Papst in Litauen: Brücken nicht Mauern errichten

"Einander in die Augen sehen"

Papst Franziskus hat in Litauen dazu aufgerufen, "Brücken und nicht Mauern zu errichten". Bei seiner Begegnung mit Gläubigen am Samstag in Vilnius lud er zum Gebet um die Fähigkeit ein, "ein Land aufzubauen, das alle aufzunehmen weiß".

Am "Tor der Morgenröte" in Vilnius: Papst Franziskus spricht zu den Gläubigen / © Vatican Media (KNA)
Am "Tor der Morgenröte" in Vilnius: Papst Franziskus spricht zu den Gläubigen / © Vatican Media ( KNA )

Die Christen sollten um "die Gaben des Dialogs und der Geduld, der Nähe und der Aufnahmebereitschaft" bitten, sagte Papst Franziskus bei einem Rosenkranzgebet vor der "Muttergottes der Morgenröte", einem der bedeutendsten Marienheiligtümer Nordosteuropas.

"Wir haben in unserer Vergangenheit zu viele Festungen gebaut"

Die Kapelle mit der zwei Meter hohen Marienikone befindet sich im Obergeschoss des "Tores der Morgenröte", des letzten verbliebenen Teils der ehemaligen Stadtbefestigung. Franziskus beschrieb diesen Rest der alten Wehranlage als ein Symbol, "dass wir uns schützen können, ohne anzugreifen; dass es möglich ist, wachsam zu sein, ohne dass man dazu krankhaft misstrauisch sein muss".

"Wir haben in unserer Vergangenheit zu viele Festungen gebaut. Heute aber spüren wir die Notwendigkeit, einander in die Augen zu sehen und uns als Brüder und Schwestern anzuerkennen", so der Papst. Wer sich aus Angst einschließe, beraube sich der Möglichkeit, die "Gute Nachricht Jesu" in den Geschichten und dem Leben anderer Menschen kennenzulernen.

Begrüßt wurde der Papst bei seinem Besuch auch von Metropolit Inocentas, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche Litauens. Der Sitz des Metropoliten liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Kapelle im "Tor der Morgenröte".

Papst erinnert an "Prüfungen und Leiden" der Sowjetzeit

In seiner ersten Rede im Präsidentenpalast mahnte Papst Franziskus, Toleranz, Gastfreundschaft, Respekt und Solidarität lebendig zu halten. Diese Werte hätten Litauen erlaubt, als Nation zu wachsen und nicht unterzugehen.

Anlass der viertägigen Visite, die auch Lettland und Estland umfasst, ist die Unabhängigkeitserklärung der drei baltischen Staaten vor 100 Jahren. Vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft erinnerte der Papst an die "Prüfungen und Leiden" im 20. Jahrhundert. Um Schmerz und Ungerechtigkeit in eine Chance zu verwandeln, müsse Litauen seine Seele bewahren, die es als Nation geformt habe.

Franziskus verwies auf das Zusammenleben verschiedener Ethnien wie Litauern, Tartaren, Polen, Russen, Ukrainer und Deutschen sowie unterschiedlicher Glaubensrichtungen. Erst totalitäre Ideologien hätten die Fähigkeit zur Gastfreundschaft durch Gewalt und Misstrauen zerstört.

Besondere Aufmerksamkeit verlangte der Papst für die Jugend. Aufgabe der Politik sei es, eine aktive Teilhabe der jungen Generation am Gesellschaftsleben zu fördern.

Staatspräsidentin: "Tor der Barmherzigkeit soll immer offen stehen"

Auch Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite erinnerte in ihrer Begrüßung an die Vergangenheit von Krieg und Besetzung und mahnte zu einer menschlichen Gesellschaft. Ein "starker Glaube" habe die Menschen in Litauen befähigt, Exil, Haft und das Leben in Partisanenbunkern über lange Jahre der Not zu bestehen.

Ausdrücklich verwies Grybauskaite auf den Gedenktag für die Ermordung der litauischen Juden, der am Sonntag begangen wird. Unter dem nationalsozialistischen und stalinistischen Regime seien "viele aufgestanden, um Juden zu retten, weil sie Menschlichkeit als das höchste Gut ansahen". Ziel sei auch heute eine Welt, in der "das Tor der Barmherzigkeit immer offen steht", so die Präsidentin.

Verhaltener Empfang bei Ankunft des Papstes

Papst Franziskus besucht am Sonntag die Gedenkstätte des jüdischen Ghettos in Vilnius sowie das Museum der Besatzungen und des Freiheitskampfs. Zuvor feiert er in der westlich gelegenen Stadt Kaunas eine Messe unter freiem Himmel.

Bei der Ankunft am Samstag bereitete die Bevölkerung dem Papst einen verhaltenen Empfang. Nur wenige Menschen säumten die Fahrtstrecke vom Flughafen. Vor dem Präsidentenpalast blieben viele Plätze leer. In Litauen gehören mehr als drei Viertel der Bevölkerung der katholischen Kirche an. (KNA)


Papst Franziskus landet am Flughafen in Vilnius / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus landet am Flughafen in Vilnius / © Paul Haring ( KNA )

Papst Franziskus mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite / © Andrew Medichini ( dpa )

Ansprache von Papst Franziskus in Vilnius / © Andrew Medichini (dpa)
Ansprache von Papst Franziskus in Vilnius / © Andrew Medichini ( dpa )

Metropolit Inocentas und Papst Franziskus / ©  Vatican Media (KNA)
Metropolit Inocentas und Papst Franziskus / © Vatican Media ( KNA )

Papst Franziskus am Tor der Morgenröte in Vilnius, Litauen / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus am Tor der Morgenröte in Vilnius, Litauen / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
KNA