Der Deutsche Kulturrat plädiert für eine gemeinsame Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit mit den Kirchen. "Sie spielen in der Gesamtdiskussion eine große Rolle, weil die religiöse Dimension einer der wichtigen Gründe war, warum das Deutsche Reich Kolonien in Besitz genommen hat", erklärte Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann im März 2019 in Berlin auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Zimmermann bedauerte, dass in dem vorgelegten Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen zur Kolonialismusdebatte die Kirchen nicht explizit angesprochen würden, sondern eine Schwerpunktsetzung auf Museen erfolgt sei. "Wenn wir das aufarbeiten wollen, müssen wir den kirchlichen Bereich mit hineinnehmen", erklärte der Geschäftsführer. Die Missionstätigkeit an sich – nach dem Motto "Wir bringen den Wilden das Christentum" – sei kolonialistisch gewesen und habe als Wegbereiter für kolonialistisches Denken und Handeln fungiert.
Zimmermann betonte weiter, obwohl die Kirchen "in der Vergangenheit Täter gewesen" seien, gingen sie heute "fundamental" andere Wege und träten etwa für einen gerechten Welthandel ein. Hier könnten sie auch Vorbild für den Staat sein. "Mit Rückgabe von kolonialen Kulturgütern allein können wir uns nicht entlasten", so der Experte. Er erhoffe sich daher von einer stärkeren Einbeziehung der Kirchen bei der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit "auch neuen Schwung für die Debatte insgesamt". (KNA / 14.3.19)
20.04.2019
Bisher habe die Geschichte der Weltkriege die Erinnerung an die Kolonialzeit überdeckt. Doch jetzt sei die Bereitschaft in Kirchen und Missionswerken zur Rückgabe von Kulturgütern groß, so der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen.
Restitution sei hier kein neues Thema, habe aber durch die öffentliche Diskussion neue Dringlichkeit gewonnen, sagte Claussen dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kunst-, Kult- und Alltagsgegenstände aus den ehemaligen deutschen Kolonien sind nicht nur in staatlichen Völkerkundemuseen, sondern auch in Missions-Sammlungen zu finden, etwa im Wuppertaler "Museum Auf der Hardt". Claussen schlug eine kirchliche Tagung gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat vor, um Erfahrungen auszutauschen und Ideen zu bündeln.
Neu in den Blick
"Zur Geschichte des Kolonialismus ist noch viel an echter Aufklärung und Bildungsarbeit zu leisten", sagte der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bisher habe die Geschichte des Ersten und Zweiten Weltkriegs die Erinnerung an die Kolonialzeit überdeckt, jetzt komme sie – auch aufgrund der vielen Migranten – neu in den Blick. Wichtiger als symbolische Aktionen wie ein Denkmal für Opfer des Kolonialismus, das die Grünen fordern, sei es, erst einmal für Bildung zu sorgen. Dabei, etwa bei der Verfassung von Schullektüre, müssten alle beteiligt werden, die damals betroffen gewesen seien.
Kirchen und Missionswerke haben sich Claussen zufolge seit 1945 dauerhaft mit der Kolonialgeschichte, dem Postkolonialismus und der Umstellung von Missionierung auf Partnerschaftsarbeit befasst. Es gebe dazu kirchlicherseits viel Expertise. Dabei seien die Missionswerke des frühen 19. Jahrhunderts oft gar nicht von den Kirchen betrieben worden, sondern hätten als "NGOs" (Nichtregierungsorganisationen) gearbeitet, sagte der Theologe. Ihre Geschichte sei sehr ambivalent.
"Geistliche Überwältigung"
Einerseits habe es Eurozentrismus und "geistliche Überwältigung" gegeben sowie eine fatale Verbindung zu staatlicher deutscher Kolonialpolitik im Kaiserreich; andrerseits habe sich in der Mission auch ein früheres Interesse an fremden Völkern und an der Entdeckung ihrer Sprache und Kultur gezeigt. So könne man die pietistische Missionsbewegung und die Gründung der Franckeschen Stiftungen (Halle) Ende des 17. Jahrhunderts in ihrer Weltzugewandtheit durchaus als eine Parallelerscheinung zur Aufklärung betrachten, sagte der evangelische Kulturbeauftragte.
Die Missionare hätten mit ihrer umfassenden Dokumentation eine große Kulturleistung erbracht, ähnlich wie später der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859). Es sei zudem überraschend, wie positiv Mission oft in den Ländern der ehemaligen Kolonien, zum Beispiel in Namibia (früher: Deutsch-Südwestafrika) gesehen werde.
Der Deutsche Kulturrat plädiert für eine gemeinsame Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit mit den Kirchen. "Sie spielen in der Gesamtdiskussion eine große Rolle, weil die religiöse Dimension einer der wichtigen Gründe war, warum das Deutsche Reich Kolonien in Besitz genommen hat", erklärte Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann im März 2019 in Berlin auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Zimmermann bedauerte, dass in dem vorgelegten Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen zur Kolonialismusdebatte die Kirchen nicht explizit angesprochen würden, sondern eine Schwerpunktsetzung auf Museen erfolgt sei. "Wenn wir das aufarbeiten wollen, müssen wir den kirchlichen Bereich mit hineinnehmen", erklärte der Geschäftsführer. Die Missionstätigkeit an sich – nach dem Motto "Wir bringen den Wilden das Christentum" – sei kolonialistisch gewesen und habe als Wegbereiter für kolonialistisches Denken und Handeln fungiert.
Zimmermann betonte weiter, obwohl die Kirchen "in der Vergangenheit Täter gewesen" seien, gingen sie heute "fundamental" andere Wege und träten etwa für einen gerechten Welthandel ein. Hier könnten sie auch Vorbild für den Staat sein. "Mit Rückgabe von kolonialen Kulturgütern allein können wir uns nicht entlasten", so der Experte. Er erhoffe sich daher von einer stärkeren Einbeziehung der Kirchen bei der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit "auch neuen Schwung für die Debatte insgesamt". (KNA / 14.3.19)