Ein neues Verfahren für Ausgleichszahlungen an Missbrauchsopfer

Transparenter und einheitlicher

Mit Jahresbeginn gilt ein neues Verfahren, mit dem die katholische Kirche in Deutschland Ausgleichszahlungen an Betroffene von Missbrauch leistet. Worum geht es und wie transparent arbeiten die zuständigen Gremien?

Autor/in:
Joachim Heinz und Gottfried Bohl
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Annnna_11 (shutterstock)
Symbolbild Missbrauch in der Kirche / © Annnna_11 ( shutterstock )

Was ändert sich mit der neuen "Ordnung für das Verfahren zur Anerkennung des Leids" für Missbrauchsopfer in der Kirche?

Ein wesentlicher Punkt ist die Höhe der Anerkennungszahlungen. Bisher erhielten Opfer durchschnittlich eine Zahlung von 5.000 Euro, in Härtefällen auch mehr. Künftig wollen sich die Bischöfe grundsätzlich an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern orientieren. Daraus ergibt sich ein Leistungsrahmen von bis zu 50.000 Euro. Zusätzlich können Betroffene wie auch jetzt schon Kosten für Therapie- oder Paarberatung erstattet bekommen. Mit Inkrafttreten der Ordnung nahm zudem die aus sieben Mitgliedern bestehende Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistung (UKA) ihre Arbeit auf. Sie tritt an die Stelle der Zentralen Koordinierungsstelle (ZKS) und soll über die Zahlungen entscheiden. Erklärtes Ziel ist es, das Verfahren transparenter und einheitlicher zu machen.

Wie kann ein Betroffener seine Ansprüche geltend machen?

Das neue Verfahren gliedert sich nach Angaben der Bischofskonferenz in fünf Schritte: Personen, die als minderjährige oder erwachsene Schutzbefohlene sexuellen Missbrauch erlebt haben, wenden sich an die unabhängigen Ansprechpersonen eines (Erz-)Bistums. Diese führen ein Gespräch und können beim Ausfüllen des Antragsformulars unterstützen. Der Antrag wird von der Ansprechperson oder dem Bistum an die UKA weitergeleitet. Die UKA legt eine Leistungshöhe fest und weist die Auszahlung an Betroffene an. Die in Bonn sitzende Geschäftsstelle der UKA informiert die betroffene Person sowie das zuständige Bistum und zahlt die festgelegte Summe direkt aus.

Wer arbeitet in der UKA mit?

Der Kommission gehören diese sieben Expertinnen und Experten aus den Bereichen Recht, Medizin und Psychologie an:

- Brigitte Bosse, Ärztliche Psychotherapeutin und Leiterin des Trauma Instituts Mainz

- Ernst Hauck, ehemals Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht

- Michaela Huber, Psychologische Psychotherapeutin und Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation

- Peter Lehndorfer, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sowie Vizepräsident der Bundespsychotherapeutenkammer bis 2019

- Muna Nabhan, Rechtspsychologin

- Margarete Reske, ehemalige Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Köln

- Ulrich Weber, Rechtsanwalt

Wie unabhängig ist die UKA?

Die Mitglieder der Kommission wurden vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Limburger Bischof Georg Bätzing, ernannt. Die Bischofskonferenz weist auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) darauf hin, dass die Vorschläge für die Besetzung des Gremiums mehrheitlich von einem "nicht kirchlichen Personenkreis" gekommen seien. Das Gremium sei zudem Ergebnis aus den Anregungen der 2018 vorgestellten MHG-Studie zu Missbrauch in der Kirche. Daneben orientierten sich die Bischöfe unter anderem an der im Juni unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung zwischen ihnen und dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Diese lege "verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland" fest.

In der neuen Ordnung heißt es zur Arbeitsweise des Gremiums: "Eigene Recherchen führt die Unabhängige Kommission nicht durch. Sofern der Berichterstatter jedoch grundlegende Fragen zu dem vorgelegten Fall hat, deren Beantwortung er als notwendig und maßgeblich im Hinblick auf die Gesamtbewertung befindet, so leitet die Geschäftsstelle diese Fragen an die zuständige Ansprechperson oder kirchliche Institution weiter." Maßgeblich für die Festlegung der Ausgleichszahlungen sind die Darstellungen der Betroffenen, die im Antragsformular aufgeführt werden. Die Mitglieder der UKA erhalten Einsicht in diese Unterlagen.

Wollen sich die Mitglieder der Kommission oder die Geschäftsstelle an die Öffentlichkeit wenden, gibt es dafür laut Angaben der Bischofskonferenz keine Einschränkungen. Vorgesehen sei, dass das Gremium jährlich einen schriftlichen Tätigkeitsbericht erstelle, der auch veröffentlicht werde: "Die UKA erhält darüber hinaus keine Vorgaben zur Ausgestaltung der Öffentlichkeitsarbeit."

Woher stammt das Geld, dass die UKA auszahlt?

Die Geschäftsstelle der UKA zahlt die Leistungen aus Mitteln, die von dem jeweils zuständigen Bistum, in dem sich der Missbrauch ereignete, bereitgestellt werden. Dazu wird für jede Diözese ein sogenanntes Anerkennungskonto eingerichtet, von dem die Anerkennungsleistungen gezahlt werden. Darüber, woher das Geld kommt, entscheidet die zuständige Diözese und ihre Gremien. Grundsätzlich liegt die erste Verantwortung beim Täter. Allerdings sind viele der Täter bereits tot. Viele Bistümer legen Wert darauf, das Geld nicht aus der Kirchensteuer zu nehmen, die ja von allen Kirchensteuerzahlern aufgebracht wird, sondern aus dem Vermögen oder aus Sondertöpfen des Bistumshaushalts.

Was ist mit den Orden?

Die von den Bischöfen in Kraft gesetzte Ordnung wird derzeit für die Orden überarbeitet, wie ein Sprecher der Deutschen Ordensobernkonferenz der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte. Allerdings liege die Entscheidung über eine Teilnahme an dem gemeinsamen Verfahren wie bislang "bei jeder einzelnen Ordensgemeinschaft".

Zur Unterstützung von Betroffenen von Orden gibt es davon unabhängig einen Solidarfonds, aus dem Leistungen an Betroffene gezahlt werden können, wenn der Orden hierzu nicht in der Lage ist. Dieser Fonds wird anteilig von den Bistümern gefüllt.


Quelle:
KNA
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