Rolle des Londoner Kardinals beim Konklave 2013

Murphy-O'Connor als Papstmacher?

Über Verstorbene nur Gutes - de mortuis nihil nisi bene, so heißt es seit der römischen Antike. Eine englische Journalistin zögerte nicht lange, nach dem kürzlichen Tod des Londoner Kardinals Murphy-O'Connor etwas preiszugeben.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler (dpa)
Kardinäle vor dem Konklave 2013 / © Michael Kappeler ( dpa )

Kann es einen britischeren Namen geben? Catherine Pepinster, das klingt nach geblümtem Sommerkleid, nach Mord im Landadel-Milieu, einem Kriminalroman zur besten Tea Time. Und tatsächlich hat Catherine Pepinster ein spannendes Buch verfasst. Es erscheint Mitte November, nur wenige Wochen nach dem Tod des Londoner Kardinals Cormac Murphy-O'Connor. Der, so die These Pepinsters, habe entscheidend dazu beigetragen, im März 2013 den progressiven Argentinier Papst Franziskus auf den Schild zu heben und so der katholischen Kirche einen neuen Spin zu geben.

Die Journalistin Pepinster gehört nicht zur Yellow Press, im Gegenteil. 13 Jahre lang war sie Redakteurin bei der renommierten katholischen Wochenzeitung "The Tablet", bevor sie als Marketing-Offizierin zum Anglikanischen Zentrum in Rom wechselte - einer ökumenischen Einrichtung, die die Beziehungen zwischen Anglikanern und Katholiken verbessern soll.

Karriere im britischen Oberhaus verpasst

Erzbischof Murphy-O'Connor von Westminster, von 2000 bis 2009 höchster katholischer Kirchenvertreter im anglikanischen England, trat stets jovial, sozial engagiert und vergleichsweise liberal auf - doch er war auch als kirchenpolitischer Fuchs beleumundet. Mit dem vatikanischen Apparat zeigte er sich nicht immer einverstanden.

Später mag sicher auch gekränkte Eitelkeit im Spiel gewesen sein - hatte ihm doch die Benedikt-Administration eine zweite Karriere im britischen Oberhaus verpatzt.

Die Regierung Gordon Brown hatte Murphy-O'Connor 2009 einen Adelstitel auf Lebenszeit angetragen, verbunden mit einem Sitz im House of Lords. Ziel war es, Spitzenvertreter der großen Religionen parlamentarisch einzubinden - so etwa auch den britischen Oberrabbiner Jonathan Sacks. Ein Sitz im Oberhaus, das ist für anglikanische Bischöfe seit der Reformationszeit eine übliche Ehre - für Katholiken dagegen durchaus selten.

Er selbst habe der Idee durchaus etwas abgewinnen können, sagte Murphy-O'Connor 2012 rückschauend. Doch Benedikt XVI. (2005-2013) persönlich habe seinerzeit quasi interveniert. Nicht aus persönlichem Ehrgeiz oder Eitelkeit, so betonte der Kardinal, hätte er dieses Angebot gern angenommen, sondern weil Christen nach seiner Auffassung im öffentlichen Leben aktiv sein sollten; im Oberhaus hätte er politische Impulse geben können.

Benedikt XVI. und seine Berater hätten diesen Weg jedoch verhindert.

Unter Hinweis auf Kanon 285 des Kirchenrechts und die "Freiheit außerhalb des politischen Systems" habe man keinen Präzedenzfall schaffen wollen. Rom befürchtete, ein britischer Kardinal in einer politischen Funktion könnte Nachahmer vor allem in Afrika oder Lateinamerika finden.

Von Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt

Die Autorin Pepinster argumentiert, der liberale Murphy-O'Connor sei schon 2005 mit der Wahl Benedikts XVI. unzufrieden gewesen - und so sei er 2013 massiv als Königsmacher des Argentiniers Jorge Bergoglio in die Bresche gesprungen. Beide habe eine tiefe Freundschaft verbunden, seit sie im Februar 2001 am selben Tag von Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt wurden.

Pikant dabei: Murphy-O'Connor war beim Konklave 2013 bereits jenseits der Altersgrenze von 80 Jahren, war also selbst nicht mehr wahlberechtigt. Doch er war bestens vernetzt; so beriet er bis zu seinem 80. Geburtstag 2012 die vatikanische Bischofs- und die Missionskongregation bei der Ernennung von Bischöfen in Großbritannien, Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien.

Treffen vor dem Konklave

Und so lud er laut Pepinster vor der Papstwahl die Kardinäle des Commonwealth zu einer Sitzung in der britischen Botschaft, um für Bergoglio zu werben - mit zwei Ausnahmen: Es fehlten demnach der kanadische Kurienkardinal Ouellet, ein führender Ratzingerianer und selbst hoch oben auf der Kandidatenliste für die Nachfolge Benedikts XVI. gesetzt, und der erklärt konservative australische Kardinal George Pell, damals noch Erzbischof und Chefaufräumer im liberalen Sydney.

Bergoglio wurde bekanntermaßen schon am zweiten Tag des Konklaves gewählt - und Murphy-O'Connor wünschte sich vom neuen Papst Franziskus, dieser möge "sein eigenes Haus in Ordnung bringen" und die Kirche reformieren. Pepinster überliefert die Anekdote, Franziskus habe dem Londoner Kardinal bei einer Begegnung kurz nach der Wahl zugerufen: "Du bist schuld...".

In offiziellen Verlautbarungen spiegelt sich das freilich nicht wider. Im vatikanischen Beileidstelegramm hob der Papst vor allem die Sorge Murphy-O'Connors für die Armen und sein "weitsichtiges Engagement für den Fortschritt der ökumenischen und interreligiösen Verständigung" hervor.


Der verstorbene Kardinal Cormac Murphy-O'Connor / © Romano Siciliani (KNA)
Der verstorbene Kardinal Cormac Murphy-O'Connor / © Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA