Bündnis stellt sich gegen Abriss-Bagger am Tagebau Garzweiler

"Als Christ muss man Position beziehen"

Die Landstraße 277 trennt den Braunkohle-Tagebau Garzweiler von den angrenzenden Dörfern - noch. Am Montagmorgen haben die Abrissarbeiten zwischen Keyenberg und Lützerath begonnen. Eine kirchliche Initiative will das verhindern.

Tagebau Garzweiler / © hans engbers (shutterstock)

KNA: Das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" befürchtet, dass auch die Ortschaften bald dem Tagebau zum Opfer fallen, und fordert, die Braunkohleförderung zu stoppen. Mit einer Mahnwache in der Nacht zu Montag haben die Demonstranten auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. Sie waren mit dabei. Wie ist die Lage vor Ort?

Benedikt Kern (Initiative "Die Kirche(n) im Dorf lassen"): Die Bagger haben mit dem Abriss der Straße begonnen. Im Moment sitzen noch Leute vor den Maschinen, aber es kann nicht mehr lange dauern, bis die Bauarbeiten so richtig beginnen. Diese Straße wird von zwei Seiten aus von jeweils zwei Baggern abgerissen, die sich irgendwann in der Mitte treffen. Der Streckenabschnitt ist etwa vier Kilometer lang. Wir stehen auf der Seite von Keyenberg. Hier ist ein sehr großes Polizeiaufgebot. Gerade ist ein Hubschrauber gelandet.

KNA: Wie viele Menschen sind zu der Nachtwache gekommen?

Kern: Gestern Abend gab es erst einen Gottesdienst. Da waren wir ungefähr 120 Leute. Über Nacht geblieben sind etwa 80. Die Bagger kamen, wie angekündigt, heute Morgen um 5 Uhr und haben pünktlich losgelegt. Aber etwa 15 Minuten später saß schon jemand auf einer Maschine, dann mussten die Arbeiten zunächst abgebrochen werden.

Gerade eben wurde der Demonstrant heruntergeholt. Im Moment tut sich weiterhin nichts, weil noch Leute auf der Straße sitzen.

KNA: Wie ist die Stimmung unter den Demonstranten?

Kern: Ich würde sagen, die Stimmung ist schon kämpferisch, aber auch besonnen und friedlich.

KNA: Wieso ist es Ihnen wichtig, dass die Straße bleibt?

Kern: Diese Straße ist eine rote Linie für die anliegenden Dörfer, ein Schutzschild gegenüber dem Tagebau. Bislang war immer klar: Solange der Tagebau jenseits dieser Straße bleibt, sind die Dörfer nicht gefährdet. RWE schafft jetzt Fakten - zwei Wochen nachdem das Kohleausstiegsgesetz beschlossen worden ist. Das ist für die Dörfer sehr bedrohlich. Aus diesem Grund ist der Protest sehr stark.

Menschen aus den Dörfern, aber auch von außerhalb, engagieren sich.

KNA: Rechnen Sie damit, dass die Dörfer verschwinden werden?

Kern: Das ist der Plan bei einem Kohleausstieg bis 2038. Wenn das tatsächlich das Datum bleibt, dann müssen die Dörfer weg. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass das wirtschaftlich nicht notwendig ist.

Es gibt Gutachten, die belegen, dass die Dörfer erhalten bleiben könnten. RWE behauptet genau das Gegenteil. Ob die Dörfer erfolgreich geschützt werden können, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer sagen. Auf jeden Fall ist der Widerstand gegen Braunkohle sowohl in der Bevölkerung vor Ort als auch gesamtgesellschaftlich sehr groß.

KNA: Sie sind eine kirchliche Initiative. Warum sollte Ihrer Ansicht nach die Kirche hier Gesicht zeigen?

Kern: Weil die Bewahrung der Schöpfung ein wesentliches Anliegen aus christlicher Perspektive ist. Der Klimawandel und alles, was dazu beiträgt, muss aufgehalten werden. Die ökologische Frage ist auch eine soziale Frage. Das macht Papst Franziskus immer wieder deutlich, zum Beispiel in seiner Enzyklika "Laudato si". Es geht nicht nur um die Zerstörung der Umwelt, sondern auch um die Zerstörung menschlichen Lebensraums. Das sehen wir hier an den Dörfern ganz konkret. Gewachsene Strukturen und Jahrhunderte alte Dörfer sollen dem Erdboden gleichgemacht werden. Als Christ muss man eine Position beziehen und sagen: Das geht so nicht.

Das Interview führte Anita Hirschbeck.


Quelle:
KNA