Wie gehen Ausbilder mit Klerikalismus in der Priesterausbildung um?

"In seinem Kern etwas Gottloses"

Jahrzehntelanger Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Priester und Ordensleute holt in diesen Tagen die katholische Kirche weltweit wieder ein. Papst Franziskus sieht vor allem im Klerikalismus einen Grund. Doch was ist das überhaupt?

Priester beim Gottesdienst an Peter und Paul auf dem Petersplatz / © Gregorio Borgia (dpa)
Priester beim Gottesdienst an Peter und Paul auf dem Petersplatz / © Gregorio Borgia ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ältere Laien-Katholiken sehen schon im Tragen von Priesterkleidung und einer besonders konservativen Art, Liturgie zu feiern, Anzeichen von Klerikalismus, also das Bestreben, mehr religiösen Einfluss im Staat zu schaffen. Ist dieses Phänomen so richtig beschrieben?

Axel Hammes (Spiritual des Collegium Albertinum in Bonn): Ich glaube, dass das ältere Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen von früher mit Priestern so deuten. Ich glaube, dass aber die jungen Priester, die das heute noch so praktizieren, etwas anderes motiviert.

DOMRADIO.DE: Was denn?

Hammes: Die müssen gegen den Strom schwimmen. Sie möchten ihre Identität nicht verstecken müssen. Und, ich glaube, sie möchten die Liturgie innerlicher feiern. Ich glaube nicht, dass es darum geht, darüber irgendetwas zur Schau zu tragen und sich überlegen zu fühlen.

Allerdings ist es natürlich auch Aufgabe junger Priester, das Thema sensibel aufzugreifen, darüber ins Gespräch zu kommen und für ein Verständnis zu werben. Die Zeiten haben sich geändert und beide Seiten müssen da was voneinander lernen.

DOMRADIO.DE: Ist denn Klerikalismus bei den aktuellen Priesteramtskandidaten auch ein Thema?

Hammes: Natürlich! Wir werden ja mit diesen Dingen jetzt auch konfrontiert. Unsere jungen Seminaristen, die sprechen das von sich aus an. Insofern ist das sowieso Thema.

Das größere Thema ist aber, wie wir verantwortungsvoll auch mit den Menschen umgehen, die uns anvertraut sind - gerade mit Kindern und Jugendlichen. Das bewegt die Seminaristen noch viel mehr als jetzt die Frage nach Klerikalismus.

DOMRADIO.DE: Hat denn der Missbrauchsskandal auch Auswirkungen auf den Umgang mit Klerikalismus in der Priester-Ausbildung?

Hammes: Natürlich. Es geht ja darum, ein Missverständnis auszuräumen. Klerikalisten sind Leute, die meinen, ihre besondere Berufung durch Gott sei eine Bevorzugung. Ein Klerikalist fühlt sich durch Gott ausgezeichnet vor allen anderen. Er wähnt sich den übrigen Menschen überlegen. Und deswegen flüchtet er in so eine Sonderwelt und meint, er hätte Anspruch auf Privilegien.

DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie mit den Seminaristen um, die diese Auffassung vertreten?

Hammes: Unsere Aufgabe ist es, Priestertum als einen Dienst im Sinne von Dienen zu erschließen und als eine Sendung für die Menschen. Denn eigentlich ist Klerikalismus in seinem Kern etwas Gottloses, das sich fast schon an die Stelle Gottes selber setzt. Und da müssen wir zuerst mal ansetzen.

DOMRADIO.DE: Wie sprechen Sie mit ihren Seminaristen über das Thema Missbrauch?

Hammes: Wir begegnen unseren Studenten nicht mit irgendeinem Generalverdacht. Überhaupt muss in der Ausbildung eine Atmosphäre der Offenheit und der Wertschätzung herrschen, damit die jungen Männer nicht meinen, sie müssten sich mit irgendwas verstecken. Sie sollen nicht den Eindruck gewinnen, irgendwas von sich nicht zeigen zu dürfen. Im Gegenteil, sie dürfen und sollen ehrlich mit sich umgehen. Nur so können sie reifen und nur so können sie wachsen. Und dafür haben wir natürlich auch eine ganze Reihe von Elementen in die Ausbildung eingebaut, die das fördern.

DOMRADIO.DE: Was zum Beispiel?

Hammes: Wir haben ganz am Anfang der Ausbildung schon eine Präventionsschulung. Aber auch da ist jetzt nicht der Ansatz, alle unter Tatverdacht zu stellen. Sondern es geht darum, sie zu sensibilisieren, aufmerksam zu machen. Sie sollen lernen, wie sie einzugreifen und zu intervenieren haben, falls ihnen etwas auffällt.

Wir haben durch das ganze Studium auch ein Pastoralpsychologisches Curriculum, das sie begleitet. Die Männer werden schon im ersten Jahr einem Test unterzogen, der ihre Persönlichkeit in den Blick nimmt. Wir wollen sehen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, wo der eine oder andere noch besonders an sich arbeiten muss.

DOMRADIO.DE: Geht es da auch um die eigene Sexualität?

Hammes: Bei der geistigen Begleitung ist natürlich die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität ein wichtiges Thema. Wie auch in der Pastoralpsychologie. Es geht darum, dass dieser wichtige Teil der Persönlichkeit nicht tabuisiert wird. Die Männer sollen wirklich eine reife, integrierte Persönlichkeit werden. Sie sollen lernen, wie sie verantwortungsvoll mit ihrer Sexualität umgehen können.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Pfr. Axel Hammes / © privat
Pfr. Axel Hammes / © privat
Quelle:
DR
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