Bundesratspräsident: Franziskus besorgt über Populismus

"Der Papst hat konkret nach der AfD gefragt"

Flüchtlinge und Populismus in Europa – Diese Themen bewegen auch Papst Franziskus. Bundesratspräsident Michael Müller wurde am Samstagvormittag von Franziskus zur Privataudienz empfangen. Im Interview spricht er über das Treffen.

Berlins Regierungschef lobt politisches Engagement des Papstes  / © Vatican Media/Romano Siciliani  (KNA)
Berlins Regierungschef lobt politisches Engagement des Papstes / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Privataudienz mit Papst Franziskus erlebt?

Michael Müller (Bundesratspräsident und Regierender Bürgermeister von Berlin): Das war ein beeindruckender Moment für mich, den Papst treffen und sprechen zu können. Es war aber auch ein sehr offenes Gespräch, orientiert an den aktuellen Debatten, die wir führen. Wie geht es weiter mit den Flüchtlingen? Wie ist die internationale Situation? Welche Zukunft hat das offene Europa? Das war sehr interessant und offen.

DOMRADIO.DE: Gerade die Flüchtlingssituation ist ein großes Thema für den Papst wie auch für Deutschland und Berlin. Was haben Sie dazu besprochen?

Müller: Ich konnte dem Papst darstellen, dass die Integrationsarbeit uns natürlich sehr fordert, dass es aber auch viele Erfolge gibt und ein gutes Zusammenleben und dass man insbesondere für Kinder und Jugendliche gute Bildungsangebote schaffen kann.

Wir waren uns aber auch sehr einig, dass man bei allen Erfolgen, bei allem, das gut funktioniert, auch davon ausgehen muss, dass bei der internationalen Situation weiterhin viele Menschen auf der Flucht sein werden und dass man ihnen weiterhin einen sicheren Zufluchtsort bieten muss. Das wird uns in Europa auch in Zukunft beschäftigen.

DOMRADIO.DE: Inwiefern ist denn der Papst über die Lage in Deutschland und speziell in Berlin informiert?

Müller: Er ist sehr gut informiert. Wir wissen ja auch durch seine Reden und Reisen, dass ihm das sehr am Herzen liegt. Die internationale Situation, die soziale Situation der Menschen, die auf der Flucht sind und eine sichere Heimat suchen. Er hat aber auch konkret nachgefragt, wie die Haltung in Deutschland ist, ob sich etwas verändert, ob sich möglicherweise auch durch die Wahlergebnisse für die AfD etwas verändert. Also, insofern auch ein sehr interessiertes Nachfragen zu unserer Situation.

DOMRADIO.DE: Populismus und AfD sind also auch ein Thema für den Papst?

Müller: Ja, nicht nur auf Deutschland bezogen. Wir erleben, dass es Populismus und allgemein Abschottungs- und Ausgrenzungstendenzen an vielen Stellen in Europa inzwischen gibt. Natürlich wird im Moment auch mit großer Sensibilität betrachtet, wie sich die Situation in Italien nach den Wahlen weiter entwickelt.

Der Papst hat aber auch konkret nach Deutschland und der AfD gefragt. Ich konnte ihm sagen, dass wir da auch durchaus einiges mit Sorge betrachten, dass es aber auch eine große, aktive Bürgergesellschaft gibt, aus sozialen Institutionen, den Kirchen, den Parteien oder Gewerkschaften, die auch dagegenhalten und sagen: Wir kämpfen für unser offenes und freies Europa.

DOMRADIO.DE: Berlin ist eine sehr pluralistische Stadt. Dementsprechend  wurden Sie auch von den beiden katholischen und evangelischen Bischöfen Berlins, Heiner Koch und Markus Dröge, begleitet. Welche Rolle spielte die Ökumene bei Ihrem Gespräch mit Papst Franziskus?

Müller: Ich habe das Thema von mir aus angesprochen und betont, dass wir in Berlin da eine sehr glückliche Situation haben. Durch die Verständigung zwischen den Bischöfen, zwischen den Kirchen – und wiederum auch mit dem Berliner Senat. Wir haben viele Probleme gemeinsam zu bewältigen: soziale Problem, Integrationsthemen, Stadtentwicklungsthemen. Da sind die Kirchen ganz wichtige Partner für uns. Dass es diese gelebte Ökumene gibt, das konnte man auch beim Kirchentag und beim Lutherjahr 2017 erleben. Das ist für uns und für viele Menschen in unserer Stadt sehr wichtig.

DOMRADIO.DE: Haben Sie den Papst nach Berlin eingeladen?

Müller: Das müsste natürlich durch die Bundesregierung erfolgen, beziehungswweise ist bereits erfolgt. Ich habe das eher indirekt angesprochen und gesagt, dass es sicherlich auch lohnenswert und interessant wäre, sich zum Beispiel auch die Integrationsarbeit vor Ort anzuschauen. Ich glaube aber, dass der Papst ein ganz eigenes Reiseprogramm hat. Ich habe angesprochen, dass Berlin ein interessanter Ort wäre, aber wir werden sehen, was daraus wird.

DOMRADIO.DE: Was nehmen Sie sich von diesem Treffen mit nach Hause?

Müller: Vor allem die Erkenntnis, dass der Papst in diesen gesellschaftspolitischen Fragen ein aktiver Partner ist. Ich glaube, dass das für viele Menschen sehr wichtig ist. Für viele ist die Kirche ein wichtiger Orientierungspunkt, so kann man sich auch an der Haltung des Papstes orientieren. Wenn er so eindeutig für den sozialen Ausgleich steht, für ein gutes Miteinander, auch im interreligiösen Dialog, dann ist das auch für unser Zusammenleben sehr wichtig.

DOMRADIO.DE: Sie sind es als Bundesratspräsident, der auch Stellvertreter des Bundespräsidenten ist, wie auch als Regierender Bürgermeister Berlins gewohnt, wichtige Menschen zu treffen. Ist es nochmal etwas anderes vor dem Papst zu stehen?

Müller: Ja, natürlich. Das ist keine alltägliche Situation. Schon alleine der Weg durch den Vatikan zum Papst ist beeindruckend. Durch die Paläste, bis man zur Audienz geführt wird. Das ist schon sehr beeindruckend und das erlebt man nicht alle Tage. Es ist aber auch beeindruckend zu wissen, dass man einem Menschen gegenübersitzt, der für so viele, für hunderte Millionen Menschen in aller Welt, eine wichtige Orientierung ist. Wenn es dann auch noch so ein freundliches und offenes Gespräch ist, dann ist das etwas, das man nicht vergisst.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR