Renovabis-Kongress nimmt Jugend im Osten Europas in den Blick

Von Wellenreitern und Spaziergängern

Der Frust ist groß bei der Jugend im Osten Europas. Enttäuscht von der Politik, dazu die hohe Arbeitslosigkeit. Die meisten wollen nur noch weg. Ein Thema für den 19. Renovabis-Kongress.

Autor/in:
Barbara Just
Jugendliche in Osteuropa sind oft enttäuscht (dpa)
Jugendliche in Osteuropa sind oft enttäuscht / ( dpa )

Zornitsa Kutlina-Dimitrova hat es geschafft. Die junge Bulgarin, die in Deutschland ihren Promotionsabschluss in Europäischer Wirtschaft gemacht hat, ist heute als Volkswirtin bei der Europäischen Kommission tätig. 2013 fand die junge Frau ihren "Traumjob" in der Generaldirektion für Außenhandel. Sie freue sich, mit "äußerst kompetenten Kollegen" aus Mittel- und Osteuropa zu arbeiten. Das sei auch der Beweis, dass das europäische Konzept funktioniert habe. In der Tat habe jeder die gleichen Chancen auf eine Einstellung bei den europäischen Institutionen. "Das ist etwas unglaublich Wichtiges für mich", sagt Kutlina-Dimitrova.

Die Ökonomin ist zu Gast auf dem 19. Internationalen Kongress Renovabis, der sich bis 4. September in Freising mit der Zukunft der Jugendlichen im Osten Europas auseinandersetzt. Denn die meisten von Zornitsas Landsleuten und der Großteil der Jugend in den Nachbarländern kann von einer solchen Karriere nur träumen.

Viele Jugendliche wollen nur noch weg

So hat eine zwischen 2011 und 2014 durchgeführte Jugendstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, dem Kosovo, Mazedonien, Rumänien und Slowenien Ernüchterndes zutage gebracht: Ein großer Teil der Heranwachsenden zeigte sich unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie und ist immer weniger bereit, dies zu tolerieren. Andererseits gibt es auch nur eine geringe Bereitschaft, sich in Gesellschaft und Politik zu engagieren. Die meisten wollen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit nur noch weg.

Für alle, die sich in Erziehung, Jugend- und Erwachsenenbildung engagieren, sind solche Befunde eine Herausforderung, findet der designierte Berliner Erzbischof Heiner Koch. Das gelte auch für Renovabis und seine Partner, so der Vorsitzende des Trägerkreises der Solidaritätsaktion. Doch es könne nicht darum gehen, die zuständigen Regierungen und Politiker aus ihrer Verantwortung zu entlassen oder gar zu meinen, die Kirche könne sie ersetzen. Vielmehr müssten Entscheidungen für die Jugend und mit der Jugend wieder in Prioritätensetzungen der Politik nach vorne rücken.

Die Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Lisi Maier, kann ihm da nur zustimmen. Die enttäuschten Jugendlichen seien ein Warnsignal, weswegen es dringend eines klaren Zeichens für ein solidarisches Europa bedürfe. "Die wirtschafts- und finanzpolitische Perspektive muss deutlich um eine sozialpolitische Dimension ergänzt werden", fordert Maier. Wenn die Armutsmigration aus Südosteuropa in Deutschland dann auch noch mit Missbrauch in Verbindung gebracht werde, müsse dem entgegengewirkt werden, damit die EU ihre Glaubwürdigkeit als soziale Union behält.

Jugendliche seien "fanstastische Wellenreiter"

Unterdessen wird die Politik nicht müde, immer wieder zu betonen, dass die Fluchtursachen bekämpft werden müssten. Als Geschäftsführer von Renovabis kann Gerhard Albrecht da guten Gewissens auf die Arbeit des Osteuropahilfswerks verweisen. Seit seiner Gründung 1993 tut dieses mit seinen Partnern in den jeweiligen Ländern nichts anderes.

Dazu gehören in Bosnien-Herzegowina das Leuchtturmprojekt "Schulen für Europa", in denen verschiedene Ethnien und Religionen von Klein an gemeinsam unterrichtet werden. Hinzu kommen viele Aus- und Weiterbildungsprojekte in den jeweiligen Ländern und sowie kirchliche Zentren, in denen jungen Leute im christlichen Sinne ermutigt werden sollen, Verantwortung für Kirche und Zivilgesellschaft zu übernehmen.

Und wie schaut es mit der Religiosität der Jugend aus? Der in der Slowakei wirkende Salesianerpater Tibor Reimer sieht die jungen Leute als "fantastische Wellenreiter", die sich durchaus als religiös bezeichneten. In den postmodernen Lebensstrategien gehöre aber das Surfen zwischen verschiedenen Lebensstilen und Lebensszenen einfach dazu. Solche "Spaziergänger", wie sie der polnische Soziologe Zygmunt Bauman nennt, zappten sich von einer Welle zur nächsten. Aufgabe der christlichen Jugendarbeit sei es, unter anderen Orientierung zu geben und zur Mitarbeit einzuladen, um letztlich Stabilität ins Leben dieser jungen Menschen zu bekommen.

 


Quelle:
KNA