Eckart von Hirschhausen über Ökumene, Humor und die Kirchenkrise

"Lachen oder verzweifeln? Lachen ist gesünder!"

Er ist Arzt, Kabarettist und jetzt auch noch TV-Moderator. Beim Ökumenischen Kirchentag in München hat Eckart von Hirschhausen darüber hinaus noch etwas Neues ausprobiert - seine erste Bibelarbeit. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach er anschließend über Ökumene, Humor, Gutmenschen und die Kirchenkrise.

 (DR)

KNA: Herr von Hirschhausen, was ist für Sie der Anlass, hier beim Kirchentag mitzumachen?
Hirschhausen: Bei meiner Beschäftigung mit dem Glück bin ich immer wieder auf Dinge gestoßen, die eigentlich uraltes Wissen sind. Man kann heute mit modernen Geräten beweisen, dass Menschen glücklicher sind, wenn sie sich für andere einsetzen. Man kann beweisen, dass wir Mitgefühl haben und dass es uns deshalb automatisch besser geht, wenn es anderen um uns herum gut geht, als wenn die uns runterziehen. Und letzten Endes steht sehr viel von diesen praktischen Glücksrezepten bereits in vielen spirituellen Lehren, auch in der Bibel. Und ich versuche ja immer die Brücke zu schlagen zwischen Medizin und Alltag - und hier jetzt zwischen Medizin, Spiritualität und gelebtem Glauben. Genau das war für mich die
Herausforderung: Es geht gar nicht darum, eine perfekte Bibelauslegung zu machen, sondern darum zu zeigen, dass diese alten Geschichten immer noch in uns Denkprozesse auslösen.

KNA: Zum Beispiel?
Hirschhausen: Wofür steht die Sintflut? Ist die Sintflut von heute nicht die Flut an E-Mails, in der ich jeden Tag ertrinke? Ist unsere Sehnsucht nach Verbindung wirklich mit Wlan erreicht? Ist unsere Sehnsucht nach Zugehörigkeit mit einem virtuellen Freundeskreis von 300 Leuten bei Facebook wirklich das, was uns glücklich macht? Die Antwort ist immer ganz klar: Nein. Aber wir fallen immer wieder darauf rein.

KNA: «Damit Ihr Hoffnung habt» ist das Motto dieses Kirchentags. Was ist Ihre Hoffnung, die Sie damit verbinden?
Hirschhausen: Meine Hoffnung ist, dass wir uns gegenseitig anstecken. Wir lernen in der Medizin gerade zu sehen, wie wichtig positive Gefühle sind für die körperliche Gesundheit. Die teuersten Erkrankungen sind Depressionen, Rückenschmerzen, Übergewicht - die im Kern alle mit einem Thema zusammenhängen, nämlich: Wie gehe ich mit mir um? Mag ich mich oder nicht? Akzeptiere ich meinen Körper? Bestrafe ich mich? Genieße ich Bewegung oder hocke ich rum? Fresse ich was in mich rein? Bin ich allein? Und die Hoffnung, die ich habe, und die ich auch hier versuche zu vermitteln, ist: Glück ist möglich! Gemeinschaft ist möglich! Und Du musst nicht warten, bis das Glück Dich trifft. Werde aktiv! Und der einfachste Weg glücklich zu werden ist, sich mit Menschen zu umgeben, die an etwas Positives glauben.

KNA: Warum fällt das so schwer?
Hirschhausen: Deutschland ist voller Zyniker. Immer wenn man etwas tut, gibt es Leute, die wissen, wie man es besser getan hätte. Und die Alternative ist, dass gar nichts passiert. Und ich bin allergisch auf dieses Wort «Gutmensch», was mit Kirchentagen immer verbunden wird, weil: Was heißt denn das? Natürlich gibt es auch Sachen, die sind gut gemeint und es gibt andere, die sind gut gemacht. Ich verstehe schon die Ironie in diesem Wort. Aber per se Leute, die noch Ideale haben, immer als naiv abzutun, finde ich total naiv. Das ist zynisch, das sind Leute die eigentlich an nichts mehr glauben und auch sich selber schon aufgegeben haben...

KNA: ...was aber eine gewisse Grundhaltung in der Gesellschaft trifft.
Hirschhausen: Die Rolle der Medien ist oft genau die: nämlich zu verbreiten, was alles Schlimmes passiert: Wer alles doof ist und wer sich strafbar gemacht hat. Wer ist über die rote Ampel gefahren? Wer ist fremdgegangen...? Dass aber gleichzeitig Menschen zu jedem Moment großartige Dinge tun, sich für andere einsetzen, andere pflegen, über sich hinauswachsen - all das findet zu wenig statt in den Medien. Und mir wirft man vor, mein Kabarett tue keinem weh.

Doch dann sage ich, aber warum muss es denn weh tun? Wer hat denn jemals behauptet, wenn ich auf Angela Merkel oder Guido Westerwelle schimpfe, dass dadurch die Politik besser wird? Also, wenn jeder Mensch hier rausgeht und im wahrsten Sinne einen kleinen Lacher, einen kleinen Moment der Erkenntnis, einen kleinen Glücksmoment hatte, dann sind das hier in so einer Halle 3.000 Glücksmomente. Das ist der Grund, warum ich hier bin.

KNA: Es ist jetzt sehr viel von der Kirchenkrise die Rede. Kann Humor der Kirche helfen, aus diesen schweren Zeiten, aus dieser Krise rauszukommen?
Hirschhausen: Ich glaube tatsächlich, der Weg aus der Kirchenkrise ist, sich selber nicht so ernst zu nehmen. Also der Anspruch an kirchliches Führungspersonal ist im wahrsten Sinne unmenschlich. Ich bin Protestant. Ich hätte es gut gefunden, wenn Frau Käßmann noch weiter im Amt geblieben wäre. Ich verstehe aber auch ihre Reaktion und habe davor Respekt. Ich verstehe nicht, warum manche Katholiken sich derartig schwer tun, die Fehler in den eigenen Reihen einzugestehen. Ich will gleichzeitig aber auch klar sagen: Pädophilie als sexuelle Neigung ist nicht eine Folge des Zölibats, wie manchmal kolportiert wird. Wichtig ist aber, dass man wach ist und sehr schnell jedem Verdacht nachgeht. Und das auch öffentlich zu tun, denn nur dadurch kann die Kirche wieder Glaubwürdigkeit gewinnen. Humor ist natürlich bei so was Schwierigem wie Missbrauch unmöglich. Aber letzten Endes ist Humor das Eingestehen unserer Fehlbarkeit. Weder bin ich perfekt, noch ist die Welt perfekt.

KNA: Zum Schluss noch die «Gretchenfrage": Wie halten Sie es denn selbst mit Glaube, Religion und Ökumene?
Hirschhausen: Ich bin Protestant. Und Jürgen Becker singt ja dieses schöne Lied «Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin». Ich glaube, im Moment ist es eher anders herum. Aber auch deswegen ist mir Ökumene ein ernstes Anliegen, denn ich glaube: die Christen, die es noch gibt, die sollten sich nicht gegenseitig bekämpfen. Und was ich auch glaube: Heute landen viele spirituelle Bedürfnisse bei der Medizin. Ärzte werden konfrontiert mit Fragen nach Gnade, nach Erlösung, nach Heil. Die Leute rennen ins Fitness-Studio mit der gleichen Haltung, mit der sich früher Ketzer auf den Rücken geschlagen haben - nur die Geräte sind ergonomischer geworden. Und deswegen glaube ich, gibt es aus der medizinischen Sicht viele Botschaften aus der Bibel wiederzuentdecken und zu schauen, was daran im wahrsten Sinne gesund ist für Leib und Seele.

Interview: Gottfried Bohl