Widerstand gegen Heiligsprechung Junipero Serras

Indigene fühlen sich brüskiert

Die Heiligsprechung des Franziskaners Junipero Serra in Washington trifft nicht auf einhellige Freude. Nachfahren der Indianer Nordamerikas machen den Missionar für die Zerstörung ihrer Kultur verantwortlich.

Autor/in:
Thomas Spang
Papst Franziskus / © Tony Gentile (dpa)
Papst Franziskus / © Tony Gentile ( dpa )

In der Schule lernen die Kinder an der Westküste der USA den Franziskaner als den "Kolumbus von Kalifornien" kennen. Sie basteln mit Papier und Zuckerwürfeln Modelle der historischen Missionsstationen nach, die der auf Mallorca geborene spanische Ordensmann Junipero Serra (1713-1784) von San Diego bis San Francisco gründete.

Neuer Heiliger eine Art "Gründungsvater"

Junipero Serra sei so etwas wie ein "Gründungsvater", beschreibt der Historiker Steven Hackel von der University of California in Riverdale den Missionar, dessen Statue einen Ehrenplatz in der Rotunde des US-Kongresses hat. Allerdings räumt der Biograf im Interview des "Catholic News Service" in Washington ein, Serra sei bei der Christianisierung der Westküste "kompromisslos" gewesen.

"Ohne Zweifel werden das einige Indianer nicht gut finden", sagt Hackel zur am Mittwoch anstehenden Heiligsprechung des Paters, der 1988 von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) seliggesprochen worden war. "Aber andere werden sich freuen". Dies sei schließlich ein aufregender Moment in der Geschichte Kaliforniens.

Zu Letzteren gehört John Vaughn, ein Franziskaner wie Serra. In den vergangenen zehn Jahren war er im Auftrag des Vatikan als Fürsprecher im Heiligsprechungsprozess (Vize-Postulator) tätig. Es sei nicht fair, einen Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts mit den Maßstäben des 21. Jahrhunderts zu beurteilen, findet Vaughn. Aber am Ende war selbst er überrascht, wie schnell Papst Franziskus in diesem Fall das Verfahren vorantrieb. Statt die Bestätigung eines zweiten Wunders abzuwarten, übersprang der Papst diesen festen Bestandteil des Prozesses - und er wird ihn an diesem Mittwoch während einer Messe am "Nationalen Schrein der Unbefleckten Empfängnis" in Washington zum Heiligen der Weltkirche erheben.

Protest gegen Franziskus erwartet

Kritiker wie die Literaturprofessorin Deborah Miranda glauben, das katholische Kirchenoberhaupt müsste mit lautstarkem Protest rechnen, wenn er - statt nach Washington - in den Westen käme. "Serra hat uns nicht einfach das Christentum gebracht", beschwert sich die Nachfahrin der Indianer vom Stamm der "Ohlone Costanoan Esselen" in der "New York Times". "Er hat es uns aufgezwungen." Dabei habe er "einer ganzen Kultur unermesslichen Schaden zugefügt".

Stationen des Wirkens von Junipero Serra

Während die Meinungen über Junipero Serra innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche auseinandergehen, sind die wesentlichen Fakten seines Wirkens unbestritten. Nach Theologiestudium und pastoraler Tätigkeit in Spanien meldete er sich im Alter von 36 Jahren als Freiwilliger für die Missionierung der Neuen Welt. Zunächst ging er nach Mexiko und zog von dort aus Richtung Norden.

1769 gründete er seine erste Missionsstation in San Diego. Bis zu seinem Tod 1784 folgten acht weitere, die sich wie Perlen an einer Schnur die Westküste entlang bis hoch in die Bucht von San Francisco ziehen. In diesen Jahren taufte der Pater mindestens 6.000 Ureinwohner. Nach dem Empfang des Sakraments durften sie die Missionen nicht mehr verlassen - und erhielten bei Zuwiderhandlung drakonische Strafen, darunter auch Peitschenhiebe. Viele Einheimische starben an Infektionskrankheiten, die Serra und seine Mitstreiter aus Europa in das "Neuspanien" genannte Land gebracht hatten. 100 Jahre nach Ankunft des "Kolumbus von Kalifornien" war die Indianer-Bevölkerung von rund 310.000 auf nur noch ein Sechstel geschrumpft.

Verteidiger des Missionars finden den Vergleich mit Kolumbus nicht glücklich. Anders als der "Entdecker Amerikas" sei der selige Serra nicht an Gold und Land, sondern allein an der Verkündigung der Frohen Botschaft interessiert gewesen. Während Kolumbus die Einheimischen in der Karibik versklavt und gefoltert habe, habe sich der Franziskaner immer wieder für eine menschliche Behandlung der Indianer eingesetzt.

"Sie waren wie Kinder für ihn", beschreibt Biograf Hackel die Einstellung des Missionars. Serra sei es darum gegangen, diese aus seiner Sicht verarmten und primitiven Menschen zu retten. Eine Sicht, mit der er im 18. Jahrhundert nicht allein stand.

 

 

Quelle:
KNA