Papst gegen Kopftuchverbot

Laizität nicht übertreiben

Papst Franziskus spricht sich gegen ein Kopftuchverbot aus. "Wenn eine muslimische Frau ein Kopftuch tragen will, muss sie das tun können, ebenso wie ein Katholik, der ein Kreuz tragen will", so Franziskus.

Eine Frau mit Kopftuch in Frankreich / © Patrick Seeger (dpa)
Eine Frau mit Kopftuch in Frankreich / © Patrick Seeger ( dpa )

Jeder müsse die Freiheit haben, seinen Glauben zum Ausdruck bringen zu können, sagte Papst Franziskus mit Blick auf das Kopftuchverbot in Frankreich in einem Interview der französischen Tageszeitung "La Croix" (Montag). Dies müsse auch im kulturellen Zentrum erlaubt sein und nicht nur am Rande der Gesellschaft.

Zugleich kritisierte der Papst eine "übertriebene Laizität" in Frankreich. Religionen würden wie "eine Subkultur" betrachtet und nicht wie eine "echte und eigene Kultur", so Franziskus. Dies sei seine "kleine Kritik" an Frankreich, das er sonst sehr schätze. Das Land müsse auf diesem Gebiet einen "Schritt nach vorne" machen.

Geist des Dienens

Zugleich betonte der Papst, dass Europa nicht nur eine christliche Wurzel habe. Es gebe viele Wurzeln. Wenn die Rede vom christlichen Europa sei, fürchte er, dass der Ton, "triumphalistisch oder rachsüchtig" sein könne. Europa habe zweifellos christliche Wurzeln, und das Christentum habe die Pflicht, sie zu bewässern. Dies dürfe jedoch nicht in kolonialistischer Manier erfolgen. Nötig sei ein Geist des Dienens, wie er in einer Fußwaschung zum Ausdruck komme.

"Die Pflicht des Christentums gegenüber Europa ist der Dienst".

Der Papst bekräftigte, dass ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen grundsätzlich möglich sei. In seinem Heimatland Argentinien etwa hätten die Angehörigen beider Religionen ein "gutes familiäres" Verhältnis untereinander. Als weitere Beispiele nannte er die Zentralafrikanische Republik und den Libanon.

Keine "Ghettoisierung" von Flüchtlingen in Europa

Papst Franziskus hat in dem Interview mit "La Croix" außerdem zu einer besseren Integration von Flüchtlingen aufgerufen. Der schlimmste Empfang sei eine "Ghettoisierung". Die Terroristen von Brüssel seien Kinder von Migranten gewesen, die aus einem Ghetto kamen.

Der neue Bürgermeister von London hingegen, Sadiq Khan, ein Sohn pakistanischer Einwanderer, sei in einer Kathedrale vereidigt worden und werde wahrscheinlich von der Königin empfangen, so Franziskus.

Dies zeige, wie wichtig es für Europa sei, seine Fähigkeit zur Integration von Menschen wiederzufinden. Integration sei für Europa aufgrund der niedrigen Geburtenrate notwendiger denn je.

Auf die Frage, ob Europa nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen könne, antwortete Franziskus, dass Europa seine Türen nicht einfach weit aufmachen könne. Die Frage sei vielmehr, warum es heutzutage so viele Flüchtlinge gebe. Er sehe die Wurzeln der Flüchtlingskrise in den Kriegen im Nahen Osten und der Unterentwicklung des afrikanischen Kontinents. Besonders in den afrikanischen Ländern fehlten Investitionen, so der Papst. 80 Prozent des Reichtums der Menschheit seien auf 16 Prozent der Bevölkerung verteilt.

Staat muss Gewissensfreiheit garantieren

Der Staat müsse auch bei umstrittenen Themen wie Sterbehilfe und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Gewissensfreiheit gewährleisten, betonte Franziskus. Auf die Frage, wie Katholiken ihre Bedenken in diesen Fragen äußern könnten, erklärte der Papst, Gewissensfreiheit müsse "in jeder rechtlichen Struktur anerkannt werden, weil sie ein Menschenrecht ist". Das gelte auch für Regierungsvertreter. "Wahre Laizität" könne es nur in einem Staat geben, der auch Kritik zulasse.

Es sei Aufgabe der Parlamente, solchen Fragen umfassend zu erörtern und zu diskutieren. "So wächst eine Gesellschaft", so der Papst. Die Argumente von Katholiken dürften nicht mit den Worten "Ihr redet wie ein Priester" abgetan werden; sie gründeten "auf jenem christlichen Denken, das Frankreich so bemerkenswert entwickelt" habe.

Nach heftigen Debatten und Protesten hatte Frankreich vor drei Jahren, am 18. Mai 2013, offiziell gleichgeschlechtliche Eheschließungen eingeführt und damit ein zentrales Wahlversprechen von Staatspräsident Francois Hollande erfüllt. Tötung auf Verlangen, die sogenannte aktive Sterbehilfe, ist in Frankreich verboten; in den Niederlanden ("Euthanasie"), Belgien und Luxemburg ist sie dagegen unter bestimmten Bedingungen straffrei. Seit Januar ist in Frankreich die Betäubung sterbenskranker Patienten bis zum Eintritt des Todes erlaubt.


Quelle:
KNA