Ökumenischer Kirchentag - mehr als Mahl- und Missbrauchsdebatten

Viele Wolken und ein Stück vom Himmel

Der 2. Ökumenischen Kirchentag ist vorbei und wird allerorts als ein Erfolg gewertet - unter schwierigen Rahmenbedingungen. Hier finden Sie alle Videos, Interviews, Analysen, Berichte und Bildergalerien zum fünftägigen Christentreffen.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Im Gegensatz zu früheren Kirchen- und Katholikentagen dominierte kein einzelnes politisches oder gesellschaftliches Thema. Und anders als beim 1. Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin war auch nicht das Ereignis schon das Ereignis.

Politiker spielten geringere Rolle
Auch die Politiker, ja der gesamte Bereich der Politik spielte in München eine deutlich geringere Rolle. Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte aus dem Freitag noch keinen Merkel-Tag, die Präsenz von Bundesministern blieb begrenzt. Allein Bildungsministerin Annette Schavan und Innenminister Thomas de Maiziere verweilten länger. De Maiziere mahnte die Kirchen, gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten. «Wir brauchen starke Kirchen», sagte er.

Ein Politikthema war der Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Da betonte Merkel bei einer Talkrunde die militärische Zielrichtung und stellte entwicklungspolitische Aspekte hintan - neben einem einsamen Pfiff gab es dafür Beifall. 90 Minuten später beklagte Rockröhre Nina Hagen an gleicher Stelle das Leid der Afghanen unter den Kriegen fremder Mächte, forderte «Gitarren statt Knarren» - und erhielt Beifall. Auch Margot Käßmann bekräftigte ihre Kritik an Afghanistan und rief dazu auf, «Logik und Praxis des Militärischen» zu durchbrechen. Bei ihr gab es, wie oft, eher Jubel als Beifall.

Neues gemeinsames Sozialwort
Die politische Botschaft des Treffens war die Ankündigung der Kirchen, ein neues gemeinsames Sozialwort vorlegen zu wollen. Es gehe um mehr soziale Gerechtigkeit, um «weniger ich und mehr du», sagte der evangelische ÖKT-Präsident Eckard Nagel. «Gott stürzt die Mächtigen vom Thron», hieß es im biblischen Text zum Beginn der Abschlussfeier. Dazu passten die vielen drastischen Worte zum Wirtschaftsgebaren. Münchens Erzbischof Reinhard Marx sprach von entfesseltem Kapitalismus und ideologischer Verwirrung, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, von Verantwortungslosigkeit.

München bot einen geistlichen Kirchentag. Aus der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt, unter dem Titel «Stay & Pray» rund um die Uhr geöffnet, kamen tief in der Nacht zum Sonntag noch Beter; da machten sich die ersten Helfer schon auf den Weg zur Theresienwiese. Ob fromme Abendweisen auf dem Marienplatz, Kerzenglanz beim Taizegebet, Jugendkirche, Tauferneuerung oder, vor allem, die orthodoxe Mahlfeier am Freitagabend - geistliche Angebote hatten Zulauf. «Durch diesen Kirchentag hat die Ökumene in Deutschland ein neues Gesicht bekommen», sagte Nagel. Die Orthodoxie. Wer am Eröffnungsabend beim ein oder anderen orthodoxen Bart noch an Harry Potter dachte, lernte dazu. Das «Mahl der tausend Tische» wurde Symbolbild.

Vielfalt in Liturgie und Tradition
Bei der Ökumene, sagte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, gehe es nicht um eine durchorganisierte «Superkirche», sondern um Vielfalt in Liturgie und Tradition. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, äußerte Verständnis für Ungeduld beim Drängen nach Mahlgemeinschaft. Und er warnte doch mahnend davor, diesen Schritt ohne offizielle Trennung zu vollziehen. Gleichwohl feierten einige hundert Christen abseits des offiziellen Programms eine gemeinsame Mahlliturgie.

Gerade die Katholiken kamen belastet vom Missbrauchsskandal nach München. Die Messehallen waren bei diesen Veranstaltungen nicht voll besetzt. Aber voller lauter Wut und stiller Emotionen. «Wir leiden an unserer Kirche, wir leiden mit unserer Kirche. Aber sie ist weiter unsere Kirche», sagte Glück. Auch da gab es Beifall unter den Wolken auf der Wiesn.