Hendricks kritisiert die Idee eines Klimaschutzministeriums

"Das ist zu kurz gedacht bei den Grünen"

Ein Vetorecht für ein neues Klimaschutzministerium, wenn eine Regierungsentscheidung die Pariser Klimaziele gefährdet? Das fordern die Grünen vor der Bundestagswahl. Die frühere Umweltministerin Barbara Hendricks hält nicht viel davon.

Barbara Hendricks / © Markus Nowak (KNA)
Barbara Hendricks / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Grünen haben an diesem Dienstag ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorgestellt. Neben Milliardeninvestitionen für den Klimaschutz gibt es die Idee eines eigenen Klimaschutzministeriums, mit Veto-Recht für den Fall, dass eine Regierungsentscheidung gegen das Pariser Klimaabkommen verstößt. Hätten Sie sich solch ein Vetorecht als Umweltministerin damals gerne gewünscht?

Dr. Barbara Hendricks (Sprecherin des Sachbereichs “Nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung“ im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und SPD-Mitglied im Bundestag): Nein, ich glaube das ist nicht vernünftig, was die Grünen jetzt fordern. Ich hatte da auch einen anderen Ansatz. Ich will auch versuchen, den zu erläutern. Wir haben ja ein Klimaschutzgesetz. Und in dem Klimaschutzgesetz werden den Ressortsministern Verantwortlichkeiten aufgegeben, und zwar jeweils in ihrem Verantwortungsbereich - also dem Verkehrsminister, der Landwirtschaftsministerin, dem Bauminister, Wirtschaftsminister und so weiter. Deswegen glaube ich auch, dass es vernünftiger ist, diesen vernetzten Ansatz weiterhin zu behalten.

Andererseits kann ich mir schon vorstellen, dass die Rolle eines Umweltministeriums - nicht eines eigenen Klimaschutzministeriums - in der Weise gestärkt wird, dass es in den Ressortsverhandlungen zur Vorbereitung von Regierungsentscheidungen ein aufschiebendes Veto gibt. Also im Sinne von: Nein, so geht das nicht, so machen wir das auf keinen Fall. Dieses aufschiebende Veto haben wir bisher auch für das Bundesfinanzministerium, wenn es um haushaltswirksame Fragen geht, vergleichbar würde ich mir das für das Umweltministerium wünschen.

Ich würde aber kein eigenes Klimaschutzministerium gründen wollen. Es gibt viele andere Aufgaben, auch im Bereich Umwelt- und Naturschutz, zum Beispiel die Bewahrung der Artenvielfalt, der biologischen Vielfalt - also Artenschutz - und der biologischen Vielfalt. Soll das dann auch ein eigenes Ministerium bekommen? Das ist für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen genauso wichtig, wie der Klimaschutz. Ich glaube, das ist zu kurz gedacht bei den Grünen. Vernetztes Denken aller Verantwortlichen ist doch eigentlich angesagt. Mich wundert das, dass die Grünen das so vorschlagen.

DOMRADIO.DE: Sie haben den politischen Alltag vier Jahre lang als Umweltministerin mitbekommen. Dass es das Vetorecht in anderen Ministerien gibt, haben Sie angesprochen. Wie sieht es denn im politischen Alltag aus? Wird es tatsächlich genutzt oder ist das eher ein theoretisches Konzept?

Hendricks: Es ist eigentlich sowieso ein theoretisches Konzept. Das darf man nicht vergessen. Die Bundesregierung als Kabinett beschließt einen Entwurf - also den Entwurf eines Gesetzes oder einer Verordnung - sowieso immer erst, wenn Einigkeit unter den Ministerien herbeigeführt worden ist. Es gibt also niemals strittige Abstimmungen im Kabinett.

Das bedeutet auf der anderen Seite, dass diese Vorabstimmungen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen können. Das kann manchmal anderthalb oder zwei Jahre dauern. Manchmal kann das auch gar nicht gelingen. Es ist zum Beispiel in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, obwohl die Bundesregierung sich einig war, ein Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen, weil die CDU/CSU-Fraktion es einfach verhindert hat. Sie macht es einfach nicht.

Also faktisch ist es so, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich immer Koalitionsregierungen haben und natürlich die Linie schon in der Koalitionsvereinbarung zu Beginn einer Legislaturperiode festgelegt wird. Ob das dann immer gelingt, weiß man trotzdem nicht. Wie gesagt, die Unionsfraktion hat sich zuletzt beim Thema Kinderrechte ins Grundgesetz oder beim Demokratiefördergesetz einfach geweigert, obwohl es Einigkeit auf der Ebene der Regierungsverantwortlichen gab.

DOMRADIO.DE: Selbst wenn die Grünen gewinnen würden und dann in eine Koalition gehen, wüsste man also gar nicht, ob sowas dann tatsächlich zustande kommt?

Hendricks: Sowieso nicht. Jede Koalitionsvereinbarung hat ja im Ergebnis, dass man sich darauf verständigt, was man wirklich gemeinsam auf den Weg bringen will. Das kann niemals ein 100-Prozent-Programm einer dieser Koalitionsparteien sein. Deswegen machen zwar alle Parteien ihre Wahlprogramme, aber sie müssen immer davon ausgehen, - und auch alle Bürgerinnen und Bürger müssen davon ausgehen - dass in einer Koalitionsregierung niemals 100 Prozent der einen oder der anderen Partei durchgesetzt werden können.

DOMRADIO.DE: Sie sind Sprecherin im Arbeitskreis Umwelt und Nachhaltigkeit im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Hinter der allgemeinen Idee, mehr Wert auf den Umweltschutz zu legen, stehen Sie aber doch, oder?

Hendricks: Ja, selbstverständlich. Ich bin ja verantwortlich für diesen Sachbereich "Nachhaltigkeit und globale Verantwortung". Da sehen Sie auch, dass dort dieser vernetzte Ansatz durchaus vorhanden ist. Denn Nachhaltigkeit und globale Verantwortung bringt ja zum Ausdruck, dass sich das auch nicht nur auf unser Land bezieht und es eben auch weitere Aufgaben hat - sowohl ökonomische Sicherheit und Förderung der Länder des Südens, aber natürlich auch Klimaschutz, Artenschutz und vieles andere, was man sich denken kann.

Also da haben wir eigentlich diesen vernetzten Ansatz drin, den die Grünen, wie ich finde, mit dem Vorschlag eines Klimaschutzministeriums leider vermissen lassen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR