Soziologe Joas wünscht sich von Kirche "Checks and Balances"

Wie modernisierungsfähig ist die Kirche?

Für klare Führungs- und Kontrollstrukturen innerhalb der katholischen Kirche spricht sich der Soziologe Hans Joas aus. Dabei seien hierarchische Strukturen nach wie vor wichtig, aber es müsste auch eine Fülle an dezentralen Strukturen entstehen.

Autor/in:
Von Annika Schmitz
Wie reformfähig ist die Kirche? / © Ja Crispy (shutterstock)
Wie reformfähig ist die Kirche? / © Ja Crispy ( shutterstock )

Sein Ideal wären "Checks and Balances" auf allen Ebenen von der Pfarrgemeinde über die Bistümer bis hin zur Weltkirche, sagte der Soziologe Hans Joas am Montag bei einer Online-Tagung der katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr. Die hierarchischen Strukturen müssten die Handlungsfähigkeit der Kirche im Sinne ihrer Ideale gewährleisten. Sie dürften jedoch nicht als Herrschaft verstanden oder praktiziert werden.

Joas sprach sich für globale Zentralität aus, wenn es um die grundlegenden Lehren des Glaubens gehe. Gleichzeitig brauche es eine Fülle dezentraler Spielräume auf all jenen Gebieten, "in denen doch auch bisher schon das Christentum unverkennbar vom Geist bestimmter Epochen und Kulturen geprägt ist". Dazu gehörten zum Beispiel Fragen von Homosexualität und der Rolle der Frau.

Menschenrechtsdefizite

Im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte stellte der Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, Thomas Söding, der Kirche eine "bescheidenere" Bilanz aus. Teilweise würden Menschenrechtsdefizite sogar theologisch überhöht, weil sie angeblich dem Unterschied zwischen Staat und Kirche geschuldet seien. Dies sei "schlechte Theologie", so Söding. Sie führe zu "jener Sakralisierung von Macht, die sich hinter der Maske der Heiligkeit verbirgt und zu Missbrauch wie zu dessen Vertuschung beiträgt".

Es sei unterkomplex, so der Professor, wenn im Kirchenrecht nur von Gewaltenunterscheidung die Rede sei. Hinreichend sei nur, wenn auch von Gewaltenteilung gesprochen werden könne: "Denn wenn in der Kirche das ganze Leben geteilt wird, der ganze Glaube, dann ja wohl auch die Gewalt, die Vollmacht, die im Namen Jesu ausgeübt wird."

Demokratiefähigkeit

Letztlich gehe es um die Frage nach der Demokratie- und Modernisierungsfähigkeit der Kirche überhaupt, erklärte die Professorin für Dogmatik an der Universität Tübingen, Johanna Rahner. "Das zu erkennen und das Ruder noch herumzulegen, dazu wird die Zeit knapp - wenn wir es nicht tun, ist das das Ende der katholischen Kirche, wie wir sie heute kennen." Die Grundprinzipien des modernen demokratischen Staats gehörten zum Kerngeschäft von Kirche und machten ihre strukturellen Defizite umso fataler.

Trennung Rechtshoheit und Weiheamt

Für eine stärkere Trennung von Rechtshoheiten und Weiheamt plädierte der Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Münster, Norbert Köster. Vor dem 19. Jahrhundert sei dies selbstverständliche Praxis gewesen. "Ich glaube, dass die Bischöfe die Delegation der Jurisdiktion weiter verfolgen müssen", sagte der katholische Theologe.

Noch bis Dienstag findet die von der "Wolfsburg" organisierte Fachtagung "Macht, Partizipation und Gewaltenteilung - Was ist in der katholischen Kirche möglich?" mit rund 110 Teilnehmenden statt. Die Veranstaltung ist als internationale Tagung zum Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland - dem Synodalen Weg - konzipiert.


Quelle:
KNA