Seit zehn Jahren ist Kim Jong-un der starke Mann in Nordkorea

"Kleiner Raketenmann", "Sonne der Menschheit", eiskalter Despot

Basketball-Fan, Männerfreund von US-Präsident Donald Trump, vor allem aber: skrupelloser Diktator. Mit Kim Jong-un herrscht der Kim-Clan in dritter Generation über Nordkorea. Daran wird sich vorerst wohl nichts ändern.

Autor/in:
Joachim Heinz
Kim Jong besucht eine Schule in Pjöngjang im Jahr 2018. / © Torsten Pursche (shutterstock)
Kim Jong besucht eine Schule in Pjöngjang im Jahr 2018. / © Torsten Pursche ( shutterstock )

Der pummelige Mann mit der erstaunlichen Frisur muss schon in früher Jugend ein echter Tausendsassa gewesen sein. Bereits im Alter von drei Jahren soll er mit einer Pistole eine 100 Meter entfernte Glühbirne getroffen haben. Mit acht saß er angeblich bei Tempo 120 am Lenker eines Lkw. Und mit neun navigierte er ein Rennboot bei einer Geschwindigkeit von rund 200 Stundenkilometern durch die Fluten.

Wie schon Großvater Kim Il-sung und Vater Kim Jong-il hat Nordkoreas staatliche Propaganda Enkel Kim Jong-un längst zu einer Überfigur aufgebaut.

Als Kind schon "General"

Seinen wohl entscheidenden Karriereschritt machte der mutmaßlich 1984 geborene jüngste männliche Spross der Diktatoren-Dynastie vor zehn Jahren. Am 27. September 2010 wurde Kim, der sich schon als Kind gern mit "General" anreden ließ, zum Vier-Sterne-General der Nordkoreanischen Volksarmee ernannt. Tags darauf huldigte ihm ein eigens einberufener Parteitag der Partei der Arbeit Koreas.

Im Alter von gerade mal 26 Jahren war damit klar, dass der junge Kim seinem bereits länger schwächelnden Vater nachfolgen würde. Gut ein Jahr später trat dann der Erbfall ein. Seither produzierten der neue Machthaber und seine Entourage eine Reihe bizarrer Bilder. Dazu gehören etwa die Auftritte von Dennis Rodman. Gleich mehrfach reiste der US-Baskteballstar aus dem Land des Klassenfeinds in den gemeinhin hermetisch abgeschlossenen Hort des Kommunismus.

Sportsfreund Kim schien die Begegnungen zu genießen. Alkohol floss offenbar reichlich, und Rodman brachte seinerzeit einen denkwürdigen Toast auf seinen Gastgeber aus: "Marschall, Ihr Vater und Ihr Großvater haben einigen Mist gebaut. Sie aber, Sie versuchen etwas zu verändern, und deshalb liebe ich Sie." Veränderungen gab und gibt es in der Tat, wie die Publizistin Anna Fifield in ihrer exzellenten und unlängst auf Deutsch erschienenen Biografie über "Nordkoreas Diktator aus der Nähe" festhält.

Bauboom und Brutalität

Die Hauptstadt Pjöngjang erlebte einen Bauboom. Plötzlich fand eine wundersame Vermehrung von Kleinunternehmern und Märkten statt; schätzungsweise 80 Prozent der Bevölkerung, so schreibt Fifield, bessern inzwischen auf diese und ähnliche Weise ihren Lebensunterhalt auf. Zugleich erwies sich das "Genie der Genies" als eiskalter Despot und Machtpolitiker.

In dem von seinem Großvater Kim Il-sung errichteten Gulag-System schmachten jene, die Kritik am Staat und dem "Geliebten und Verehrten Obersten Führer" äußerten. Mögliche Gegner räumte Kim aus dem Weg. Immer noch hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er seinen Onkel Jang Song-thaek von Hunden zerfleischen ließ. Sein Halbbruder Kim Jong-nam fiel auf dem Flughafen von Kuala Lumpur in Malaysia einem Giftanschlag zum Opfer.

Frostige Beziehungen

Das Verhältnis zu Südkorea gilt nach einer vorübergehenden Tauwetter-Phase wieder als frostig. Vor wenigen Tagen erschossen nordkoreanische Soldaten einen Mitarbeiter des südkoreanischen Fischereiministeriums nahe der Seegrenze zwischen den beiden Staaten. in einem Brief an Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in schrieb Kim Medienberichten zufolge, der Vorfall hätte sich nicht ereignen dürfen. Zudem bedauerte er demnach sehr, den südkoreanischen Präsidenten enttäuscht zu haben.

Regelmäßig in Atem hält die "Sonne der Menschheit" die Welt mit Raketen- und Atomprogrammen. Als "Little Rocket Man" schmähte ihn US-Präsident Donald Trump - bevor sich die beiden insgesamt dreimal trafen. Konkrete Ergebnisse blieben Mangelware, aber der bis dahin politisch weitgehende isolierte Kim konnte einen Prestigegewinn für sich verbuchen. "Unsere Treffen, unsere Beziehung sind aus einem Fantasy-Film", soll er dem Ego des US-Präsidenten geschmeichelt haben.

In den vergangenen Monaten verschwand Kim zweimal für längere Zeit aus der Öffentlichkeit. Er soll an Gicht und unter Herzproblemen leiden. Bei 1,73 Meter Körpergröße bringt der Machthaber inzwischen 150 Kilo auf die Waage; im Gegensatz zu seinem Volk übrigens, das seit Jahren unter Mangelernährung leidet.

Ein autarkes Nordkorea?

Die von den Kims erdachte Juche-Ideologie hat ein wirtschaftlich autarkes Nordkorea zum Ziel. Tatsächlich schlägt das industrielle Herz der koreanischen Halbinsel im Süden. Und im Norden sind kaum ein Drittel der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar. Es fehlt an Maschinen und Lagerstätten. Unwetter und der beginnende Klimawandel setzen immer wieder einen Teufelskreis aus Missernten und Hunger in Gang.

Doch das Regime sitzt vorerst weiter fest im Sattel, bilanziert Buchautorin Anna Fiifield - mit den gottgleichen Kims an der Spitze. Über Kims Vater Kim Jong-il heißt es, er sei auf dem sagenumwobenen Berg Paektu zur Welt gekommen, in einer Holzhütte, während am Himmel ein einzelner Stern zu sehen war. Eine perfekte Verschmelzung uralter Mythen mit christlicher Überlieferung - die in Pjöngjang, dem einstigen "Jerusalem des Ostens", durchaus einmal einen gewissen Stellenwert hatte.


Nordkoreas Diktator Kim Jong Un am Vulkan Paektu / © N.N. (Reuters)
Nordkoreas Diktator Kim Jong Un am Vulkan Paektu / © N.N. ( Reuters )

Moon Jae In, Präsident von Südkorea, und Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, führen ein privates Gespräch / © Korea Summit Press Pool (dpa)
Moon Jae In, Präsident von Südkorea, und Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, führen ein privates Gespräch / © Korea Summit Press Pool ( dpa )
Quelle:
KNA
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