Eremitin über Musik und Glaube in Zeiten von Corona

"Mit der Verlassenheit besser umgehen"

Musik ist für viele Menschen aus ihrem Leben nicht wegzudenken. So auch für die Einsiedlerin Maria Anna Leenen. Gerade in der Corona-Krise geben ihr Musikstücke oft wichtige Impulse, sagt sie. Das gilt für Mozart ebenso wie für Adele oder Pur.

Einsiedlerin Maria Anna Leenen  (dpa)
Einsiedlerin Maria Anna Leenen / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Erstmal überrascht es ja schon, dass eine Eremitin so musikbegeistert ist. Ich hatte mir das ganz still vorgestellt mit viel innerer Einkehr?

Maria Anna Leenen (Autorin und Eremitin in Osnabrück): Musik muss da keine Störung sein, wenn man sie nicht den ganzen Tag im Hintergrund laufen lässt. Ich höre Musik sehr gezielt. Das bedeutet, dass es hier normalerweise sehr, sehr still ist. Aber manchmal mache ich mir Musik an. Ich habe CDs, da kann ich dann ganz gezielt auswählen. Und da gab es über die letzten 30-35 Jahre - solange dauert mein geistlicher Weg - immer ganz wichtige, intensive Impulse, die mir bestimmte Musikstücke gegeben haben.

DOMRADIO.DE: Ihre Musikauswahl reicht vom Jazz von Dave Brubeck über Max Giesinger bis Mozart. Haben Sie ein Beispiel dafür, welches Lied so ein Wendepunkt in Ihrem Leben eingeläutet hat?

Leenen: Es waren immer so ganz spezielle kleine Punkte. Zum Beispiel habe ich lange nichts von der Ostkirche gewusst und habe dann von Divna Ljubijevic eine CD geschenkt bekommen und habe da das Lied "Tebe Pojem" darauf gefunden. Das war ein ganz intensiver innerer Impuls. Nicht nur um mich mit dieser Ostkirchen-Musik zu beschäftigen, sondern auch um zu hören, was das in mir auslöst.

Oder vor Jahren habe ich eine CD von Pur geschenkt bekommen. Die kannte ich vorher nicht. Keine Ahnung, wer das ist. Ich dachte erst, das wäre irgendeine eine Boygroup, man möge es mir verzeihen. Dann habe ich ihr Lied "Freunde" gehört und da ist mir auf einmal ganz klar geworden, auch wenn ich als Einsiedlerin lebe, das heißt, die sozialen Kontakte sind sehr reduziert, dann darf ich trotzdem Freunde haben.

Und anhand dieses Textes, den habe ich sogar zur Meditation damals genommen, ist mir aufgegangen, wenn ich keine Freunde habe, wie soll ich dann im Johannes-Evangelium den Satz verstehen, wo Jesus gesagt hat: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern ich nenne euch Freunde. Denn ich erzähle euch alles, was ich von meinem Vater gehört habe." Das war wirklich so ein Kronleuchter, der aufgegangen ist.

DOMRADIO.DE: Es ist tatsächlich mal der Text und mal die Melodie, die Sie anspricht.

Leenen: Die Melodie ist natürlich schön. Ich habe früher selber Klavier und Flöte gespielt. Das heißt, das löst etwas ganz intensives Inneres aus. Es sind nicht nur Gefühle, sondern da werden tiefe seelische Punkte angestrichen, seelische Sehnsüchte. Und das ist natürlich die Musik, aber die Texte verstärken das nochmal.

DOMRADIO.DE: In Zeiten von Corona sind ja viele Menschen auf sich selber zurückgeworfen. Wie kann denn die Musik dabei helfen? Wie hat Sie Ihnen geholfen?

Leenen: Ich denke zum einen, indem ich mich dazu animieren lasse, auch mal in der Wohnung herum zu hopsen, ein bisschen zu tanzen. Bewegung ist immer eine ganz positive Hilfe Krisensituationen zu verstehen oder sie zu bewältigen.

Und ich sollte versuchen, wenn ich Musik höre, sie nicht nur dudeln zu lassen, sondern gezielt zu hören und dann zu hören, was löst das denn bei mir aus. Das sind Dinge, die mich dann darauf hinbringen, wie ich mit Einsamkeit oder mit Verlassenheit besser umgehen kann.

DOMRADIO.DE: Gibt es ein Lied, das Sie empfehlen würden, von dem Sie sagen: Probiert es mal damit, wenn ihr jetzt auf euch zurückgeworfen seid?

Leenen: Wenn jemand wirklich gläubig ist, dann empfehle ich zum Beispiel den "Lovesong" von Adele. Für mich ist das auch eine Liebeserklärung an Jesus. Oder das Lied von Adel Tawil "Ist da jemand?". Und da kann ich mal nachhören und überlegen, habe ich denn jemanden, der mir beisteht. Es muss ja nicht unbedingt eine Liebesbeziehung sein. Das können Freunde sein, das kann Familie sein, zu der ich momentan vielleicht keinen Kontakt habe.

Aber ich erinnere mich daran, wo ich mit jemandem telefonieren kann. Briefe schreiben ist auch eine wunderbare Idee, um solche Situationen besser verarbeiten zu können. So sind Texte und Musik immer wieder ein Impuls, dass ich mit solchen Situationen besser umgehen kann.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR