Klimaschutz-Index: Germanwatch fordert mehr internationale Anstrengungen

"Viel Luft nach oben"

International gibt sich Deutschland gern als Vorreiter beim Klimaschutz. Doch Umweltschützer bewerten die Klimapolitik der Bundesregierung nur als "mäßig". Germanwatch fordert Nachbesserungen bei Klimapaket und Kohleausstieg.

CO2-Emissionen durch ein Kraftwerk / © Frank Rumpenhorst (dpa)
CO2-Emissionen durch ein Kraftwerk / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Klimaschutz-Index teilt die Länder in fünf Kategorien ein: Sie werden im Hinblick auf ihre Klimaschutz-Maßnahmen von "sehr schlecht" bis "sehr gut" bewertet. Erstaunlich ist, dass kein einziges Land die Bewertung "sehr gut" erhalten hat. Warum ist das so?

Ursula Hagen (Germanwatch): Wie auch in den Vorjahren sind leider die ersten drei Plätze in unserem Ranking weiterhin nicht belegt, da noch kein Land genug tut, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie denn die Ergebnisse des Klimaschutz-Index 2020 insgesamt?

Hagen: Eine positive Entwicklung ist, dass in mehr als der Hälfte der Länder, die wir in unserem Index betrachten, die Emissionen sinken. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass weltweit der Kohleverbrauch sinkt und auch, dass der Boom der erneuerbaren Energien ungebrochen bleibt. Allerdings ist es insgesamt so, dass noch kein Land genug tut. Da ist weiterhin auch bei den Vorreitern in unserem Index viel Luft nach oben.

DOMRADIO.DE: Schweden steht an der Spitze der Liste. Die USA sind Schlusslicht. Warum sind die Schweden so gut in Sachen Klimaschutz und die USA so schlecht?

Hagen: Schweden hat schon vor geraumer Zeit angefangen, die Energiepolitik des Landes systematisch umzustellen und am Klimaschutz zu orientieren. Schweden hat eine der höchsten CO2-Steuern weltweit, hat das ambitionierte Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden und hat auch erhebliche Fortschritte gemacht, Emissionen im Verkehrsbereich einzusparen. Wie gesagt, reicht auch das leider noch nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen.

Aber gerade, wenn man die Bemühungen in Schweden mit einem Land wie den USA vergleicht, das dieses Jahr das Schlusslicht unseres Index ist, sieht man natürlich, dass hier viel mehr passiert. Die USA haben in diesem Jahr offiziell den Prozess gestartet, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Die Regierung fährt alle Anstrengungen zurück, die unter Präsident Obama auf den Weg gebracht wurden. Die Pro-Kopf Emissionen der USA sind aktuell immer noch auf einem doppelt so hohen Niveau wie beispielsweise die der Europäischen Union. Daher kommt es jetzt gerade für die USA sehr stark darauf an, wie die nächsten Wahlen ausgehen und inwieweit Klimaschutz wieder eine höhere Priorität bekommt.

 

 

DOMRADIO.DE: Deutschland steht auf Platz 23 von 58 erfassten Ländern. Das entspricht der Bewertung "mäßig". Kann sich Deutschland über diese Bewertung freuen?

Hagen: Deutschland ist nach wie vor im Mittelfeld der großen Emittenten. Die Emissionen gehen zwar leicht zurück, aber von Deutschland ist eigentlich sehr viel mehr zu erwarten und auch sehr viel mehr nötig. Deutschland ist kein Vorreiter im Klimaschutz.

Der Beschluss zum Kohleausstieg und auch das Klimapaket in diesem Jahr weisen zwar in die richtige Richtung. Aber gemessen an der notwendigen Geschwindigkeit, die es braucht, um die Ziele von Paris zu erreichen, reicht das einfach noch nicht aus. Darum ist es für Deutschland nun besonders wichtig, dass die vorgeschlagenen Maßnahmenpakete nachgebessert werden, damit Deutschland auf den Weg kommt, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielen denn die G20-Länder mit Blick auf den Klimaschutz weltweit? Immerhin haben ja nur zwei der G20-Länder ein gutes Ergebnis und acht ein sehr schlechtes Ergebnis erreicht.

Hagen: Unser Index zeigt, dass die G20-Staaten, auf die knapp 80 Prozent der globalen Emissionen entfallen, weiterhin sehr schlecht abschneiden. Insbesondere Australien, Saudi-Arabien, aber auch die USA geben hier wirklich ernüchternde Werte ab - bei den Emissionen, bei den erneuerbaren Energien, aber auch bei der Klimapolitik. Da sehen wir leider teilweise keine wirklichen Anzeichen, dass ernsthafte Klimapolitik zeitnah in Gang kommt.

DOMRADIO.DE: Der Klimaschutz Index soll internationale Klimapolitik transparenter machen. Voraussetzung dafür, dass ein Land im Index erfasst wird, ist ein Anteil von mindestens einem Prozent an den weltweiten Emissionen. Afrikanische Länder tauchen somit in dem Index fast nicht auf. Spielen diese Länder keine Rolle beim Klimaschutz?

Hagen: Diese Länder spielen natürlich eine Rolle beim Klimaschutz - gerade die Länder, die jetzt noch einen Weg vor sich haben, sich zu entwickeln. Es geht vor allem darum, dass diese Entwicklung klimaneutral ermöglicht wird. Und da kommt natürlich auch den Industrienationen eine tragende Rolle zu, die diese Entwicklung finanziell unterstützen müssen. 

Das Interview führte Martin Bornemeier.


Quelle:
DR
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