Kardinal Woelki zum Richtungsstreit in katholischer Kirche

"Wir brauchen mehr Kirche, keine neue"

Wohin soll die katholische Kirche steuern? Das Zölibat abzuschaffen und Frauen zum Priesteramt zuzulassen, bringe nicht die Lösung, mahnt Kölns Kardinal Woelki. Stattdessen müsse sich die Kirche treu bleiben.

Rainer Maria Kardinal Woelki / © Julia Steinbrecht (KNA)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Missbrauch, sinkende Mitgliedszahlen und Kritik von fast allen Seiten: Die katholische Kirche befindet sich in stürmischen Zeiten. Die größte Herausforderung liege aber woanders, betonte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. In einem Interview mit dem Sender EWTN sagte er, dass die Hauptaufgabe darin bestünde, die Gottesfrage in der Gesellschaft "insgesamt lebendig zu halten". 

Immer mehr Menschen bräuchten Gott nicht mehr in ihrem Leben, bemängelte der Kardinal. "Und hier hat die Kirche eine ganz wichtige Aufgabe, deutlich zu machen, dass Gott ist und dass Gott im Grunde genommen der Urgrund von allem ist."

Diese Gottesfrage äußere sich in Deutschland vor allem in der Missbrauchskrise. Viel Vertrauen sei verloren - sowohl innerhalb der Kirche wie auch außerhalb der Kirche. Nicht nur der Vertrauensverlust müsse aufgearbeitet werden, sondern auch "wie das mit dem Missbrauch Verbundene".

Quo vadis, Kirche?

In Deutschland habe der Missbrauchsskandal zudem zu einem Richtungsstreit beigetragen. "Es gibt Stimmen, die jetzt denken, dass es an der Zeit ist, alles das, was bisher war, über Bord zu werfen. Es sind die alten Zeiten, die jetzt nicht mehr existieren sollen", skizzierte Woelki die eine Seite, von der er sich distanziere. Denn: Die Kirche stehe gerade auch für das Überzeitliche. "Es ist nicht unsere Aufgabe, jetzt selber eine neue Kirche zu erfinden."

Besondere Verantwortung, das Glaubensgut der Kirche, so wie es von den Aposteln her überkommen ist, zu bewahren, komme den Bischöfen zu, mahnte Woelki. Bewahren bedeute dabei aber auch, die Glaubenslehre "in die Zeit hinein zu sagen und neu zu verkünden und auch für die nach uns folgenden Generationen zu bewahren". 

"Wir Christen dagegen"

Wie sich Kirche erneuern könne, habe schon der Apostel Paulus ganz deutlich gesagt: "Wir Christen dagegen" statt "Wir Christen auch". Laut Woelki müssen Christen "so etwas wie eine alternative Kultur" bilden, "die sich ausrichten muss alleine an den Maßstäben des Evangeliums und am Willen Jesu Christi."

Dazu reiche es nicht, den Zölibat abzuschaffen und Frauen zu den Ämtern zuzulassen. "Und es ist auch nicht damit getan, zu sagen, wir müssen eine neue Sexualmoral haben", mahnte Woelki und gab sich kämpferisch: Das Evangelkium sei und bleibe Maßstab. "Das ist eine Herausforderung, der müssen wir uns stellen. Und es kann nicht sein, dass wir einfach davor zurückweichen."

Katholiken sollen Lebensschützer sein

Konkreter fasste sich der Kardinal zum umstrittenen Paragrafen 219a, der Werbung für Abtreibung verbietet. Es sei "verrückt" für einen Straftatbestand legal werben zu dürfen, so Woelki. Dem Gesetz nach sei und bleibe Abtreibung strafbar, betonte er und räumte aber ein: "Es ist zu befürchten, dass in den nächsten Jahren erneut die Frage nach Abtreibung und der Selbstverständlichkeit, die damit oft verbunden ist, wieder neu in den Mittelpunkt rücken wird."

Woelki sei dankbar über den Kompromiss, der im Streit um den Paragrafen gefunden werden konnte. Katholiken seien Lebensschützer, mahnte er. Das gelte nicht nur für ungeborenes Leben: "Gott sei Dank ist auch in Deutschland mit Blick auf die Euthanasie der freiwillig erbetenen Gang in den (assistierten) Freitod nicht möglich. Wir haben da Gott sei Dank in Deutschland noch Regelungen, die das so nicht zulassen."

Woelki sieht Hoffnungszeichen

In all den Herausforderungen seien aber durchaus auch Zeichen der Hoffnung sichtbar, freute sich der Kardinal. "Hoffnung gibt mir natürlich zunächst einmal, dass Christus ist und bleibt und er weiterhin der Herr der Kirche ist und dass uns sein Heiliger Geist zugesagt und zugesprochen ist." Deswegen müsse die Kirche auch nicht anfangen, "den Heiligen Geist spielen zu wollen."

Außerdem begegne er immer wieder jungen Menschen, die sich vom Glauben der Kirche haben entzünden lassen. "Und es sind die jungen Menschen, die eben dieses Mehr des Christlichen suchen, die eine Heimat haben in der Kirche, die eine Heimat haben in der Eucharistie, die von der Eucharistie und von der Anbetung her leben und die davon leben, dass sie sich von Christus in ihrem Leben berührt wissen." Auch das mache ihm Mut.


Quelle:
DR