberg, Flüchtlingsexpertin der Grünen im Bundestag, warf Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) vor, die Sicherheitslage im Land zu verklären. "Afghanistan ist nicht sicher, und Abschiebungen dorthin sind entsprechend unverantwortlich und falsch", sagte Amtsberg. Deshalb sei es "wichtig und richtig, dass Schleswig Holstein einen Abschiebestopp verhängt hat und dass die Grünen in den Bundesländern Bundesaußenminister Gabriel aufgefordert haben, die Sicherheitslage in Afghanistan neu zu bewerten", so Amtsberg.

Bayern will weiterhin nach Afghanistan abschieben

Unterdessen kündigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der "Passauer Neuen Presse" an, der Freistaat werde sich auch weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligen. "Die Einschätzung des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amtes, die die aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen der in Afghanistan eingesetzten Einsatzkräfte auswerten, lassen Rückführungen in gesicherte afghanische Provinzen zu", sagte er.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte im Deutschlandfunk die Abschiebepraxis nach Afghanistan. Der CDU-Politiker sagte, er sehe überhaupt keinen Widerspruch darin, Menschen dorthin zurückzuführen, auch wenn das UNO-Flüchtlingshilfswerk davor warne. Selbstverständlich gebe es Gebiete in Afghanistan, in die Deutschland niemals jemanden zurückschicken würde. Aber es gebe auch in diesem Land sichere Städte und Regionen. "Es gibt Millionen Menschen in Afghanistan, die ganz normal leben", so der Flüchtlingskoordinator. Sie lebten aber sicherlich nicht so gut wie in Deutschland. Altmaier ergänzte, er halte den von Schleswig-Holstein verhängten Abschiebestopp für falsch.

Bundesregierung will Abschiebungen erleichtern

Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig schneller und konsequenter abgeschoben werden. Das beschloss am Mittwoch das Kabinett. Danach soll etwa der Ausreisegewahrsam auf zehn Tage verlängert werden, um zu verhindern, dass sich abgelehnte Asylbewerber der Abschiebung entziehen. Auch sollen Daten aus dem Handy der Betreffenden ausgelesen werden können. Bund und Länder hatten sich bereits am 9. Februar bei einem Treffen im Bundeskanzleramt auf die Maßnahmen geeinigt.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) verteidigte die Maßnahmen. Es sei wichtig, "dass wir die Durchsetzung der Ausreise hinbekommen", sagte de Maizière. So sollen Asylbewerber, von denen eine Gefährdung ausgehe, leichter in Abschiebehaft genommen werden können. Zudem sollen sie besser überwacht werden. Zur geplanten Möglichkeit der Handyüberwachung erklärte er, es sei nicht zu viel verlangt, "dass man in dem Staat, in dem man Schutz sucht, sagt, wie man heißt und wo man herkommt".

Ebenfalls zu dem Maßnahmenpaket gehören Erleichterungen bei der Überwachung von Personen "mit schwerwiegendem Ausreiseinteresse". Die Rückführungen sollen möglichst aus den Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgen. Ein "Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr" (ZUR) von Bund und Ländern soll Sammelabschiebungen erleichtern.

Kritik von Pro Asyl am Maßnahmenpaket

Laut Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) waren mit Stand vom 31. Dezember rund 207.000 Personen in Deutschland ausreisepflichtig. Hilfsorganisationen kritisierten die Pläne der Bundesregierung. Rund 20 Organisationen forderten unter anderem das zumindest das Wohl der betroffenen Kinder vorrangig berücksichtigt wird.

Das Flüchtlingshilfswerk Pro Asyl, das zu den Unterzeichnern gehörte, appellierte an Justizminister Heiko Maas (SPD), nicht erneut "fadenscheinigen Beteuerungen" von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Glauben zu schenken und sich der Beschlussfassung "im Schweinsgalopp zu widersetzen".

Zu den Organisationen, die die Stellungnahme unterzeichnet haben, gehören neben Pro Asyl unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk, der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, Unicef Deutschland und World Vision. Der Gesetzentwurf soll bereits im März im Bundestag beschlossen werden.


Quelle:
KNA