Musikalischer Zwist um neue Orgel im Petersdom

Einzug der digitalen Welt

Revolution im Vatikan: Seit Heiligabend werden die großen Gottesdienste mit dem Papst nicht mehr auf der alten Pfeifenorgel begleitet, sondern mit einer digitalen Orgel. An dem Einsatz dieses Instrumentes scheiden sich die Geister.

Sonnenuntergang hinter dem Petersdom / © Pacific Press (dpa)
Sonnenuntergang hinter dem Petersdom / © Pacific Press ( dpa )

DOMRADIO.DE: Einer der größten Kirchenräume der Welt, der Petersdom im Vatikan, soll besser beschallt werden. Auch die Gottesdienstübertragungen in Rundfunk und Fernsehen sollen eine bessere Klangqualität bekommen. Aber Digital-Orgeln sind sehr umstritten. Was ist denn der Unterschied zwischen einer Digital-Orgel und einer traditionellen Kirchenorgel?

Prof. Richard Mailänder (Kirchenmusikdirektor im Erzbistum Köln): Wenn man von der traditionellen Kirchenorgel spricht, dann spricht man von einer Pfeifenorgel. Das bedeutet, dass die Töne durch Pfeifen, also durch Luftschwingungen, erzeugt werden, die entsprechend der Bauart der Pfeife klingen oder die beispielsweise Zungen in Bewegung bringen. Bei einer digitalen Orgel geschieht dies alles elektronisch. Das heißt, durch entsprechende Schaltungen wird ein Ton erzeugt. Das ist möglich, seit wir in den 1960er Jahren Synthesizer haben. Das hat sich immer weiter zu selbständigen Instrumenten entwickelt, die aber - und das ist die Kritik von Teilen der Fachseite an diesen Instrumenten - ja nur Orgeln nachahmen, also angeblich kein Eigenleben entwickeln.

DOMRADIO.DE: Dass traditionelle Orgelbauer keine Digital-Orgeln mögen, liegt auf der Hand. Aber was haben Kirchenmusiker an solchen Instrumenten auszusetzen?

Mailänder: Die Digitalorgeln haben nicht die Seele von Pfeifenorgeln, weil sie bei Weitem weniger lebendig sind. Wenn einmal der Ton digital festgelegt ist, dann steht er. Bei einer Pfeifenorgel verändert sich immer etwas. Es ist immer etwas Lebendiges. Das ist ein wichtiges Argument, das man gut anbringen kann.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal auf den Petersdom. Der riesige Raum ist ja bei den großen Gottesdiensten eine ziemliche Hausforderung, was die musikalische Beschallung angeht. Ist die neue digitale Lösung, die ja obendrein auch für den Petersplatz gilt, nicht nachvollziehbar?

Mailänder: Wenn man im Petersdom war und dort einmal Musik gemacht hat, auch schon einmal an der dortigen Orgel gesessen hat, dann weiß man, dass vorne links ein großes, tolles Instrument steht. Dieses Instrument vermag aber den Raum nicht zu füllen. Wenn man einen Gottesdienst, bei dem der Chor singt, optimal begleiten will, ist das mit der vorhandenen Pfeifenorgel kaum möglich, beziehungsweise auch nur durch die Abnahme durch Mikrophone und elektronische Übertragung im ganzen Raum machbar. Das ist der digitalen Erzeugung nicht sehr unähnlich.

DOMRADIO.DE: Ist das denn aus Ihrer Sicht dann die ideale Lösung für den Petersdom?

Mailänder: Man muss die Geschichte noch ein wenig weiter erzählen. Der Chor der Sixtinischen Kapelle hat im Petersdom durch Sponsoren mit neuen Podesten und guter Hörbarkeit untereinander einen neuen Aufstellungsort gefunden. Über diesen Aufstellungsort werden die Töne abgenommen und in die Anlage des gesamten Petersdomes eingespielt. Die Qualitätsverbesserung des Chores ist seit einigen Jahren - auch durch den Austausch einiger Mitglieder - deutlich zu hören. Aber insbesondere auch durch die Möglichkeiten, die jetzt da sind. Der Chor kann viel kammermusikalischer musizieren und man hört es im gesamten Dom. Wenn man von diesem Ort aus den Chor begleiten will, müsste man eine Riesenorgel in der Mitte des Petersdomes bereitstellen. Jeder kann sich vorstellen, dass dies nicht geht.

Das heißt, für das ideale Zusammenspiel von Chor und einem Instrument ist eine Nähe hilfreich, die aber doch nur mit einer digitalen Lösung möglich ist. Diese digitale Möglichkeit wiederum bringt es mit sich, dass im gesamten Petersdom ohne hohe Amplitude gut zu übertragen ist, wie die Musik klingt. Die Musik kann direkt übertragen werden und ich finde, man muss alles nutzen, was dem Gebet hilft. Und wenn man dadurch besser beten kann - und ich gehe davon aus, dass die Orgel für die Begleitung des Chorsingens genutzt wird - ist das in meinen Augen eine gute Lösung.

DOMRADIO.DE: Jetzt die haben Verfechter der klassischen Pfeifenorgel einen offenen Brief an den Präfekten der Liturgiekongregation, Kardinal Sarah, verfasst und darin ihren Unmut über die römische Entscheidung zum Ausdruck gebracht. Glauben Sie, dass das etwas bewirkt?

Mailänder: Dafür kenne ich die Entscheidungsprozesse zu wenig. Ich glaube nicht, dass die Gottesdienstkongregation, der Kardinal Sarah vorsteht, direkten Einfluss hat. Die haben dafür im Petersdom eigene Verantwortliche. Ich denke, die haben es dort entschieden. Ich finde die Entscheidung insgesamt angemessen, nicht unbedingt zwingend gut.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR