Französische Theologin bewirbt sich auf Kardinalsnachfolge

"Warum kann ich nicht Bischöfin werden?"

Seit dem Amtsverzicht von Kardinal Philippe Barbarin ist die Stelle als Erzbischof im französischen Lyon vakant. Die Theologin Anne Soupa hat nun ihre Initiativbewerbung für die Position eingereicht. Im Interview erklärt sie ihre Motivation.

Anne Soupa / © Corinne Simon (KNA)
Anne Soupa / © Corinne Simon ( KNA )

KNA: Warum haben Sie sich auf die Stelle als Erzbischof beworben?

Anne Soupa (Theologin und Journalistin): Papst Franziskus hat in seinem Schreiben "Evangelii Gaudium" mehr Maßnahmen im Kampf gegen Klerikalismus gefordert. Zudem mahnte er eine bessere Unterscheidung zwischen Verwaltungsfunktionen und Weiheamt an. Die Leitung einer Diözese beinhaltet auch geistliche Aufgaben. Diese können auch von Laien ausgeführt werden, männlichen oder weiblichen. Die Kirche in Frankreich hat bislang keine Maßnahmen gegen Klerikalismus ergriffen. Unsere Kirche macht mit dem gleichen Modell einfach weiter, obwohl es nicht funktioniert.

KNA: Die Vollversammlung der französischen Bischöfe hat im Herbst einen ersten Schritt gemacht und Laien eingeladen.

Soupa: Das reicht nicht aus. Die Laien, die eingeladen waren, haben nur über ökologische Fragen diskutiert. Man hat sie nicht eingeladen, um darüber zu diskutieren, wie die Kirche in Zukunft verwaltet werden soll. Wir haben nicht über die institutionelle Struktur der Kirche diskutiert.

KNA: Wie sähe die für Sie idealerweise aus?

Soupa: Deutschland hat bereits eine sehr gute Struktur mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), das die Laien repräsentiert. Das gibt es in Frankreich nicht; es wäre aber ein guter Schritt. Daher haben wir etwa den früheren ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper im März nach Frankreich eingeladen. Wir waren beeindruckt vom Reichtum dieses Modells. Aber insgesamt bin ich überzeugt, dass wir noch weiter gehen müssen bei der Verantwortung für Laien in der Kirche. Warum sollten Laien nicht die Leitung einer Diözese übernehmen können?

KNA: Warum glauben Sie, die Richtige für die Nachfolge von Kardinal Philippe Barbarin in Lyon zu sein?

Soupa: Ich bin nicht perfekt für Lyon - und auch nicht für eine andere Sache in meinem Leben. Das Erzbistum Lyon steht sinnbildlich für eine fehlgeschlagene Verwaltung. Dort herrschte Chaos; vier Bischöfe haben es nicht geschafft, Ordnung zu schaffen, besonders mit Blick auf die Missbrauchsfälle. Sie haben das Problem der Pädokriminalität nicht gesehen. Lyon ist das Ergebnis einer Verwaltungsstruktur, die nicht mehr in diese Zeit passt.

KNA: Was wollen Sie mit ihrer Bewerbung erreichen?

Soupa: Ich erwarte, dass die Kirche sich der Missstände bewusst wird. Die Frauen sind die großen Verlierer der Kirche heutzutage. Die Situation der Frauen in der Kirche ist skandalös. Ich will, dass auch die Frauen sich bewusst werden und fragen: warum nicht ich? Warum kann ich nicht Bischöfin werden?

KNA: Sicher haben Sie von der Bewegung Maria 2.0 in Deutschland gehört.

Soupa: Was die Frauen in Deutschland mit Maria 2.0 angestoßen haben, ist toll. Auch in der Schweiz gibt es Frauen, die sehr mutig Position bezogen haben. Ich finde es schade, dass wir in Frankreich nicht die gleiche Stärke haben wie die katholischen Frauen in Deutschland. Bei uns gibt es keine "Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands" (KFD) - aber wir haben auch eine andere Kultur. Die Katholikinnen in Frankreich sind individualistischer, und es ist viel schwieriger, sie zu mobilisieren. Es wäre aber sehr gut, wenn sie sich besser vernetzen würden.

KNA: Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Bewerbung erhalten?

Soupa: Das Medienecho war groß, das hat mich gefreut. Man muss in die Medien gehen. Klar, die Reaktionen sind vielfältig - von Kritik bis Lob. Doch die Debatte hilft, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Die Kirche in Frankreich steht den Medien eher kritisch gegenüber. Aus der Kirche selbst kam keine Reaktion - aber das hatte ich auch nicht erwartet.

Das Interview führte Franziska Broich.


Kardinal Philippe Barbarin / © Pierre-Antoine Pluquet (KNA)
Kardinal Philippe Barbarin / © Pierre-Antoine Pluquet ( KNA )
Quelle:
KNA