Ernannter Bischof von Augsburg zum Synodalen Weg

"Ich bin nicht der Knotenlöser"

Er lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Bertram Meier hat als zukünftiger Bischof von Augsburg Verständnis für Reformer und Konservative. Lange Jahre hat er im Vatikan gearbeitet und kennt auch den römischen Blick auf Deutschland.

Bertram Meier, ernannter Bischof von Augsburg / © Christopher Beschnitt (KNA)
Bertram Meier, ernannter Bischof von Augsburg / © Christopher Beschnitt ( KNA )

DOMRADIO.DE: Es fällt den Journalisten schwer, Sie in eine kirchenpolitische Schublade zu stecken. Sie haben eine enge Verbindung nach Rom, unter anderem haben Sie die deutsche Abteilung im vatikanischen Staatssekretariat geleitet. Auf der anderen Seite stehen Sie positiv dem Synodalen Weg gegenüber, setzen sich für mehr Verantwortung für Frauen und Laien ein. In der katholischen Kirche in Deutschland herrscht insgesamt Uneinigkeit. Wie kann man die überwinden?

Prälat Dr. Bertram Meier (Ernannter Bischof von Augsburg): Also ich bin nicht der Knotenlöser für die Kirche in Deutschland. Zunächst einmal möchte ich mit viel Herzblut und Begeisterung meinen Dienst in Augsburg anfangen, aber das, was wir auch in Augsburg erleben ist ja nicht unbekannt. Ein Beispiel: Wir haben auf der einen Seite die Bewegung Maria 2.0, und gleichzeitig haben wir Protagonistinnen der Gruppe Maria 1.0. Es ist nicht unbedingt einfach, die an einen Tisch miteinander zu bringen, aber der Bischof muss sich dazwischen stellen. Er muss versuchen, im Dialog mit beiden zu bleiben. Auch auf die Gefahr hin, dass man für die einen zu viel und für die anderen zu wenig tut und erneuert.

So ähnlich sehe ich das jetzt auch für Deutschland. Ich glaube, wir müssen eine Stufe tiefer gehen. Strukturen sind das eine, aber das wichtigere ist eine geistliche Erneuerung. Auch zu schauen, wie sieht die Spiritualität in der Kirche in Deutschland aus? Ich kann mich noch erinnern: Als die Familiensynode in Rom war, gab es auch Parteibildungen, ja fast Blöcke der Synodenväter. Das hat zu bröckeln angefangen, als die Synodenväter und Experten eingeladen waren, von ihren eigenen Ehe- und Familien-Erfahrungen zu erzählen. So wie sie sie im privaten Bereich erlebt haben. Auch ein Bischof ist eingebunden in familiäre Verflechtungen, Verwandtschaften und Freundeskreise. Bei der Synode hat man sich dann besser miteinander und untereinander verstanden, auch in der Argumentation. Und so sehe ich das auch hier beim Synodalen Weg.

Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir den Mut haben, uns nicht nur an Geschäftsordnungen und Foren abzuarbeiten, sondern tiefer steigen und auch dahin kommen, uns von den Erfahrungen zu erzählen, die uns Feuer und Flamme haben werden lassen für die Kirche. Auch Leute, die jetzt negativ sprechen, waren mal Feuer und Flamme. Andererseits müssen wir uns aber auch erzählen, wo Kirche uns verletzt hat. Missbrauch ist nur die Spitze des Eisberges. Es gibt viele Verletzungen, Verwundungen, wo die Kirche nicht heilsames Werkzeug Gottes war, sondern eher Wunden gerissen hat.

Wenn wir diese Geschichten einander erzählen können, dann werden wir auch wegkommen davon, uns den rechten Glauben abzusprechen, uns in Schubladen zu stecken. Ich glaube, dass das eine gemeinsame Basis sein kann, um zu schauen: Was ist realistisch möglich, um die Kirche in Deutschland zu erneuern? Nicht im Sinne eines “Weg-spiritualisierens“, sondern im Sinne eines gesunden Realismus. Wir haben Profil als Kirche in Deutschland einerseits, wofür uns viele auch beneiden, selbst in Rom, im Vatikan. Andererseits müssen wir aber auch schauen, wie halten wir die Kirche in Deutschland in diesem großen Netz der Weltkirche? Die tickt auch unterschiedlich.

DOMRADIO.DE: Können Sie denn die Ressentiments der Weltkirche oder aus dem Vatikan nachvollziehen? Sie haben ja auch den Blick von der anderen Seite.

Meier: Ich kann das nachvollziehen, aber ich versuche auch immer wieder abzufedern im Gespräch. Ich kenne das auch aus meiner Studienzeit und dann aus meiner Arbeit im Vatikan. Wenn von jenseits der Alpen Reformbestrebungen kommen, die manchmal auch an reformatorische Ideen erinnern, dann läuten in Rom alle Alarmglocken, weil Martin Luther für viele fast ein Gespenst ist. Nach dem Motto: Wir haben in Deutschland bereits in der Symbolfigur Martin Luther eine Reformation erlebt. Deshalb wittern manche römische Spürnasen auch die Gefahr einer Protestantisierung der Kirche in Deutschland.

Aber so dramatisch sehe ich die ganze Lage überhaupt nicht. Auch wenn man differenziert mit römischen Freunden spricht, dann wird auch diese Position oft sehr holzschnittartig rübergebracht. Deshalb, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass auch immer wieder die “Germanen“ mit den Römern im Dialog stehen. Dass die Römer erklären können, was ihre Ängste sind, dass sie auch nicht irgendwie mit Verboten auftreten, zumindest dem Eindruck nach. Auch, dass wir von Deutschland aus erklären: Uns geht es nicht um eine Substanz-Reform der katholischen Kirche. Wir wollen nicht rütteln an der sakramentalen Grundstruktur. Für uns ist klar, dass die Verkündigung des Evangeliums oberste Priorität hat, gerade auch für einen Bischof. Wir wollen auch weiterhin das Evangelium Jesu Christi nach vorne bringen.

Das ist nicht nur irgendwo ein Schlagwort. Da gibt es viele Weisen und Möglichkeiten. Wenn es uns gelingt, solche kleinen und großen Brückenbauer über die Alpen hinweg zwischen “Germanen“ und Römern zu haben, dann ist das die halbe Miete, dass wir auch unseren Synodalen Weg gut in die Zukunft führen. Da bin ich mir ganz, ganz sicher. Und so ein kleiner Brückenbauer hoffe ich auch sein zu dürfen.

DOMRADIO.DE: Es gibt eine große Debatte um Frauen in der Kirche. Sie haben im Jahr 1999 sogar ein Buch über Frauen im Neuen Testament geschrieben. Sie stehen jetzt in einer Position, in der Sie das Bistum neu ordnen können. Wie wollen Sie mehr Frauen oder Laien in die Verantwortung zu nehmen?

Meier: Wichtig ist, dass wir einerseits nicht an den Zulassungsbedingungen von Frauen zur Weihe rütteln. Das ist Mitte der 1990er Jahre einfach durch das apostolische Schreiben "Ordinatio sacertotalis" fixiert worden.

Wenn wir jetzt die Diakonatsfrage diskutieren, dürfen wir nicht das eine Sakrament des Ordo auseinanderreißen. Das, glaube ich, ist auch nicht von Erfolg gekrönt, weil das Zweite Vatikanum von einem Weihesakrament in drei Stufen spricht. Man kann durchaus forschen, ich sehe aber nicht, dass man hier realkirchenpolitisch weiterkommt.

Wir sollten aber alles tun, um Frauen noch mehr ins Spiel zu bringen. Jetzt war ich sechs Jahre Leiter des bischöflichen Seelsorgeamtes und habe hier bereits eine Organigrammreform nach meinem Jahr im Dienst durchgeführt. Ich habe von 13 Abteilungen sechs gestaltet. Dort sind drei Männer, davon ein Priester, zwei Laien und drei Frauen Abteilungsleiter. Das ist schon mal ganz, ganz viel.

Ich glaube, da müssen wir weiterdenken, dass wir auf der Ebene der Hauptabteilungsleiter und Abteilungsleiter noch mehr Frauen reinbringen. Und damit meine ich nicht nur administrativ, sondern auch mit dem Charisma der Frauen und der Spiritualität der Frauen. Das gehört auch in ein Ordinariat, und zwar nicht nur in eine Abteilung "Spirituelle Dienste". Denn in der Argumentation, in der Entscheidungsfindung, auch in der Durchsetzung von Entscheidungen tun uns Frauen wirklich gut.

Bei einem Besuch in Rom habe ich ein sehr interessantes Gespräch über dieses Thema mit einem mittlerweile pensionierten Kurienkardinal geführt. Er hat mir gesagt, er könnte sich an der Kurie noch viel mehr Frauen vorstellen.

Eine ehemalige Kollegin, eine Juristin, die mit mir im Staatssekretariat in den 1990er Jahren gearbeitet hat, ist mittlerweile im Staatssekretariat Untersekretärin geworden. Das ist immerhin die Nummer drei in diesem Staatssekretariat: Wir haben oben einen Kardinal, dann drei Erzbischöfe, und auf dieser dritten Führungsebene ist eine Juristin als Frau. In der Richtung müssen wir weitermachen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Das komplette Interview (25 min.) gibt es hier zum Nachhören.


Quelle:
DR
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