Viertklässler an Domsingschule feierlich verabschiedet

Endlich Ferien!

Was für ein Schuljahr! Homeschooling, ständiger Wechsel von Distanz- und Präsenzunterricht, Maskenpflicht. Aber keine Klassenfahrten oder andere Erlebnisse, die Gemeinschaft fördern. Stattdessen immer noch Abstand, Abstand, Abstand. 

Ein Abschiedsprojekt in der Domsingschule war, eine Ikone zu malen. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Ein Abschiedsprojekt in der Domsingschule war, eine Ikone zu malen. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Luft ist raus. Auch wenn die Kinder noch einmal alle Energiereserven mobilisieren und hochkonzentriert bei der Sache sind, als sie ein letztes Mal ihr zu Herzen gehendes Kommunionlied „Unsere Quelle bist du“ anstimmen. Dafür stehen sie mit viel Abstand zueinander auf dem Podium der Aula in der Kölner Domsingschule, treten aber an diesem letzten Schultag noch einmal als Klassengemeinschaft auf und demonstrieren in fröhlicher Geschlossenheit, was in den letzten vier Jahren fester Bestandteil ihres Lehrplans in dieser Erzbischöflichen Grundschule war: nämlich singen und mit anderen gemeinsam Musik machen. Bis dann Corona kam.

Doch beim längeren Stillsitzen während dieser festlichen Verabschiedungsfeier, in die sich auch ganz viel Wehmut mischt und mit der die Viertklässler auf die weiterführende Schule entlassen werden, wird auch deutlich, dass die Anstrengung der letzten anderthalb Jahre groß war, nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen ist und gerade die Schülerinnen und Schüler ganz besonders viel Disziplin aufbringen mussten, sich immer wieder von einem auf den anderen Tag neu in ihrem Verhalten den wechselnden politischen Vorgaben anzupassen. Das hat Kraft gekostet, und jetzt ist der Akku leer. Denn ein ungewöhnliches Schuljahr geht zu Ende.

Das kommt auch noch einmal in den Fürbitten und den vielen kleinen Texten zum Ausdruck, in denen die Neun- und Zehnjährigen ihren Dank formulieren für das, was ihnen in den vergangenen vier Jahren besonders in dieser Erzbischöflichen Schule gefallen hat, aber was nun eben auch seit März 2020 unauslöschlich zur Erinnerung an ihre Grundschulzeit dazu gehören wird. Schreiben, rechnen und lesen lernen mit Gleichaltrigen – das hatten sie sich doch mal anders vorgestellt: insgesamt unbelasteter und mit einem größeren Spaßfaktor.

Gewaltige Lernprozesse absolviert

Selten haben die Schüler, Lehrkräfte und Eltern so sehr den Ferien entgegengefiebert wie in diesem Sommer. Viele sind während des Corona-Schuljahrs an ihre Grenzen gestoßen – im Homeschooling daheim oder in der Schule. Die meisten Kinder haben diese Zeit als einsam, zermürbend und in vielerlei Hinsicht unglaublich herausfordernd erlebt, dabei trotzdem gleichzeitig die Corona-Regeln mit mangelnden Sozialkontakten so verinnerlicht, dass man nur sagen kann: Hut ab für so viel Disziplin, Vorbildlichkeit und Solidarität! Denn sowohl die Jüngsten als auch die Pädagogen sind an vielen Stellen über sich hinausgewachsen und haben oft innerhalb weniger Tage und Wochen gewaltige Lernprozesse mit hohem persönlichem Engagement absolviert.

Digitale Klassenräume und endlos scheinende Zoom-Sitzungen in kleinen Lerneinheiten – das hatte bislang niemand auf dem Plan. Ganz zu schweigen von der ständigen Erreichbarkeit des Lehrpersonals, dem permanenten Blick ins Postfach am Freitagabend mit der Anspannung, welche Anweisung aus dem Schulministerium am Montagmorgen bereits organisatorisch umgesetzt sein müsste, oder den permanent neu zu erstellenden Konzepten für Distanz-, Hybrid- und Wechselunterricht. Samt dem rein praktischen und dagegen eher marginal erscheinenden Aufwand bezüglich Sitzplänen und Wegeleitsysteme innerhalb des Schulgebäudes.

Gertrud Trebels: Die Kinder standen im Mittelpunkt

Doch Schulleiterin Gertrud Trebels, die gleichzeitig an diesem letzten Schultag von ihren Kolleginnen und Kollegen nach 29 Jahren in der Schulleitung, davon allein 17 Jahre als Direktorin, in den Ruhestand verabschiedet wurde, wehrt sich dagegen, im Rückblick auf die letzten Monate allein die Anstrengung in den Fokus zu rücken. „Mich hat vor allem beeindruckt, wie souverän und selbstverständlich sich die Kinder von jetzt auf gleich auf dieses neue Regelwerk umgestellt haben. Gerade die älteren Klassen, die ja auch zwei Jahre lang einen normalen Schulbetrieb kennengelernt hatten, haben das mit Bravour gemeistert. Ihnen gebührt großes Lob und Anerkennung für diese Leistung.“

Trotzdem räumt auch sie ein, dass das letzte Jahr schon ein ziemlicher Kraftakt war. „Immer mussten wir hellwach sein, unmittelbar reagieren“, erklärt die 64-Jährige. „Dabei standen stets die Kinder im Mittelpunkt. Die wichtigste Frage war daher auch zu jederzeit: Wie können wir eine neue Verordnung bestmöglich zum Wohl des Kindes umsetzen, für jeden einzelnen das Optimum rausholen?“ Das sei für alle Seiten – auch für die Eltern – eine riesige Herausforderung gewesen. Die scheidende Schulleiterin betont: „Meine Motivation war bei allem immer: Es muss für die Kinder gut werden. Dafür habe ich jede Anstrengung gerne in Kauf genommen.“

Deutlich abgespeckte Feierstunde zum Abschied

Allein die Bewertung der schulischen Leistungen in diesem pandemiebedingten Ausnahmezustand sei ein Thema für sich gewesen. „Wie lässt sich beurteilen, was die Kinder zu Hause erarbeiten? Immerhin wollten wir so gerecht wie möglich sein und auch Zeugnisse auf der Grundlage einer zutreffenden Bewertung schreiben.“ Das sei nicht einfach gewesen. „Schließlich ist die Stoffvermittlung auf Distanz etwas ganz anderes als in Präsenz. Trotzdem haben wir unser Mögliches getan – mit vielen, vielen Videokonferenzen, aber auch Sprechstunden, bei denen die Kinder Gelegenheit für Rückfragen bekamen.“ Auf der ganzen Linie habe man gelernt, flexibel mit der neuen Situation umzugehen und sich darauf einzulassen. Umso wichtiger sei es gewesen, sich auch die Sensibilität für die vielen schönen kleinen Dinge zu erhalten. „Nach einiger Zeit hatten wir sogar gelernt, auch ein Lächeln hinter der Maske zu lesen.“

Für 43 Kinder der Kölner Domsingschule hieß es an diesem Freitag, vertraut gewordene Strukturen zu verlassen und auf manches, was sonst üblicherweise zum Abschiedsritual am letzten Schultag gehört – wie die traditionelle Aufführung eines biblischen Musicals mit dem Schulchor, für das sonst monatelang vorher geprobt wird – zu verzichten. Die seit fast anderthalb Jahren geltenden Abstands- und Hygieneregeln ließen auch in diesem Jahr eben nur eine deutlich abgespeckte Feierstunde mit nur jeweils einer der beiden vierten Klassen mit ihren Eltern zu, die dann eher verstreut – auch das noch immer ein gewöhnungsbedürftiges Bild – und ohne Geschwisterkinder oder die übrigen Klassen eins bis drei in dem weitläufigen Saal saßen. Am Eingang der Schule wurden Listen geführt. Denn eingelassen wurde nur, wer zu den beiden Feiern angemeldet war. Bis zum letzten Schultag wird akribisch genau auf das Einhalten der gültigen Vorschriften geachtet, was eben auch diesen bürokratischen Schritt unumgänglich macht.

In den Ferien frei von schulischem Corona-Reglement

Die Sehnsucht nach Verbundenheit und Gemeinschaft ist trotzdem groß – gerade wenn körperlicher Kontakt und herzliche Umarmungen, wie sie bei solchen Abschlussritualen nun mal eigentlich dazugehören, wegfallen und immer noch konsequent vermieden werden müssen. Und am Ende der Grundschulzeit stellen sich viele Fragen: Was war? Was bleibt? Was wird kommen? Was gibt mir Zuversicht und Vertrauen? Was wird mich angesichts der vielen Ungewissheiten – gerade was die Pandemie und ihre vielen Unwägbarkeiten angeht – tragen?

Schulseelsorger Burkhard Hofer bietet in einem feierlichen Wortgottesdienst den Kindern wie Eltern Antworten aus der Bibel an. Doch zunächst fragt er die Kinder nach ihren Gefühlen und ruft ein Stimmungsbild ab, bei dem die Frage, wie sehr sie sich nun auf die Ferien freuen, unverkennbar mit einem Daumen nach oben beantwortet wird. Endlich Ferien – die Erleichterung, nun erst einmal frei von allem schulischen Corona-Reglement zu sein, steht ihnen buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Burkhard Hofer: Wir brauchen einen fest Halt im Leben

Dann lädt er dazu ein, zurückzublicken auf alles, was die Kinder als positive Erfahrungen in diesen letzten vier Jahren verbuchen, aber auch nach vorne zu schauen: Hoffnungen und Wünsche zu formulieren. Ins Zentrum seiner Katechese stellt er schließlich das Bild des kleinen Senfkorns, das innerhalb kurzer Zeit zu einer stattlichen Pflanze wächst, eine Höhe von zwei, drei Metern erreicht und damit immer größer wird. Jesus vergleiche das Reich Gottes mit einem solchen Senfkorn, erläutert Hofer den Kindern dazu. „Das Reich Gottes ist ein Zustand oder eine Zeit, in der es allen Lebewesen gut geht.

Das ist nur möglich, wenn alle respekt- und liebevoll miteinander umgehen und damit so handeln, wie Gott es ihnen sagt. Mit Jesus hat das Reich Gottes auf Erden angefangen. Wenn wir und alle Menschen so wie er zu leben versuchen, wächst das Reich Gottes und wird immer größer, so wie aus dem kleinen Senfkorn ein großer Baum wird.“ Es entspreche der Hoffnung von Christen, „dass sie nach der Auferstehung ihrer Seele ganz bei Gott im Himmel, in seinem Reich, leben“.

Anschaulich und begreifbar macht der Theologe das den Kindern am Beispiel des Baumes, dem Sinnbild menschlichen Lebens: „Wir brauchen Wurzeln, die uns helfen, einen festen Stand zu haben: Eltern, Freunde, Lehrerinnen und Lehrer. Sie versorgen uns gleichsam mit Nährstoffen. Wir brauchen einen festen Halt im Leben – wie ein Stamm: Wir wollen uns auf das verlassen können, was wir schon können, und wir brauchen immer wieder Ermutigungen und Lob von anderen. Wir werden weiter wachsen, wollen uns weiter entwickeln und eine Vorstellung davon bekommen, wie Leben gelingen kann – und das auf ganz unterschiedliche Weise.“ Das machten die Äste deutlich, die sich in unterschiedlichen Richtungen ausbreiteten.

Herzensbildung wenigstens genauso wichtig wie Schulnoten

Wachstum und Ernte – in diesem Fall Erfolge feiern mit den ganz eigenen Stärken und Fähigkeiten – gehörten mit dazu: zum Beispiel zuhören, Streit schlichten oder trösten zu können, sei es die Fähigkeit, andere Meinungen aushalten, respektieren zu können und tolerant zu sein. „Diese Herzensbildung ist im Leben mindestens genauso wichtig wie ein guter Notendurchschnitt“, gibt der Seelsorger seinen jungen Zuhörern mit auf den Weg.

Schließlich komme zu all dem, was Eltern, Freunde und Lehrer zu diesem Wachstum als Fundament legten und dann auch jeder aus eigener Kraft beitrage, als Geschenk Gottes Liebe und Fürsorge dazu, „der uns wie eine gute Mutter, ein guter Vater, wie eine Freundin oder ein Freund im Leben begleiten will“, betont Hofer. „Alle unsere Fähigkeiten verdanken wir Gott“, sagt er und unterstreicht: „Wenn Gott uns und alles um uns herum liebevoll geschaffen hat, dann hilft er uns auch dabei, zu wachsen, größer zu werden und uns zu entwickeln. So wächst auch sein Reich, das Reich Gottes, wenn wir uns beim Wachsen und Größerwerden gegenseitig unterstützen und respektvoll miteinander umgehen.“

Beatrice Tomasetti


Schulleiterin Gertrud Trebels geht nach 29 Jahren Schuldienst in den Ruhestand. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Schulleiterin Gertrud Trebels geht nach 29 Jahren Schuldienst in den Ruhestand. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Alle Klassen der Domsingschule verabschieden sich singend von ihrer Schulleiterin. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Alle Klassen der Domsingschule verabschieden sich singend von ihrer Schulleiterin. / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR