Oberammergau verschiebt Passionsspiele auf 2022

In der Tradition der Spiele nichts Neues

Nun also doch. Die auf einem Pestgelübde fußenden 42. Oberammergauer Passionsspiele sind abgesagt. Zu groß ist die Sorge, dass sich weitere Infektionsketten bilden könnten. Erst im Mai 2022 wird sich der Vorhang heben.

Autor/in:
Barbara Just
Passionsspiele in Oberammergau werden verschoben / © Andreas Stückl (dpa)
Passionsspiele in Oberammergau werden verschoben / © Andreas Stückl ( dpa )

"In dem großen Leidwesen, welches die furchtbare Krankheit über die Gemeinde gebracht hatte, sind endlich die Vorgesetzten der Gemeinde, die Sechs und die Zwölf, zusammengetreten, und haben das Verlöbnis gemacht, 'die Passionstragödie alle zehen Jahre zu halten', und von dieser Zeit an ist kein einziger Mensch mehr gestorben".

So beschreibt Pfarrer Josef A. Daisenberger (1799-1883) die Situation von Oberammergau 1633 in seiner Chronik über das Dorf.

Am Josefitag 2020 wütet zwar nicht mehr die Pest, aber ein Virus namens Corona ist weltweit im Umlauf, er verbreitet Ansteckung und Tod. Als am Donnerstagnachmittag der Garmischer Landrat Anton Speer, die Leiterin des zuständigen Gesundheitsamts, Karin Kübler, und Bürgermeister Arno Nunn vor dem Passionsspielhaus mit entsprechendem Abstand zur Presse sprachen, ging es auch nicht um ein weiteres Gelübde. Stattdessen steht nach mehreren Krisensitzungen nun endgültig fest: Die 42. Passionsspiele werden langfristig verschoben.

Zwei Jahre Aufschub

Statt am 16. Mai dieses Jahres soll sich erst am 21. Mai 2022 der Vorhang für das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu heben.

Die Gesundheit der Besucher und Mitwirkenden gehe jetzt vor, hieß es zur Begründung. Seit 10. März, als die ersten staatlichen Verbote in Bayern für Versammlungen von 1.000 Menschen ergangen waren, hatte Spielleiter Christian Stückl versucht, den Probenbetrieb im Kleinen aufrecht zu erhalten. Als die Einschränkungen immer massiver wurden, musste auch der Nimmermüde mit seinem Team kapitulieren. Ihn trifft es doppelt. Als Intendant des Münchner Volkstheaters ist sein Haus bis zunächst 19. April geschlossen, und jetzt die Absage der Passion, die er zum vierten Mal inszeniert.

All die Vorbereitungen, die seit Langem in die nur alle zehn Jahre stattfindenden Aufführungen gesteckt wurden, stehen nun vorerst still. Am 7. Dezember hatte es die erste Leseprobe mit den Hauptdarstellern gegeben, bald darauf ging es mit den Proben auf der Bühne los. Bereits seit Herbst studierten Orchester und Chor die Musik ein. In den Werkräumen hinter der Bühne fertigten eifrige Hände Kulissen, Kostüme und wuchtige Engelsflügel. Die Rüstungen der Römer samt Speeren, das 100 Kilogramm schwere Holzkreuz und die Palmwedel, alles lag griffbereit dafür da, dass es losgeht.

Positives Theaterfieber hatte den Ort erfasst. Mit fast 2.500 Bewohnern sind so viele an der aktuellen Produktion beteiligt wie noch nie. Oberammergau wollte sich nach zehn Jahren wieder einmal der Welt präsentieren. Sogar Jugendtage sollte es erstmals geben, um auch die nachwachsende Generation zu interessieren für Jesus und das, was er den Menschen heute zu sagen hat. Nun müssen Stückl und die Seinen in die Verlängerung. Zuletzt traf dies die Passionsspiele vor 100 Jahren. Der Erste Weltkrieg und die Spanische Grippe hatte durch die große Zahl der Gefallenen auch Lücken in die Dorfgemeinschaft Oberammergaus gerissen, so dass entschieden wurde, 1922 alles nachzuholen.

"Wir machen unsere Passion"

Dieses Mal ist es der Kampf gegen ein Virus. Selbst wenn es in nächster Zeit zu einer Eindämmung käme, sei aber die Veranstaltung in der Größenordnung der Passionsspiele nicht durchführbar, weil sonst weitere Infektionsketten entstehen könnten, hieß es. Mit knapp 500.000 Besuchern wurde für 103 Vorstellungen gerechnet. Nicht nur die Kunst trifft letztlich die Absage, sondern auch Hotels, die Gastronomie und die Handwerker, wie Bürgermeister Arno Nunn anmerkt.

Denn die Passion spült alle zehn Jahre von Mai bis Oktober reichlich Geld in die Kassen, zuletzt waren es mehr als 30 Millionen Euro.

Stückl selbst zeigte sich bei der Absage emotional äußerst bewegt, aber auch erleichtert, dass nun eine Entscheidung gefallen ist. Die Unsicherheit sei zuletzt unter den Mitwirkenden groß gewesen.

Zuversichtlich aber meinte er unter Applaus: "Wir machen unsere Passion." Zugleich hob der Spielleiter Haar- und Barterlass auf. Der tritt erst wieder am Aschermittwoch 2021 in Kraft. Doch die Oberammergauer werden sich wohl noch länger die Haare raufen müssen, denn wegen Ansteckungsgefahr haben beide im Ort ansässigen Friseure ihre Läden geschlossen.


Christian Stückl, Regisseur und Spielleiter der Passionsspiele in Oberammergau, bei einer Leseprobe / © Robert Kiderle (KNA)
Christian Stückl, Regisseur und Spielleiter der Passionsspiele in Oberammergau, bei einer Leseprobe / © Robert Kiderle ( KNA )
Quelle:
KNA