Hochwasser in Venedig: Ist der Markusdom in Gefahr?

"Das Wasser hat Schaden angerichtet"

Wasser, so weit das Auge reicht: Venedig wird von einem Rekord-Hochwasser heimgesucht. Der Bürgermeister schiebt das auf den Klimawandel und will am Abend den Notstand ausrufen. Wie schlimm steht es um die Lagunenstadt und den Markusdom?

Enormes Hochwasser auf dem Markusplatz in Venedig / © Luca Bruno (dpa)
Enormes Hochwasser auf dem Markusplatz in Venedig / © Luca Bruno ( dpa )

DOMRADIO.DE: Hochwasser sind die Menschen in Venedig gewohnt – jetzt heißt es, es ist ungewöhnlich hoch und viel. Der Präsident der Region Venetien sprach von "apokalyptischen Zuständen". Wie äußert sich das?

Johannes Sparsbrod (Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Venedig): Das äußert sich so, dass die Straßen und Gassen überflutet werden. Die Leute haben Stiefel an, die ihnen bis zu den Hüften gehen. Die Touristen kaufen sich schnell Gummistiefel am Kiosk, wo es auch Regenschirme gibt, wie man das gewohnt ist. Einige Geschäfte sind offen, aber viele haben vor ihren Türen Metallschutzplatten angeschraubt, die das Reinlaufen des Wassers verhindern sollen.

Gestern Nacht hat der Strom gewackelt. Meine Lampe flackerte immer mal ein bisschen, da dachte ich: "Hoffentlich hält der Strom auch." Das wäre schlimm, wenn der Strom ausfällt, weil da Heizung, Internet und die ganze Kommunikation dranhängen. Und die Kinder haben schulfrei. Auch mein Sprachkurs fällt aus.

Es gibt aber keine Panik. Es ist sehr ruhig in der Stadt. Aber ich habe heute die Bilder im Internet gesehen, wo auch einige Boote auf den Straßen stehen, einige Gondeln verquert in den Gassen sind. Ich habe ein Bild gesehen mit einer Marke vom großen Hochwasser von 1966. Diese Wassermarke ist noch nicht überschritten worden.

DOMRADIO.DE: Der Markusplatz und der Markusdom stehen ja auch unter Wasser. Das passiert doch eher selten?

Sparsbrod: Das weiß ich nicht ganz genau. Ich bin noch nicht so lange hier. Aber soweit ich gehört habe, ist der Markusplatz der tiefste Punkt Venedigs, sodass, wenn was passiert, es da passiert. Ich glaube für den Markusplatz ist es nicht so ungewöhnlich. Aber es ist in dieser Nacht ungewöhnlich hoch gewesen. Besonders durch den großen Wind ist sehr viel Wasser reingedrückt worden.

DOMRADIO.DE: Wie gefährlich kann denn das Wasser dem Markusdom werden? Es gibt ja wichtige Kirchen und Kulturgüter, die nicht in Sicherheit gebracht werden können.

Sparsbrod: Ich habe gelesen, dass das Wasser schon Schaden im Markusdom angerichtet hat. Ich kenne nicht alle Kunstgegenstände so genau dort. Ich gehe aber davon aus, dass die Verantwortlichen durch die Erfahrungen der letzten Jahre dort auch Vorkehrungen treffen werden bzw. getroffen haben.

Ich kann aber vielleicht etwas von unserer lutherischen Kirche erzählen. Heute Morgen war ich dort, als das Hochwasser zurückgegangen war. Gegen halb acht war ich in der Kirche und dachte auch, dass ich da böse Überraschungen sehe. Ich habe dann aber die Kirchentür geöffnet: Und die Kirche war zwar nicht trocken, aber sie war fast wasserfrei. Das Wasser aus einer kleinen Ecke habe ich mit einem Eimer schnell zusammen gewischt.

Wir haben da auch wertvolle Holztruhen und Stühle stehen, die gerade in diesem Jahr für sehr viel Geld renoviert worden sind. Auch die blieben unbeschädigt. Zum Glück auch der Inhalt dieser Truhen. Wir haben da Bücher drin und Tücher, die wir für die Kirche verwenden. Das war alles trocken. Da war ich sehr beruhigt und erleichtert.

Ich habe gerade mit Nachbarn gesprochen, die auch zu unserer Gemeinde gehören, wie einem Bootsbaumeister. Und der hat seine ganzen elektrischen Geräte hochgestellt und geschützt. Es fehlten zwei Zentimeter, dann wäre auch in seine Werkstatt Wasser geflossen, was schlimm für ihn gewesen wäre.

DOMRADIO.DE: Der Bürgermeister von Venedig macht den Klimawandel für das außergewöhnliche Hochwasser verantwortlich. Wie sehen Sie das?

Sparsbrod: Das sehe ich auch so. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Klimawandel immer mehr spürbar wird.

Am Montag war Martinstag, wir waren mit etwa 30, 40 Leute in der Kirche, und die sagten mir: "Du pass auf, Du bist neu hier. Morgen kommt das Hochwasser und bisher war das noch nicht so hoch angekündigt. Aber in den letzten Jahren ist es häufiger gekommen und es hat sich auch verstärkt." Das ist für mich ein deutliches Zeichen, dass der Klimawandel auch hier immer stärker spürbar wird und ankommt.

DOMRADIO.DE: Bürgermeister Brugnaro will heute Abend den Notstand ausrufen. Was bedeutet das?

Sparsbrod: Ich vermute, dass es eine Möglichkeit ist, bestimmte Hilfeleistungen und bestimmte Regelungen für die Stadt einzurichten. Die Vaporettos (Wassertaxis, Anm.d. Red.) fahren ja nicht. Das heißt, es sind Leute festgesetzt, die hier auf dem Lido oder auf den Inseln wohnen. Die müssen versorgt werden. Ich denke, es ist wichtig, dass die Versorgung gesichert ist, auch für die älteren Leute, die nicht so mobil sind. "Mobil sein" heißt ja in Venedig entweder mit dem Boot unterwegs zu sein oder zu Fuß.

Und ich denke, dass es wichtig ist, dass man dafür sorgt, dass die Müllabfuhr funktioniert. Sie müssen sich vorstellen, jeden Tag wird der Müll in jedem Haus abgeholt. Das muss ja weitergehen. Auch das Telefon funktioniert im Moment nicht. Für Leute, die kein Handy haben, ist das schwierig.

Das Interview führte Martin Bornemeier.


Überschwemmungen in Venedig: Überfluteter Eingangsbereich zum Markusdom / © Luca Bruno (dpa)
Überschwemmungen in Venedig: Überfluteter Eingangsbereich zum Markusdom / © Luca Bruno ( dpa )

Arbeiter räumen im Inneren des Markusdoms auf / © Luca Bruno (dpa)
Arbeiter räumen im Inneren des Markusdoms auf / © Luca Bruno ( dpa )
Quelle:
DR