Im "Gesprächsprozess" geht es auch um die Glaubenskrise

Bischöfe suchen neue Wege

In einem bis 2015 angelegten Gesprächsprozess sollen die teilweise recht unterschiedlichen Visionen von der Zukunft der Kirche in den Zeiten der Glaubenskrise miteinander ins Gespräch gebracht werden. Die zweite Etappe dieses Prozesses findet am Freitag und Samstag in Hannover statt. Hauptthema soll diesmal die sozial-karitative Rolle der Kirche in der modernen Gesellschaft sein.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
 (DR)

"Schmerzliche Tatsache ist, dass viele Christen bei dem stürmisch erfolgten Übergang zu einer neuen Lebensform und Arbeitsweise die Verbindung mit der Kirche verloren und ihr religiöses Leben aufgegeben haben." Mit diesen dramatischen Worten beschrieben die deutschen katholischen Bischöfe vor 50 Jahren, am 29. August 1962, die Lage der Kirche in Deutschland auf dem Höhepunkt des Wirtschaftswunders. Es war die Zeit der noch schleichenden Glaubenskrise in Westeuropa, die sich - etwa in Deutschland - in allmählich sinkenden Zahlen von Gottesdienstbesuchern bemerkbar machte.



Anlass für das Schreiben war die bevorstehende Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 - 1965). In dieser Versammlung aller katholischen Bischöfe in Rom wollte die Kirche einen Weg finden, ihren fast 2.000 Jahre alten Glauben so zu formulieren und zu vertiefen, dass er für die Zeitgenossen wieder anziehend und einladend werden konnte. Damals hofften der Papst und die meisten Bischöfe, dass es ihnen gelingen wurde, die zunehmende Entfremdung vieler Menschen vom christlichen Glauben und von der Kirche nicht nur aufzuhalten, sondern sie umzukehren. Kirche und Moderne sollten einander entdecken und ergänzen, statt sich voneinander abzugrenzen.



Tatsächlich veränderte das Konzil vieles in der Kirche, doch die erhoffte Versöhnung zwischen moderner Welt und Kirche erreichte es nicht. Ein Indiz: Die Zahl der Gottesdienstbesucher ging auch nach dem Konzil zurück. Die Quote der Kirchgänger sank von etwa 50 Prozent im Jahr 1950 auf inzwischen 12 Prozent. So verwundert es nicht, dass die deutschen Bischöfe sich etwa 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in ihrer Einladung zum sogenannten Gesprächsprozess erneut dramatisch zur Lage der Kirche und des Glaubens äußerten. "Der Wandel der Lebensverhältnisse stellt viele Selbstverständlichkeiten in Frage - gerade auch unseres religiösen Lebens und gewachsenere Traditionen. Gewohntes und bislang Tragendes bricht weg, oft in erschreckendem Ausmaß."



Offen sprechen die Bischöfe von einer Krise, verbinden dies aber mit der Bemerkung, dass Krisen auch "besondere Gnadenzeiten" sein

können: "Sie lenken den Blick auf das Wesentliche. Sie rufen zur Besinnung und zu neuer Entschiedenheit. Ein halbes Jahrhundert nach dem Reformkonzil scheint die Krise ihnen dramatisch zugespitzt, die Kirche uneins. Die Bischöfe schreiben: "Wir sehen die reale Gefahr, dass wir uns in unserer Kirche so zerstreiten, dass Brücken abgebrochen und bestehende Einheit aufgegeben werden."



Papst: "Tiefe Glaubenskrise, die viele Menschen befallen hat"

Auch in Hannover wird es wieder um die schwierige Frage von Einheit und Vielfalt in der Kirche gehen. Obwohl die Glaubenskrise und die daraus resultierenden Flügelkämpfe nicht überall in der katholischen Weltkirche so dramatisch sind wie in Deutschland, hat Benedikt XVI. von Oktober 2012 an ein weltweites "Jahr des Glaubens" für die Kirche ausgerufen. Dabei stimmt die globale Analyse des Papstes in vielen Punkten mit dem überein, was die deutschen Bischöfe diagnostizieren. In seinem Apostolischen Schreiben "Porta fidei" vom Oktober 2011 spricht auch er von einer "tiefen Glaubenskrise, die viele Menschen befallen hat".



Als Gegenmittel fordert er die Bischöfe auf, die Grundlagen des Glaubens, wie sie im Katechismus der katholischen Kirche 1992 verbindlich festgeschrieben wurden, den Gläubigen wieder nahezubringen. Und auch der Papst setzt - unter anderem - auf Gespräche. Im Oktober sollen, fast genau 50 Jahre nach der Konzilseröffnung, rund 300 Bischöfe aus aller Welt im Rahmen der Bischofssynode beraten. Zentrales Thema ist die "Neuevangelisierung für die Weitergabe des christlichen Glaubens".