Ein Porträt des neues Papstes Franziskus

Der erste Jesuit, der erste Lateinamerikaner

Der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio ist neuer Papst der römisch-katholischen Kirche. Als Amtsnamen wählte er Franziskus. Der 76-Jährige ist der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri.

Autor/in:
Thomas Jansen
Der neue Papst Franziskus (epd)
Der neue Papst Franziskus / ( epd )

Die Entscheidung für ihn erfolgte am Mittwoch im fünften Wahlgang des Konklaves. Im Konklave 2005 galt Jorge Mario Bergoglio als letzter ernsthafter Gegenkandidat zu Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Er zog damals zurück - und Ratzinger wurde Papst Benedikt XVI. Nun, acht Jahre später und diesmal völlig unerwartet, ist Bergoglio tatsächlich Papst: Franziskus ist der erste Jesuit und der erste lateinamerikanische Papst der Kirchengeschichte. Seine Wahl trägt einer neuen Realität Rechnung: Immerhin lebt in Mittel- und Südamerika die Hälfte aller Katholiken weltweit.

Geboren am 17. Dezember 1936 als Sohn italienischer Einwanderer in Buenos Aires, hat der bisherige Erzbischof der argentinischen Hauptstadt mit nunmehr 76 Jahren eigentlich das Alter überschritten, das sich die Kardinäle in ihren Äußerungen vor der Wahl so vorgestellt hatten. Bis heute hat Bergoglio sowohl die argentinische wie auch die italienische Staatsangehörigkeit. Das wird ihm den Start bei den Italienern erleichtern.

Opernliebhaber

Der gelernte Chemiker ist ein Multitalent - etwa auch fürs Kochen, was er von seiner Mutter geerbt haben soll. Ein Liebhaber der Oper, der griechischen Klassiker, von Shakespeare und Dostojewski. Ein Schwimmer, der körperlich anpacken kann - auch wenn er schon seit der Kindheit mit Lungenproblemen zu kämpfen hat.

Nach dem Diplom als Chemie-Ingenieur entschied sich Bergoglio für den Priesterberuf und trat in die Gesellschaft Jesu ein. Er studierte Philosophie und Theologie und lehrte währenddessen Literatur und Psychologie. Nach seiner Priesterweihe im Dezember 1969 brachte er es schnell zum Jesuiten-Provinzial Argentiniens. In diese Amtszeit fiel auch die Zeit der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983). Im Foltergefängnis inhaftierte Ordensbrüder warfen Bergoglio Schwäche im Umgang mit dem Regime vor, weil er sich nicht vor sie gestellt habe.

Von 1980 bis 1986 war Bergoglio Rektor der Theologischen Hochschule von San Miguel. Um seine Dissertation zu beenden, kam er 1985 zu einem längeren Aufenthalt nach Deutschland - und spricht seither neben Spanisch und Italienisch auch Deutsch. Seit 1992 Weihbischof in Buenos Aires, ernannte ihn Johannes Paul II. im Sommer 1997 zum Erzbischof-Koadjutor und im Februar 1998 zum Erzbischof der Hauptstadt-Diözese. Seit 2001 gehört Bergoglio dem Kardinalskollegium an; von November 2005 bis 2011 war er Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz.

Der Naturwissenschaftler liebt nicht die großen Auftritte. Er gilt als wortkarg und medienscheu. Zur Tagespolitik hält er möglichst Distanz. Obwohl er selten eine Rolle im Streit zwischen Bischöfen und der Regierung seines Heimatlandes spielte: Die Chemie mit der hohen Politik und der Wirtschaft stimmte auch bei ihm oft nicht. Die argentinischen Eliten ermahnte er wegen ihrer Korruptheit und ihres frivol verschwenderischen Lebenswandels.

Bergoglio lebt Bescheidenheit vor. Statt seiner Bischofsresidenz bewohnte er in Buenos Aires ein schlichtes Appartement. Er ging selbst im Supermarkt einkaufen, liebte lange Spaziergänge durch seine Heimatstadt - und fuhr ansonsten lieber Bus als Bischofslimousine. Sein Vater war Eisenbahnangestellter; vielleicht rührt daher seine Vorliebe für öffentliche Verkehrsmittel.

Theologisch eher gemäßigt und dialogbereit, gilt Bergoglio bislang als schüchterner und doch volksnaher "Versöhner", der der konservativen und sozial engagierten Bewegung "Comunione e Liberazione" nahesteht. Seine vergleichsweise wenigen Worte hatten im traditionell katholischen Argentinien Gewicht. Und an Weihnachten und Ostern besuchte er ein Krankenhaus für arme Kinder oder ein Gefängnis, wäscht den Kranken oder Gefangenen die Füße. Für seine Landsleute geht von dem asketischen Einzelgänger eine besondere Aura aus. Manche beschreiben ihn als faszinierend, manche als rätselhaft.

So kritisierte der Erzbischof im vergangenen Herbst die Priester als "scheinheilig", die sich weigern, unehelich geborene Kinder zu taufen. Gleichzeitig forderte er die Katholiken auf, das Evangelium nicht im stillen Kämmerlein zu leben, sondern damit rauszugehen. "Rausgehen, um Zeugnis abzulegen. Rausgehen, um sich für den Bruder zu interessieren. Rausgehen, um zu teilen, rausgehen um Fragen zu stellen", zitierte die argentinische Zeitung "Clarín" aus einer Predigt des neuen Papstes.

Ein neuer Stil

Damit steht Franziskus im klaren Gegensatz zu dem eher menschenscheuen Benedikt XVI., der sich mehr als Wissenschaftler denn als Mann des Volkes gab. Der Papstname Franziskus, mit dem er auf den heiligen Franz von Assisi Bezug nimmt, zeigt dieses Engagement. In einem Punkt ist Bergoglio klar auf der bisherigen Kirchenlinie: er lehnt die Homo-Ehe ab und widersetzte sich ihrer Einführung in seiner argentinischen Heimat.

Von einer schweren Grippe im Jahr 2010 zeigte sich Bergoglio zuletzt gut erholt. Sein Ziel, eine echte Aussöhnung aller gesellschaftlichen Gruppierungen des Landes nach den Verbrechen der Diktatur zu erreichen, muss sein Nachfolger in Buenos Aires weiter voranbringen. Auf Franziskus wartet nun eine ganz andere Aufgabe.


Quelle:
KNA