Bayreuther Kantor trotzt Corona-Krise

Trompetenklang über der Stadt

Normalerweise hört man Michael Lipperts Trompete in der Bayreuther Ortskirche. Da wegen des Coronavirus zur Zeit keine Gottesdienste stattfinden können, hat sich der Dekanatskantor an einen alten Brauch erinnert – und begeistert damit die Menschen.

Volksmusik in Franken / © Armin Weigel (dpa)
Volksmusik in Franken / © Armin Weigel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie steigen nun also hoch auf den Kirchturm und spielen von dort aus für die Menschen Trompete. Warum machen Sie das?

Michael Lippert (Dekanatskantor in Bayreuth): Die Gottesdienste fallen aus und für uns war es wichtig, hier in der Kirchengemeinde Bayreuths, Sankt Georgen, dass wir diesen Zeitpunkt, wo sonst Gottesdienst ist, in irgendeiner Form deutlich machen - möglichst nicht nur übers Internet, sondern wirklich sinnlich wahrnehmbar deutlich machen. So kamen wir auf die Idee, dass ich mit meiner Trompete auf den Kirchturm steige und einen Choral in alle vier Himmelsrichtungen blase.

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Moment für Sie, wenn Sie da oben auf dem Kirchturm stehen und auf Ihre menschenleere Stadt hinunter blicken?

Lippert: So menschenleer war es dann gar nicht, sondern es sind einige Leute schon spazieren gegangen, die davon gewusst haben, dass wir das machen werden. Es war natürlich ein wunderschöner, sonniger Morgen am letzten Sonntag. Und wenn man da so über die Dächer der Stadt schaut und über allem steht und über den ganzen Talkessel sieht, ist es schon ein schönes Gefühl. Wir haben ja auch die Glocken läuten lassen. Und dann, nach dem Glockenläuten, habe ich das Lied, der Choral "Jesu, meine Freude" war das für den letzten Sonntag, in alle vier Himmelsrichtungen geblasen. Wir haben ja zum Glück einen Kirchturm, der oben bei der Glockenstube eine Brüstung hat, wo man wirklich ganz außen herum gehen, sich dann auf jede Seite stellen und in jede Richtung die Trompete spielen kann.

DOMRADIO.DE: Das Turmblasen ist noch bis Ostern fest geplant. War dieser Brauch den Bayreuthern denn geläufig?

Lippert: Vor 20 bis 30 Jahren war das noch öfter Brauch. Ich komme aus einer Kleinstadt in der Nähe von Bayreuth, aus dem Fichtelgebirge. Und da war es zum Beispiel vor etwa 30 bis 40 Jahren üblich, dass man im Sommer bei schönem Wetter einfach am Wochenende auf den Kirchturm gestiegen ist und dort ein Posaunenchor stattfand, Volkslieder gesungen wurden und man Choräle geblasen hat. Diese Tradition ist aber leider rückläufig und wird nicht mehr so oft praktiziert. Aber jetzt, in dieser Situation, habe ich mich daran erinnert. Und zum Glück kann ich als Kirchenmusiker auch Trompete spielen, also nicht nur Orgel oder Klavier, und habe es dann eben hier eingeführt.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren die Menschen darauf? Einige zeigen sich ja immer wieder auch auf ihren Balkonen.

Lippert: Es ist ja auch in der Nähe von der Kirche noch der Friedhof. Ich habe beobachtet, dass einige Menschen auf dem Friedhof unterwegs waren. Viele sind spazieren gegangen. Es waren auch einige um die Kirche versammelt, die sonst in den Gottesdienst gegangen wären. Natürlich alles in einem gewissen Abstand. Und die Leute waren alle sehr, sehr berührt von der ganzen Aktion. Es ist ja was, womit man so nicht gerechnet hat. Und wenn einfach der Trompetenklang über die Stadt erschallt, ist das schon sehr bewegend. 

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Quelle:
DR