Wie riskant ist Singen im Chor oder Gottesdienst?

Zwischen Schweigen und Hoffen

Singen im Chor ist für viele ein tolles Gemeinschaftserlebnis, auf das in der Coronakrise verzichtet werden muss wie auf das Singen im Gottesdienst. Für Chöre und Chorleiter ist das eine schwierige Situation, doch aktuelle Studien lassen hoffen.  

Autor/in:
Mathias Peter
Auch Kinderchöre dürfen im Moment nicht proben / © SpeedKingz (shutterstock)
Auch Kinderchöre dürfen im Moment nicht proben / © SpeedKingz ( shutterstock )

Gleich zu Beginn der Coronakrise geriet das Singen als besonders infektiös in die Schlagzeilen. Nach einer Chorprobe in den USA erkrankte mehr als die Hälfte der Chormitglieder an Covid-19, zwei Sänger starben sogar. Auch in Deutschland traf es mehrere Chöre. Nach einer Probe Anfang März erkrankten zum Beispiel bei der Berliner Kantorei von 80 Chormitglieder etwa 60 an der neuen Virusinfektion, einige mussten ins Krankenhaus, immerhin erholten sich alle wieder.

Seit Beginn der Coronakrise ruht in Deutschland weitgehend die Chorarbeit – ob bei Profi-Chören oder den zahllosen Laienchören, sowohl in weltlichen Verbänden als auch im kirchlichen Rahmen. Im Kölner Dom singen bis zu den Sommerferien nur kleine Ensembles der Domchöre in den Gottesdiensten – mehr als vier bis fünf Sänger mit Sicherheitsabstand im Dom sind im Moment nicht möglich. An normale Chorarbeit mit Proben in Chorstärke ist bei den vier Domchören mit insgesamt etwa 400 Mitgliedern nicht zu denken, immerhin ist der Schulbetrieb an der Grundschule der Dommusik wie bei anderen Schulen auch unter Einschränkungen wieder angelaufen.

Nur online proben reicht nicht

Viele Chöre behelfen sich zurzeit mit Online-Proben oder erstellen Videos, in denen die Einzelstimmen zu einem virtuellen Chor zusammengefasst werden. Doch auf Dauer ist das kein Ersatz. Am Montag veröffentlichten fünf bekannte Knabenchöre wie die Regensburger Domspatzen oder der Winsbacher Knabenchor eine Erklärung und appellierten an die Politik. Der Ausfall von Konzerten sei mit existenzbedrohenden finanziellen Einbußen verbunden. Die lange Probenpause bedeute, dass die Chöre nahezu vollständig wiederaufgebaut werden müssten. Der monatelange Shutdown gefährde ein jahrhundertealtes Kulturgut.

Wie riskant ist Singen?

Trotz der Nöte der Chöre bleibt das Singen in Gruppen erstmal prinzipiell verboten, für Konzerte in geschlossenen Räumen kann es punktuell eine Sondererlaubnis geben, ansonsten ist die Hygieneverordnung zum Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen eindeutig: "Proben in atmungsaktiven Fächern (insbesondere Gesang, Blasinstrumente) dürfen bis auf weiteres nicht in Gruppen (Chor, Ensemble, Orchester) durchgeführt werden."

Doch wie lang ist "bis auf weiteres"? Aktuelle Studien nähren die Hoffnung, dass unter Hygieneauflagen Chorproben mit reduzierten Teilnehmern und mit Sicherheitsabstand in großen Räumen vielleicht doch in den nächsten Wochen oder Monaten möglich werden.

Die Universität der Bundeswehr München hat untersucht, wie das Coronavirus durch das Ein- und Ausatmen beim Singen verbreitet werden kann. Tatsächlich konnten die Forscher keine Luftschwingungen außerhalb eines Abstands von 50 Zentimeter zum Mund der Singenden messen. Das heißt, die Übertragung durch so genannte Aerosole, die das Virus über die Luft verbreiten können, sollte durch ausreichenden Sicherheitsabstand und guter Belüftung des Probenraumes vermieden werden.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen die Wissenschaftler des Freiburger Instituts für Musikermedizin, Universitätsklinikum und Hochschule für Musik Freiburg. "Bei Chören ist es nach den neuesten Messungen unserer Meinung nach ausreichend, wenn Abstände von mindestens zwei Metern zwischen den Sänger*innen, eingehalten werden."

Das Gesetz der Stunde? Geduld!

Die Studien werden bei Sängern und Chorleitern fleißig diskutiert, doch mit Handlungsempfehlungen zur Wiederaufnahme von Proben und Auftritten halten sich die unterschiedlichen Chorverbände oder diözesanen Kirchenmusikreferate noch zurück.

Der Chorverband Nordrhein-Westfalen lehnt es auf seiner Homepage sogar explizit ab, eine "verbindliche Empfehlung" auszusprechen, er rät vor allem zu digitalen Proben und nur im Ausnahmefall zu analogen Proben mit wenigen Teilnehmern, dann unter strengen Hygieneaufflagen in Absprache mit den Behörden vor Ort.

Der Erzdiözesankirchenmusikdirektor des Erzbistums Köln, Richard Mailänder, schreibt in einem Brief an die Kirchenmusiker im Erzbistum, dass die aktuellen Regelungen zur Kirchenmusik im Erzbistum Köln zumindest bis Pfingsten ihre Gültigkeit behielten: "Dazu zählen das Nichtmitsingen der Gemeinde in Gottesdiensten, der Verzicht auf Ensembleproben über vier Personen und auf Konzerte."

Der Chorverband NRW formuliert schließlich das Dilemma, das wohl alle betrifft, die einen Chor leiten oder darin singen: "Wir bitten Sie alle um Geduld und Ruhe und um die Einhaltung und Beachtung aller Regelungen und Gesetze!"

So erscheint es als Gesetz der Stunde, dass es zwar neue Hoffnung auf die Wiederaufnahme von Proben gibt, doch dass Prognosen für einen konkreten Zeitpunkt schwierig sind und allen Beteiligten nur eins bleibt: Abwarten.


Die Domchöre unter der Leitung von Eberhard Metternich und Oliver Sperling gestalten das Requiem für Arnold Wolff / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Domchöre unter der Leitung von Eberhard Metternich und Oliver Sperling gestalten das Requiem für Arnold Wolff / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
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