Papst Franziskus wirft seinen Kritikern vor, eine Kirchenspaltung zu riskieren. Einwände müssten konstruktiv formuliert werden, betonte er. Auf dem Rückflug aus Afrika äußerte er sich am Dienstag (10.09.2019) sagte er, er habe "keine Angst vor Schismen". Jene, die sich absonderten, trennten sich "vom Glauben des Volkes Gottes". Die "Option des Schismas" gebe es immer in der Kirche. Gott lasse der menschlicen Freiheit immer Entscheidungsmöglichkeiten. Sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1870/71 bzw. 1962-1965) hätten sich Gruppen abgetrennt, sagte der Papst. Er verwies auf die späteren Altkatholiken und die Traditionalisten um Erzbischof Marcel Lefebvre, die beide mit dem Anspruch auftraten, die Rechtgläubigkeit gegen Neuerungen zu schützen.
Mit Blick auf Unmut konservativer US-amerikanischer Kreise über seinen Kurs sagte Franziskus, Kritik gebe es "ein bisschen von überall her, auch in der Kurie". Grundsätzlich begrüßte er Einwände als Anlass zu Selbstkritik. Allerdings müsse Widerspruch offen und konstruktiv sein, um im Dialog zu einem gemeinsamen Punkt kommen zu können.
Ihm gefalle nicht, wenn Menschen ihre Kritik im Verborgenen, aber nicht gegenüber dem Betreffenden äußerten. "Sie lächeln dich breit an, und dann stoßen sie dir den Dolch in den Rücken. Das ist nicht fair, das ist nicht menschlich", so Franziskus wörtlich. Kritik in der Art von "Giftpillen-Kritik" helfe nicht weiter; dies sei ein Mittel "kleiner Gruppen, die keine Entgegnung hören wollen". Wer sich einer Auseinandersetzung verschließe, handele nicht aus Liebe zur Kirche, so der Papst; und weiter: "Alle Schismatiker haben etwas gemeinsam: Sie trennen sich vom Volk, vom Glauben des Volkes Gottes."
Nachdrücklich verteidigte Franziskus eine Kontinuität seiner Soziallehre zu der von Johannes Paul II. (1978-2005). Der Rede von einem "zu kommunistischen" Papst warf er vor, Ideologien und katholische Lehre zu vermischen. Wenn "die kirchliche Lehre über Ideologien stolpert", werde Kirchenspaltung möglich, sagte der Papst.
Gleichzeitig warnte er vor einer "aseptischen Moral" in Kontrast zur "Moral des Volkes Gottes". Auch innerhalb der Kirche werde vielfach eine zu große Sittenstrenge vertreten; das entspreche aber nicht dem "gesunden Evangelium". (KNA, 10.09.2019)
12.09.2019
Vor allem bei konservativen Katholiken in den USA stoßen jegliche Reformbemühungen von Papst Franziskus auf offenen Widerstand. Vor der Amazonas-Synode werden die kritischen Stimmen immer lauter. Wer und was steckt dahinter?
DOMRADIO.DE: Was werfen konservative Katholiken in den USA dem Papst vor?
Klaus Prömpers (ehem. Leiter des ZDF-Studios New York): Das unterscheidet sich nicht groß von dem, was auch konservative Katholiken in Europa dem Papst vorwerfen. Es geht beispielsweise um seinen Umgang mit Homosexuellen. Viele erinnern sich wahrscheinlich an seine Worte: "Wer bin ich, darüber zu urteilen". Oder seine auch schriftlichen Äußerungen zur Wiederzulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion. Sein bedingungsloses Eintreten für die Armen und sein Eintreten für die Umwelt, all das sind Punkte, an denen sich viele konservative Kreise in den USA sehr stark stoßen. Angeleitet werden sie von prominenten Kardinälen oder Erzbischöfen, die gerne Front gegen den Papst machen.
Anlass für das Ganze war, dass ein französischer Journalist beim Hinflug dem Papst das Buch "How America wanted to change the Pope" in die Hand drückte. Also ein Buch darüber, wie die Amerikaner verhindern wollten, dass der Argentinier Bergoglio überhaupt zum Papst gewählt wurde.
DOMRADIO.DE: Während der Pressekonferenz im Flugzeug hat Papst Franziskus das Thema aufgegriffen und gesagt, er habe keine Angst vor einem Schisma, vor einer Kirchenspaltung. Warum kocht das ganze gerade jetzt so hoch?
Prömpers: Man muss das vor dem Hintergrund der Amazonas-Synode sehen, die im Oktober im Vatikan stattfinden wird. Da sind einige Elemente enthalten, die sehr vielen konservativen Katholiken sehr gegen den Strich gehen. Zum Beispiel, dass dort diskutiert werden soll, ob in Ausnahmefällen Verheiratete zu Priestern geweiht werden dürfen.
DOMRADIO.DE: Wie gefährlich können diese konservativen Kreise dem Papst denn werden?
Prömpers: Es ist durchaus möglich, dass Vergleichbares geschieht, wie damals nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Da hatte der französische Bischof Lefebvre die Konzilsentschlüsse nicht anerkannt und seine eigene Gruppe gegründet. Die Piusbruderschaft existiert bis heute. Papst Benedikt wollte die sogar fast einmal wieder zurückholen in den Schoß der katholischen Kirche. Das misslang ihm aber, weil unter den sogenannten Lefebvre-Bischöfen ein Holocaustleugner war.
Also, dass sich wieder irgendeine Gruppierung abspaltet, ist durchaus vorstellbar. Medial sind die Konservativen mittlerweile in Amerika sehr stark verbreitet, da gibt es Medien mit großer Reichweite, in denen konservative bis reaktionäre Theologen das Sagen haben.
DOMRADIO.DE: Glauben Sie, den Papst beunruhigt das?
Prömpers: Ich glaube nicht. Er hat da im wahrsten Sinne des Wortes Gottvertrauen, dass all diese Dinge, die da gegen ihn laufen, im Grunde nicht wirklich durchschlagend sind. Denn unter denen, die da in den USA versuchen gegen ihn zu rebellieren, sind häufig Menschen, die verquickt sind mit den ganzen sexuellen Verfehlungen der katholischen Kirche in den USA.
Erzbischof Carlo Maria Vigano beispielsweise, der ehemalige Nuntius in Washington, der vor Jahresfrist mit großem Tamtam geschrieben hatte, Franziskus habe von den Verfehlungen des früheren Kardinals von Washington, McCarrick, gewusst. Er konnte diesen Vorwurf nicht wirklich belegen. Und Franziskus ist auf diese Vorwürfe auch gar nicht eingegangen. Aber Vigano schreibt heute noch in rechten Zeitschriften und auf rechten Internetseiten, dass dieser Papst im Grunde weg gehört.
Die Tatsache, dass der Papst schließlich Kardinal McCarrick wegen sexueller Verfehlungen und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen aus dem Priesterstand entlassen hat, was ewig nicht vorgekommen ist in der Geschichte der Kirche, hat bei konservativen Katholiken einen großen Widerwillen gegen diesen Papst ausgelöst. Aber wenn sich Franziskus diese ganze Mischung ansieht, kann er etwas beruhigter auf das gucken, was da kommt.
DOMRADIO.DE: Können diese beiden Fronten überhaupt noch zueinander finden?
Prömpers: Sehr schwer vorstellbar. Man muss nicht unbedingt von einem Schisma reden, es ist so eine Art innere Emigration, die die konservativen Kreise in den USA teilweise betreiben. Sie leben in ihren eigenen Pfarrgemeinden ein Leben wie zu Zeiten vor dem Konzil. Die pflegen einen Umgang miteinander, der eigentlich überlebt ist und sich absondert wie eine Art Krebszelle in der Kirche. Ob sie wirklich wuchern wird, werden wir erleben.
Das Interview führte Verena Tröster.
Papst Franziskus wirft seinen Kritikern vor, eine Kirchenspaltung zu riskieren. Einwände müssten konstruktiv formuliert werden, betonte er. Auf dem Rückflug aus Afrika äußerte er sich am Dienstag (10.09.2019) sagte er, er habe "keine Angst vor Schismen". Jene, die sich absonderten, trennten sich "vom Glauben des Volkes Gottes". Die "Option des Schismas" gebe es immer in der Kirche. Gott lasse der menschlicen Freiheit immer Entscheidungsmöglichkeiten. Sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1870/71 bzw. 1962-1965) hätten sich Gruppen abgetrennt, sagte der Papst. Er verwies auf die späteren Altkatholiken und die Traditionalisten um Erzbischof Marcel Lefebvre, die beide mit dem Anspruch auftraten, die Rechtgläubigkeit gegen Neuerungen zu schützen.
Mit Blick auf Unmut konservativer US-amerikanischer Kreise über seinen Kurs sagte Franziskus, Kritik gebe es "ein bisschen von überall her, auch in der Kurie". Grundsätzlich begrüßte er Einwände als Anlass zu Selbstkritik. Allerdings müsse Widerspruch offen und konstruktiv sein, um im Dialog zu einem gemeinsamen Punkt kommen zu können.
Ihm gefalle nicht, wenn Menschen ihre Kritik im Verborgenen, aber nicht gegenüber dem Betreffenden äußerten. "Sie lächeln dich breit an, und dann stoßen sie dir den Dolch in den Rücken. Das ist nicht fair, das ist nicht menschlich", so Franziskus wörtlich. Kritik in der Art von "Giftpillen-Kritik" helfe nicht weiter; dies sei ein Mittel "kleiner Gruppen, die keine Entgegnung hören wollen". Wer sich einer Auseinandersetzung verschließe, handele nicht aus Liebe zur Kirche, so der Papst; und weiter: "Alle Schismatiker haben etwas gemeinsam: Sie trennen sich vom Volk, vom Glauben des Volkes Gottes."
Nachdrücklich verteidigte Franziskus eine Kontinuität seiner Soziallehre zu der von Johannes Paul II. (1978-2005). Der Rede von einem "zu kommunistischen" Papst warf er vor, Ideologien und katholische Lehre zu vermischen. Wenn "die kirchliche Lehre über Ideologien stolpert", werde Kirchenspaltung möglich, sagte der Papst.
Gleichzeitig warnte er vor einer "aseptischen Moral" in Kontrast zur "Moral des Volkes Gottes". Auch innerhalb der Kirche werde vielfach eine zu große Sittenstrenge vertreten; das entspreche aber nicht dem "gesunden Evangelium". (KNA, 10.09.2019)