Kölner Domküster Hermann Müller geht nach 38 Jahren in Rente

"Schluss ist erst, wenn ich die Glocke abschalte"

Fast hätte der Papst den Gottesdienst ohne Wein und Wasser feiern müssen. Dann ließ die Polizei Hermann Müller seine Arbeit doch noch verrichten. Der Küster vom Kölner Dom geht nach fast vier Jahrzehnten in den Ruhestand.

Autor/in:
Annika Schmitz
Domküster Hermann-Josef Müller geht nach 38 Jahren in den Ruhestand / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domküster Hermann-Josef Müller geht nach 38 Jahren in den Ruhestand / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Beide großen Orgeln ertönen laut in der Kathedralkirche. "Wenn der Dombauverein Gottesdienst feiert, muss man alle Register ziehen", sagt Hermann Müller und lacht, als er von der Empore herunterkommt. Er sorgt als einer von drei Küstern am Kölner Dom nicht nur für eine reibungslose Liturgie, er bringt dort auch immer wieder die Königin der Instrumente zum Klingen. Nun geht der 65-Jährige nach 38 Jahren in den Ruhestand.

Am Silvesterabend, seinem offiziell letzten Arbeitstag, will das Kölner Urgestein hoch in den Domturm steigen, um den "decken Pitter" um Mitternacht läuten zu lassen. "Das mache ich aber nur, wenn der Aufzug funktioniert", sagt der scheidende Küster. Die Treppen zum Glockenturm in 53 Metern Höhe nehme er nicht: "Ich bin ja nicht bekloppt!"

Sechs Kilometer "Arbeitsweg" für die Vorbereitung der Messen

Denn gelaufen ist Müller in seinen Dienstjahren genug. Küster sein kann man nicht im Sitzen, sagt er. Rund sechs Kilometer Weg sind es täglich nur für die Vorbereitung der Messen an den 18 Altären des Doms. "Wenn ich den Weg von der Sakristei bis in die Vierung gehe, stehe ich bei anderen Kirchen ja längst wieder vor der Tür." Als den Mitarbeitern des Doms über ein neues PC-System die Kommunikation erleichtert werden sollte, fasste Müller sich an den Kopf. "Ich habe ja nicht mal einen Schreibtischstuhl!"

Schon Müllers Vater war Küster in der Kölner Kirche Sankt Michael. Zuerst übernahm der Sohn dessen Job. Anfang der 1980-er Jahre, er stand gerade auf dem Altar, um eine Glühbirne auszuwechseln, kam ein Dom-Mitarbeiter herein und wollte ihn abwerben. Müller sagte zu, allerdings zu seinen eigenen Bedingungen. Den Pfarrer seiner Heimatpfarrei ließ er für die nahende Karwoche nicht im Stich. Der Dom musste warten.

Nicht zu viel Ehrfurcht vor der "hohen Geistlichkeit"​

Sechs Dompröpste hat er seitdem erlebt, hunderte Priester, Bischöfe und Kardinäle vor der Messe eingekleidet. Zu viel Ehrfurcht vor der "hohen Geistlichkeit" habe er aber nicht. "Die haben alle schon zu meinen Füßen gelegen", schmunzelt Müller und denkt an all die Priesterweihen zurück. Der amtierende Kardinal Rainer Maria Woelki war noch Seminarist, als Müller schon im Dom tätig war.

Manche dieser Priester musste Müller erst "erziehen", wie er es formuliert. Das Schultertuch zum Beispiel, das müssten die Herren selber zusammenlegen. "Ich sage immer, das Schultertuch ist wie die Unterhose. Dafür ist jeder selber zuständig." Auch den Chor macht er darauf aufmerksam, wenn er bei Bruckners Motette "locus iste" fälschlicherweise in Moll endet.

Fromm - aber nicht frömmelnd

Er erinnert sich auch an jenen Dompropst, der ihn einmal wegen einer defekten Birne zum zwanzig Meter hohen Sicherungskasten schickte. Das müsse sofort erledigt werden, nichts sei wichtiger. Müller kam der Aufgabe nach, doch dafür blieben die Schränke mit Kelch und Hostienschale verschlossen. Der Gottesdienst musste später beginnen.

Fromm muss ein guter Küster sein, sagt Müller, aber nicht frömmelnd. Und er muss sich liturgisch auskennen. Gerade im Dom dürfen keine Fehler passieren. Einmal habe ihm ein Priester die liturgischen Gewänder für eine Firmfeier im Advent vorgeben wollen. "Rot für die Firmung statt adventliches lila, hat der gesagt", erinnert sich Müller. "Nä, habe ich zur Antwort gegeben, Advent schlägt Firmung." Der Bischof gab ihm recht.

Papstbesuch und Polizei

Auch der Papstbesuch während des Weltjugendtags 2005 lag mit in den Händen von Hermann Müller. Da habe ihm die Polizei aus Sicherheitsgründen verbieten wollen, den Altar für die Messe vorzubereiten. "Gut, aber dann erklären Sie nachher dem Papst, warum Wein und Wasser fehlen", entgegnete Müller - und wurde durchgelassen.

Wenn der Küster von einem Priester gefragt wird, wie heute Gottesdienst gefeiert wird, dann sagt er: "Na, so wie es im Buch steht." Der Dom sei keine Ausnahme, insofern gleiche er anderen Kirchen. Aber etwas unterscheide ihn dann doch. "Die Erhabenheit", sagt Müller und hält einen Augenblick inne.

Noch einmal den "decke Pitter" anstellen

Am Silvesterabend wird Müller Kölns größte Glocke schon ein paar Sekunden vor Mitternacht anstellen. Zum einen brauche der "decke Pitter" im Winter gut 20 Sekunden, um ins Schwingen zu kommen.

Zum anderen soll er mit vollem Klang Feuerwerk und Schiffssirenen übertönen. Wie lange das neue Jahr eingeläutet wird? Müller: "Schluss ist erst, wenn ich die Glocke abschalte." 

Kölner Dom

Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist eine der bedeutendsten Kirchen der Welt und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Deutschland. Das Gotteshaus beherbergt die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Rainald von Dassel 1164 aus Mailand nach Köln brachte.

Der Grundstein für den gotischen Neubau an der Stelle mehrerer Vorgängerkirchen wurde 1248 gelegt; 1322 wurde der Chor geweiht. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe der Kölner Bischofskirche folgten bis 1560. Dann stoppten die Querelen um die Reformation und Geldmangel den Baubetrieb.

Quelle:
KNA